EM-Stadionhymnen "Sweet Caroline" und "Football's Coming Home"Was singen die Engländer da eigentlich?

Wer in diesen Tagen auch nur ansatzweise die Fußball-Europameisterschaft verfolgt (okay, oder selbst wenn nicht), kommt gerade an zwei Fußballhymnen nicht vorbei. Vermutlich sind Sie in den vergangenen Tagen mitunter damit ins Bett gegangen. „Sweet Caroline“ und „Three Lions“ (Football’s Coming Home) spulen nicht nur englische Fans gebetsmühlenartig ab, es dröhnt aus allen Ecken, links wie rechts, oben und unten. Aber was hat es mit diesen beiden Gassenhauern eigentlich auf sich?

Sweeeeeeet ...
Sweet Caroline
Der Song ist ein echter Klassiker vom amerikanischen Sänger Neil Diamond, der den Hit schon 1969 komponierte. In den USA stieg das Lied bis auf Platz 4 der Billboard-Charts, im entfernten Großbritannien ging er 1971 auf die 8.
Zum Hintergrund der Entstehung gibt es verschiedene Versionen: Einmal erklärte Diamond der Song sei Caroline Kennedy, der Tochter von John F. Kennedy gewidmet, ein anderes Mal gab er zu Protokoll, dass er seine Ehefrau Marcia beim Schreiben der Zeilen im Kopf hatte, er benötigte aber einen Namen mit drei Silben. Daher: Ca-ro-line. So weit die Legende.
Anschließend versuchten sich viele Künstler an Cover-Versionen, zum Beispiel Elvis Presley. Im deutschen Sprachraum blieb vor allem DJ Ötzis Party-Version in Erinnerung, der Song ist ein Dauergast bei Volksfesten wie dem Oktoberfest oder dem Cannstatter Wasen. Kein Bierzelt-Besuch ohne „woah oh ohhhhh“ mitgegrölt zu haben.
... Caroooliiineeeeeeee
Warum wurde der Song zur Stadionhymne? In einigen Fußballstadien läuft er schon länger in Dauerschleife, zum Beispiel bei Aston Villa und dem FC Arsenal, zudem ist er ein routiniertes Stimmungs-Stilmittel bei den großen Boxevents auf der Insel, seit Jahren läuft „Sweet Caroline“ im Rahmen der Kämpfe von Schwergewichts-Champion Anthony Joshua und natürlich trällerte auch Landsmann und Hobby-Sänger Tyson Fury schon einige Male den Gassenhauer. Den Anfang bei Sportevents machten US-Medienberichten zufolge die Boston Red Sox. Das Baseballteam spielte wohl als erstes Profiteam die weltbekannte Melodie ein. Seit 2002 regelmäßig vor dem achten Inning.
Von den USA ging es zurück über den großen Teich. Vor allem nordirische Fans grölen den Song gerne, laut Volksmund wegen der Ähnlichkeit von Caroline mit „Norn Iron“, das im nordirischen Dialekt so viel wie Nordirland bedeutet. Seit dem WM-Quali-Spiel 2005 gegen England 2005 feiern die Nordiren mit dem Song ihre Fußball-Helden und sich selbst.
... woah ohhh ohhhhhhhhhhhhhh
Die große EM-Welle 2021 nahm der Song nach dem Achtelfinalsieg Englands gegen Deutschland. Als die „Three Lions“ endlich den Erzrivalen besiegt hatten, entschied der Stadion-DJ laut eigener Aussage spontan, den Song zu spielen. Eigentlich war ein anderes Lied geplant. Aber Sweet Caroline könnten eben „alle genießen“, so der DJ. Er sollte recht behalten.
Die Stimmung in Wembley erreichte ihren Höhepunkt, die Welle schwappte auch ins Viertel- und Halbfinale und selbstverständlich wird auch am Sonntag „Sweet Caroline“ gegrölt werden. Selbst Coach Gareth Southgate sagte: „Der Song ist nicht zu schlagen, Wahnsinn!“
Die Lyrics:
Eine süße Liebserklärung an eben: Caroline. „Gute Zeiten fühlten sich noch nie so gut an.“ Und: „Die Hände berühren sich, wir berühren uns.“
Fun Fact: Seit dem ersten Erscheinen des Songs hat England noch nie einen Titel geholt. Am Sonntag könnte sich das ändern.
It's cooooooooooomiiiiiiing ...
Three Lions (Football’s Coming Home)
Neben Sweet Caroline, das sich erst im Laufe des Turniers zur ultimativen Fußball-Hymne entwickelte, sticht ein weiterer moderner Klassiker heraus. Der Evergreen „Three Lions“ mit der unvergleichlichen Hook: „It’s coming home, It’s coming home. Football’s Coming Home“. Der Fußball kommt nach Hause, also nach England natürlich.
Der Song entstand vor der Europameisterschaft 1996, der Songwriter Ian Broudie nahm ihn mit seiner Band „Lightning Seeds“ und den zwei Comedians David Baddiel und Frank Skinner als offiziellen England-Song für die EM in der Heimat auf. Der englische Fußballverband FA soll wenig begeistert von dem Lied gewesen sein. So kann man sich täuschen. Die Fans nahmen den Song schnell auf und sangen mit. Ein Hit war geboren.
hoooooomeeeeee ...
Die Lyrics:
Das Lied handelt – in typisch britscher Art – von den vielen Misserfolgen der „Three Lions“ (auf dem Wappen der Mannschaft prangen drei Löwen). Trotzdem steht der Glaube an den Erfolg und die Hoffnung über allem. Das macht das Fan-Dasein aus. Und der Fußball komme eben nach Hause. Gemeint war 1996 vor allem das Heim-Turnier, denn in der Tat gastierte der Fußball damals im Sommer auf der Insel. Wie schon im Song prophezeit, erwischte es die Engländer aber tränenreich – gegen Deutschland war im Halbfinale im Elfmeterschießen Schluss. Tragische Figur damals war übrigens der heutige Trainer Gareth Southgate, der den entscheidenden Elfmeter gegen DFB-Keeper Andreas Köpke verschoss.
Doch inzwischen bedeutet „It’s Coming Home“ eher: Der Titel kommt nach Hause. Denn darauf warten die englischen Fans seit Jahrzehnten vergeblich. Auch 1998, als der Song neu aufgelegt wurde und erneut die Charts stürmte, flog England früh aus dem Turnier. 2018 folgte eine weitere offizielle Version, da wurde England immerhin schon Vierter. Und in diesem Jahr?
Der Song steht unter dem Namen „3 Lions“ aktuell übrigens auf Platz 22 der britischen Charts. Da geht noch mehr. Und seit wenigen Tagen gibt es harte Konkurrenz, denn dank Atomic Kitten hat auch Gareth Southgate jetzt eine eigene Hymne. Obacht, da kommt der nächste Ohrwurm! (msc)