Einmalige Karriere des Eagles-Tackle
Die unglaublichste aller Super-Bowl-Geschichten: Jordan Mailata (25) hatte mit 20 noch keine Ahnung von Football

Er schreibt das wohl größte NFL-Märchen rund um den Super Bowl LVII: Jordan Mailata spielte vor seinem 20. Geburtstag nie Football, kannte die Regeln nicht – und lebte am anderen Ende der Welt. Jetzt ist er einer der wichtigsten Spieler im Finale. Das ist seine Geschichte.
Jordan Mailata - eine Liebe auf den zweiten Blick
Jordan Mailata war „lost“. Da saß er nun in seinem Zimmer und hatte keinen Schimmer, was die ganzen Kritzeleien, die „X“ und „O“ im Playbook bedeuteten. „Ich dachte, es sei eine Anleitung, um ein Raumschiff zu bauen“, sagt der 25-Jährige über seine Football-Ahnungslosigkeit rückblickend. „Was ist das?!“
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Der Australier war ein Rugby-Spieler in Philadelphia. Das Problem: Er spielte nun nicht mehr Rugby, sondern professionell American Football. Bis er 20 Jahre alt war, bestritt er kein einziges Football-Spiel. Von dem Sport hatte er, daraus macht er keinen Hehl, keine Ahnung. Den Super Bowl, den habe er schon angeschaut, erzählt er, aber nur für die Halbzeitshow und die Stars (der erste sei der mit Beyonce gewesen). Auf der Playstation habe er immer nur Hail Marys (langer hoher Wurf nach vorne) geworfen.
Wie also wurde er einer der Stars des anstehenden Super Bowls, einer der wichtigsten Männer der Philadelphia Eagles?
Erst abreißen, dann Rugby
Mailata ist samoanischer Abstammung und wuchs in Sydney auf. Ganz Australier, war Rugby sein Sport. Bei den South Sydney Rabbitohs spielte er in der U-20-Nachwuchsliga. Ein großer Star aber war er nicht. Kaum einer kannte ihn, hinzu kamen Geldprobleme. Der Koloss schlug sich zwischendurch mit Abrissarbeiten am Morgen durch.
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Die Game Changer waren ein Agent, ein Highlight-Video und ein internationales Programm der NFL. Sein Agent platzierte Anrufe in der Presse, dass dieser junge Rugby-Spieler in der NFL durchstarten werde. Ein Highlight-Video seiner Ruby-Einsätze im U20-Team landete bei NFL-Scouts. Mit seinen 2,03 Metern und knapp 160 Kilogramm imponierte er im Vergleich zu den anderen Jugendspielern. Durch das offizielle "NFL International Pathway Program" (die Liga veranstaltet hierüber immer wieder internationale Trainingscamps) durfte er sich tatsächlich in Amerika beweisen. Dort war auch der Offensive-Coach Jeff Stoutland der Philadelphia Eagles. Er erkannte, was anderen offenbar verborgen blieb: Mailatas Football-Talent.
Hollywood-Film hilft bei Positionsfindung

2018 holten ihn die Philadelphia Eagles, damals frisch gebackener Champion, in die NFL – in der letzten Runde des Drafts, dem Auswahlverfahren der Profiliga. Er war damit der erst zweite Nicht-College-Spieler nach dem Deutschen Moritz Böhringer, der es im Draft in die NFL schaffte.
Doch ehe er auch nur eine Partie absolvieren würde, vergingen noch zwei lange Jahre. Zum einen musste er erst das Spiel erlernen, seine Position finden. Er entschied sich als Left Tackle anzutreten, in der Offensive-Line. Er ist nun einer der Beschützer von Jalen Hurts, dem Quarterback und Spielmacher der Eagles. Warum Left Tackle? Nun ja, die Position kannte er halt aus dem Film „Blind Side“ mit Sandra Bullock. Eine weitere kuriose Randgeschichte der kuriosen Mailata-Karriere.
So verrückt es klingen mag, es funktionierte. Doch zuerst musste der Koloss einige Verletzungen überstehen. 2019 bremste ihn der Rücken massiv aus. Mehrmals habe er gedacht, er werde hinschmeißen, sei sogar zum Teammanager ins Büro gelaufen, um seine Reise in der NFL zu beenden, berichtet Mailata. Doch so leicht wollte er dann doch nicht aufgeben. Einen Plan B gab es nicht. „Du musst nicht nur den kleinen Zeh ins Wasser strecken, du musst darin untergehen und dann das Schwimmen lernen. Habe keine Angst.“ Dieses Motto habe er sich selbst ausgedacht, erzählte er in der Medienrunde zum Super Bowl stolz. Immer wieder spricht er dieses Credo an.
Gegen jeden Widerstand

Die Hürden, die ihm das Leben hinstellte, tackelte der Überathlet meistens um. Als Jugendlicher überstand er zwei Eingriffe am Herzen (Ablationen). Zuvor hatte er immer wieder Herzklopfen (Palpitationen) – er hatte zunächst gedacht, sein großer Körper passe einfach nicht zum anstrengenden Rugby-Leben. Seit 2018 aber sei er geheilt.
Um in Mailatas Wasser-Bild zu bleiben: Er ging nicht unter. Er lernte das „Schwimmen“ in der NFL. Eine Verletzung des Starters Jack Driscoll spülte ihn 2020 ganz plötzlich in die Aufstellung. Neben Stars wie Jason Kelce und Lane Johnson machte er seine Sache aber so gut, dass er nicht mehr zu verdrängen war. Der Australier etablierte sich als Left Tackle. Die O-Line der Eagles unter Jeff Stoutland gehörte in den vergangenen Jahren und vor allem in dieser Saison zu den besten der Liga. 2021 belohnten ihn die Eagles mit einer Vertragsverlängerung über vier Jahre und 64 Millionen Dollar. Sein australisches Team hatte ihm einst 5.000 Dollar angeboten.
„Ich will nicht, dass mein Quarterback verletzt wird und ich will ihn nicht dreckiger sehen als ich es bin. Das sind meine zwei Ziele“, erklärt Mailata im „Philadelphia Inquirer“ seine Jobbeschreibung. Die erreicht er mit seinen Kollegen oft. Hurts spielt die Saison seines Lebens, auch dank der fulminanten O-Line. Sie könnte auch im Super Bowl die entscheidende Rolle spielen. Keine andere Mannschaft beschützt ihren Quarterback so gut wie die Eagles. Hurts dankt es mit beeindruckenden Würfen und Laufspielzügen. Philadelphia legte einen Run hin, wurde die beste Mannschaft der regulären Saison und steht nun im Finale.
Mittendrin ist dann Jordan Mailata. „Lost“ ist er in keiner Weise mehr. Sondern genau am richtigen Platz.