Studie fürs Arbeitsministerium

Forscher wollen Bürgergeld reformieren: Wer aufstockt, soll mehr Geld behalten dürfen

Raus aus dem Bürgergeld, rein in die Arbeit: Wie schafft man das?
Das Problem: Für viele „Aufstocker“ lohnt es sich oft nicht, mehr zu arbeiten: Was in der linken Hosentasche dann mehr ist, wird auf der rechten Seite gekürzt, unterm Strich bleibt also weniger Geld. Das Arbeitsministerium hat deswegen ein Gutachten erstellen lassen, wie sich das Problem lösen lassen könnte.
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Sozialleistungen bei Einkommen über 520 Euro monatlich um 80 bis 100 Prozent gekürzt

Wer Sozialleistungen wie zum Beispiel Wohngeld bekommt, muss oft Abstriche in Kauf nehmen, wenn er oder sie mehr arbeitet und mehr Geld verdient. Bislang werden diese Sozialleistungen bei Einkommen über 520 Euro monatlich bis 1.000 Euro um 80 bis 100 Prozent gekürzt. Das muss sich ändern, schlagen nun die Forscher vom Ifo-Institut und vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) vor. „Damit sich Mehrarbeit lohnt, weil vom Zuverdienst netto mehr übrigbleibt, sieht die Reform vor, die Sozialleistungen in Zukunft bis zu einer Verdienstgrenze von 2.000 Euro nur zu 70 Prozent zu kürzen. Bei Einkommen über 2.000 Euro monatlich sollen statt bisher 100 Prozent der Sozialleistungen nur noch 65 Prozent gekürzt werden“, heißt es in der Mitteilung.

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Andreas Peichl hat die Studie geleitet, er forscht seit Jahren zu dem Problem. Und es ist wirklich komplex. Denn wer mehrere Sozialleistungen bezieht, kann selbst häufig gar nicht mehr überblicken, welche Wechselwirkung ein Mehrverdienst mit sich bringt. Verschiedene Ministerien mischen hier mit. In einem Spiegel-Interview vom Dezember berichtet der Forscher, dass er einmal einen Mitarbeiter gebeten habe, eine Übersicht von diesen Leistungen zu erstellen. Herausgekommen sei eine Excel-Tabelle mit 173 Einträgen. „Keiner hat den Überblick, jeder schaut auf seine Maßnahmen, niemand auf das Gesamtsystem“, wird Peichl zitiert. Nur mal als Beispiel: Für das Bürgergeld ist das Arbeitsministerium zuständig, das Wohngeld zahlt das Bauministerium und den Kinderzuschlag gibt’s vom Familienministerium.

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„Zweiteilung aus Bürgergeld und Wohngeld müsste in einheitliche Grundsicherung überführt werden"

„Diese Reform würde sogar mehr Geld in die Staatskasse bringen“, sagt er nun zu dieser Studie. „Diese Reform innerhalb des Systems, wie vom Ministerium vorgegeben, würde die Erwerbstätigkeit um 136.000 Personen oder 145.000 Vollzeitstellen erhöhen. Damit könnte sich die Reform selbst finanzieren. Denn die öffentlichen Haushalte hätten am Ende rund 1,1 Milliarden Euro mehr an Steuern und Sozialabgaben“, sagt Holger Stichnoth vom ZEW.

Noch bessere Effekte hätte die Reform laut den Forschern, wenn die Anrechnungsrate beim Zusatzbetrag der Kindergrundsicherung von 45 Prozent auf 25 Prozent gesenkt würde. Dies würde Haushalte mit Kindern besserstellen und insgesamt zu einer Erhöhung der Erwerbstätigkeit um 157.000 Personen sowie 165.000 Vollzeitstellen führen. Diese kombinierte Reform würde die öffentlichen Haushalte nur um etwa 500 Millionen Euro entlasten.

Peichl ergänzt: „Eigentlich müsste auch die derzeitige Zweiteilung aus Bürgergeld und Wohngeld in eine einheitliche Grundsicherung überführt werden. Das würde zu einer wesentlichen Vereinfachung und damit Entlastung der Verwaltung führen. Und es hätte noch größere Beschäftigungseffekte.“

Andrea Nahles: „Das Ziel ist immer Arbeit“

Die Chefin der Arbeitsagentur, Andrea Nahles, hält es für richtig, dass über das Thema gesprochen wird. „Aus unserer Praxis können wir sagen, diejenigen, die arbeiten, haben immer mehr Geld als Bürgergeld-Empfänger. Das ist erst mal die wichtigste Botschaft. Wenn bestimmte Transferleistungen dazukommen, kann das in einigen Regionen, wo sehr hohe Mieten gezahlt werden, auch schon mal anders sein,“ erklärt Nahles im RTL-Interview. Sie bezieht sich hier auf die Transferentzugsrate.

Sie ist davon überzeugt, dass sich die Politik damit beschäftigen muss, auch wenn es kein neues Thema sei. „Das Bürgergeld ist eine Leistung, die das Existenzminimum abbildet, aber gleichzeitig auch eine, wo wir sagen, wir wollen den Leuten aus der Hilfsbedürftigkeit auch wieder heraushelfen. Das Ziel ist immer Arbeit. Das ist aus meiner Sicht jedenfalls auch für die Bundesagentur der Leitstern, nach dem wir uns da orientieren.“ (eku)

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