Glaubhafte Geschichte über Unfall der TochterBekannter Kriminologe fällt auf Schockanruf rein: "Die ganze Vernunft ist nicht da"

Der Kriminologe Christian Pfeiffer spricht am 23.03.2015 während einem Interview in Hannover (Niedersachsen). Er wird am 25.03.2015 als Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen verabschiedet. Foto: Ole Spata/dpa | Verwendung weltweit
Christian Pfeiffer war von 2000 bis 2003 niedersächsischer Justizminister.
ole fdt, picture alliance / dpa, Ole Spata

Gerade jemand wie er sollte auf solche Anrufe nicht hereinfallen, würde man glauben. Doch dem Kriminologen Christian Pfeiffer ist genau das passiert: Bei einem Schockanruf auf seinem Handy glaubt er zunächst dem Anrufer. Nun will er die Bevölkerung wachrütteln.

Falsche Polizistin fordert Kaution

Christian Pfeiffer will gemeinsam mit dem Präsidenten der Polizeidirektion Hannover Volker Kluwe die Bevölkerung wachrütteln und aufklären.
Christian Pfeiffer will gemeinsam mit dem Präsidenten der Polizeidirektion Hannover Volker Kluwe die Bevölkerung wachrütteln und aufklären.
RTL Nord

Anfang August klingelt das Handy des Kriminologen Christian Pfeiffer: Seine Tochter hätte einen Unfall verursacht und dabei ein siebenjähriges Mädchen totgefahren. Dann fordert eine vermeintliche Polizistin eine Kaution in Höhe von 55.000 Euro. Die Person schildert kurz am Telefon, wie es zu dem Unfall kam. Trotz seiner kriminalistischen Erfahrung wirkt der Schockanruf auf den ehemaligen Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen so glaubhaft, dass er das Gespräch zunächst fortführt.

„Es geht einem alles durch den Kopf: Wie kann ich verhindern, dass meine Tochter abends alleine in der Falle sitzt? Und dann schaltet man alles andere aus, die ganze Vernunft ist nicht da“, erzählt er rückblickend im RTL-Interview.

Auch der Präsident der Polizeidirektion Hannover Volker Kluwe warnt eindrücklich: „Es sollte niemand sagen: Mir kann das nicht passieren, ich bin auf so was vorbereitet. Am heutigen Beispiel haben wir gesehen, dass selbst versierte Insider zumindest zeitweise darauf reinfallen.“ Weiter gibt er den Tipp: „In dem Moment, wo Zweifel aufkommen: Legen Sie sofort auf! Rufen Sie nicht über die Rückruftaste die Nummer zurück. Rufen Sie die 110 an.“

Kriminologe geriet in Panik

Nur durch Glück kommt Christian Pfeiffer den Trickbetrügern auf die Schliche. Die Telefonverbindung bricht während des Gesprächs ab. Zurückrufen kann er jedoch nicht. Als er anschließend bei der 110 anruft, um wieder verbunden zu werden, weist ihn die echte Polizei darauf hin, dass es sich um ein Schockanruf handeln muss. „Es dauerte mehr als 20 Minuten, bis sich der Verstand endlich einschaltete“, erzählt er im RTL-Interview.

Gemeinsam mit der Polizei versucht er zwei Stunden lang, den Kriminellen das Handwerk zu legen. Doch auch bei einem weiteren Telefongespräch bricht die Verbindung ab und es folgt kein weiterer Anruf der Betrüger. „Das ist organisierte Kriminalität vom Feinsten. Hoch drei.“

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Dieses Schock-Ereignis hat den ehemaligen Kriminologen noch viele schlaflose Nächte gekostet: „Die ersten drei Nächte bin ich ganz gegen meine Schlafgewohnheit nachts aufgewacht und war in Panik. In genau der selben Panik, die mich erfasst hat, als der Anruf kam“, erzählt Christian Pfeiffer im RTL-Interview.

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Fake-Anrufe nehmen immer mehr zu

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Die Betrüger schildern die Geschehnisse extrem glaubhaft. Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa
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Immer wieder fallen vor allem ältere Menschen auf falsche Polizeibeamte oder den sogenannten Enkeltrick herein - und werden so im schlimmsten Fall um ihre Ersparnisse gebracht. Trickbetrüger und Schockanrufer, die sich als falsche Polizisten ausgeben oder den sogenannten Enkeltrick anwenden, haben allein in Niedersachsen im ersten Halbjahr 2022 mehrere Millionen Euro erbeutet.

„Also das ist durchaus eine lukrative Masche und das Entdeckungsrisiko ist nicht ganz so hoch, weil Anrufe überwiegend aus ausländischen Call-Centern erfolgen“, erklärt der Präsident der Polizeidirektion Hannover Volker Kluwe im RTL-Interview.

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Sowohl beim falschen Polizeibeamten als auch beim Enkeltrick werde oft erzählt, ein Angehöriger habe einen tödlichen Unfall verursacht und benötige Bargeld, um einer Strafe zu entgehen. Eine weitere Legende sei die des schwerkranken Angehörigen, der im Krankenhaus sei und eine kostspielige Behandlung brauche. Beliebt sei auch die Masche, bei einem Notarzttermin sofort mit Bargeld bezahlen zu müssen, um eine Immobilie nicht zu verlieren. Das Ziel der Anrufer sei immer: Zeitdruck auf die angerufene Person auszuüben, damit die Opfer keine Zeit haben, rational nachzudenken.

Kriminologe Pfeiffer: "Die Scham muss weg"

Der ehemalige Kriminologe Christian Pfeiffer hat einen wichtigen Appell an die Gesellschaft: „Die Scham muss weg, deswegen stehe ich hier. Jedem kann das passieren. Man muss sich deswegen nicht schämen, dass man so blöd war und drauf reingefallen ist. Jeder ist so, wenn es um einen Menschen geht, der einem lieb ist.“ Der Staat müsste in seinen Augen unbedingt die Dunkelziffer erfahren, um angemessen gegen Trickbetrüger vorzugehen und ausgiebig forschen zu können. (dpa/kum/ljo)