Das Feuchtgebiet Doñana trocknet ausErdbeeren für Deutschland bedrohen spanisches Naturparadies

Der Anbau von Erdbeeren, die vor allem in Deutschland gegessen werden, bedroht in Spanien ein Naturparadies und sorgt für heftigen Streit. Worum es genau geht und welche Konsequenzen der Zoff sogar haben könnte.
Einzigartiges Feuchtgebiet in Andalusien trocknet aus
Umweltschützer und Forscher schlagen Alarm, die EU droht mit Sanktionen, die Unesco warnt vor einer Streichung von der Liste als Weltnaturerbe und auch die linke Zentralregierung in Madrid geht auf die Barrikaden.
Es geht um das Feuchtgebiet Doñana in Andalusien. Der 1969 gegründeten Nationalpark umfasst zusammen mit einer als Naturpark geschützten Fläche gut 122.000 Hektar und ist damit etwa halb so groß wie das Saarland.
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Das Feuchtgebiet an der Costa de la Luz entlang des Flusses Guadalquivir weist eine einzigartige Vielfalt an Ökosystemen auf. Es beherbergt eine reiche Fauna und Flora, darunter kritisch gefährdete Arten wie den Kaiseradler, den Iberischen Luchs und die Maurische Landschildkröte. Und auch Wanderdünen, endlose Strände, Wälder, Buschwerk und Sumpfgebiete.
In dem Naturparadies geht der Grundwasserspiegel schon seit Jahren dramatisch zurück, wie WWF und andere Umweltschutzorganisationen klagen. Der Grund: Legale und illegale Brunnen werden benutzt, um große Wassermengen vor allem für Frucht- und Gemüseplantagen, aber auch für den Tourismus abzuzweigen.
Nach dem jüngsten Bericht der Biologischen Station im Nationalpark sind seit zehn Jahren bereits fast 60 Prozent aller Lagunen vertrocknet.
300 Liter Wasser für Herstellung von einem Kilo Erdbeeren
Für Ärger sorgt jetzt vor allem der Anbau von Erdbeeren. Direkt an dem vom Austrocknen bedrohten Feuchtgebiet und Unesco-Weltnaturerbe im Südwesten des Landes kündigte die konservativ regierte Region Andalusien diese Woche die Ausweitung der zulässigen Anbaufläche der wasserintensiven „Königsfrucht“ um weitere rund 800 Hektar an.
Der WWF startete eine Unterschriftenaktion gegen das Vorhaben, das am Samstag bereits von knapp 70.000 Menschen unterzeichnet worden war. Laut WWF werden für die Herstellung von einem Kilo Erdbeeren rund 300 Liter Wasser verbraucht. Das Wasser werde aber von den Tieren und Pflanzen dringend gebraucht.
Im Kampf gegen die Zerstörung des Naturparadieses stehen die Umweltschützer nicht alleine da. „Doñana wird nicht angefasst!“, lautete die erste Reaktion von Spaniens Ministerpräsidenten Pedro Sánchez auf die Pläne Andalusiens. Am Rande einer Veranstaltung in Bilbao bekräftigte Sánchez seinen Widerstand: „Wenn die Wissenschaft, die Unesco, die Europäische Kommission und spanische und europäische Gerichtsurteile dies sagen (...) muss der Skandal gestoppt werden.“
Wegen der Vernachlässigung eines der wichtigsten Feuchtgebiete der Erde hatte Spanien erst 2021 einen schwerwiegenden Rüffel bekommen. Der EU-Gerichtshof in Luxemburg gab damals einer Klage der Kommission statt und meinte, Spanien müsse sich beim Schutz mehr anstrengen.
Kommt die Region Andalusien wegen des Erdbeeren-Streits unter Zwangsverwaltung
Der Streit zwischen Politikern in Madrid, Sevilla und Brüssel, zwischen Ökologen und Landwirten spitzte sich am Wochenende zu.
Die Andalusien-Regierung ließ durchblicken, Madrid erwäge, die Region unter Zwangsverwaltung zu stellen, wie es in der spanischen Demokratie nur einmal, und zwar Ende 2017 mit Katalonien wegen der Unabhängigkeitsbestrebungen, geschehen war. Das sorgte zunächst für viel Aufsehen.
Doch der Vertreter des spanischen Innenministeriums in Sevilla, Pedro Fernández, bestritt am Samstag entsprechende Pläne. Madrid will aber nicht untätig bleiben und drohte bereits unter anderem mit einer Klage vor dem Verfassungsgericht.
Erdbeeren-Anbau sichert in Andalusien rund 100.000 Arbeitsplätze
Es gibt aber einen großen Interessenkonflikt: Die Landwirtschaft ist der Motor der äußerst strukturschwachen andalusischen Provinz Huelva.
Die Erdbeeren spielen dabei eine Hauptrolle: Nach Angaben des Verbandes Interfresa sorgte die Frucht 2021 für 100.000 Arbeitsplätze sowie für knapp acht Prozent des Bruttoeinkommens ganz Andalusiens.
Von den 360.000 Tonnen Erdbeeren, die 2021 in Spanien produziert wurden, stammten fast 324.000 Tonnen aus Andalusien.
Rund ein Drittel, 113.000 Tonnen, gingen nach Deutschland, dem weltweit größten Abnehmer.
Wer bei Rewe, Edeka, Lidl oder Aldi spanische Erdbeeren kauft, bekommt sie wahrscheinlich aus Andalusien.
Erdbeeren werden zum Machtspiel
Eine Lösung ist nicht in Sicht. Vor den Regional- und Kommunalwahlen am 28. Mai und der Parlamentswahl Ende des Jahres droht die Erdbeere vielmehr zu einem weiteren großen Konfrontationsthema zu werden.
Der konservative Oppositionsführer Alberto Núñez Feijóo warf Ministerpräsident Sánchez vor, die Probleme der Bauernfamilien in Andalusien zu ignorieren. Madrid wolle aus dem Konflikt Profit in Form von Wählerstimmen schlagen. „Niemand glaubt, dass die Regierung wirklich an Doñana interessiert ist. Sie kümmert sich seit Jahren nicht darum.“
Doch der spanische Umweltexperte Eloy Revilla warnt: Sollte Doñana austrocknen, gehen mit dem Feuchtgebiet auch Landwirtschaft und Tourismus in der Region unter. Und das will hoffentlich niemand. (dpa/aze)


