Wie lange ist das ok?
Co-Sleeping: Wenn Kinder mit im Ehebett schlafen
von Dagmar Baumgarten
Hurra, es gibt wieder mehr Babys in Deutschland! Und damit auch mehr Eltern, die sich jetzt schon die Frage stellen: Wohin mit dem Säugling in der Nacht? Ins eigene Bettchen oder doch mit zu den Eltern? Schnell kochen die Emotionen bei diesem Thema hoch. Mittendrin stehen die verunsicherten Mütter, die mit ihrer Entscheidung irgendwie immer danebenliegen! Paradoxerweise werfen ihnen nämlich sowohl die Gegner als auch die Befürworter des sogenannten Co-Sleepings Egoismus vor. Was sagen die Experten? Was ist das Beste fürs Kind?
Ist Co-Sleeping vielleicht sogar kontraproduktiv für die Entwicklung?
„Du bist doch nur zu faul, um zum Stillen aufzustehen - wie soll Dein Kind denn selbstständig werden!" Das muss sich eine junge Mutter anhören, die ihr Baby nachts bei sich schlafen lässt. Also beendet sie das Co-Sleeping. Doch da kommen schnell die nächsten Vorwürfe. "Aha - Dein Baby braucht die nächtliche Geborgenheit, aber Du willst ja lieber Deine Ruhe und ungestörten Sex", muss sie sich dann nämlich von den Co-Sleeping Befürwortern anhören. Also, was soll sie tun? Dass ein ganz kleines Baby noch bei den Eltern schläft, ist wohl für die meisten noch völlig normal. Doch wie lange? Ab wann ist Co-Sleeping vielleicht sogar kontraproduktiv für die Entwicklung?
Klar ist: Der Schlaf an sich ist extrem wichtig. Er sollte also schon mal möglichst ungestört ablaufen. Ständig gestörter Schlaf beeinträchtigt nicht bloß das Wohlbefinden, sondern ist eine massive Gesundheitsgefährdung. Für Menschen im Allgemeinen, aber für Babys noch mal ganz besonders. Säuglinge träumen noch viel mehr als Erwachsene, und einige Wissenschaftler sind sich sicher, dass sie tatsächlich im Schlaf viel lernen. Fakt ist, dass beim Träumen dieselben Nervenbahnen wie beim Hören oder Sehen aktiv sind. Also soll dieser Schlaf natürlich so optimal wie möglich ablaufen.
Co-Sleeping: Experten diskutieren Vor- und Nachteile
Muss man als Mutter ein schlechtes Gewissen haben, weil man dem Bitten des Kindes nachgibt, wenn es lieber bei den Eltern als im eigenen Bett schläft? Ist es womöglich wirklich so, dass man dadurch verhaltensauffällige Schwächlinge heranzieht, wie es Co-Sleeping-Gegner behaupten? Sie meinen, dass eine zu starke Bindung an die Eltern eine eigene, selbstständige Entwicklung verhindert! Und gerade weil doch in den ersten Monaten und Jahren schon die Grundsteine für die Entwicklung gelegt werden, sind besorgte Eltern besonders verunsichert, dass sie womöglich genau den falschen Schlafens-Weg wählen.
Der Arzt Dr. Renz-Polster beruhigt besorgte Eltern. Sein Rat: keine Angst vor Co-Sleeping! Dass kleinste Kinder noch zu Mama und Papa ins Bett wollen, liegt bei uns allen noch in den Genen. Früher war es schließlich keine Frage, wo die Kinder schlafen. Alles andere als in unmittelbarer Nähe zu den Eltern wäre der sichere Tod gewesen. Die Sicherheit, die wir heute haben, hat sich längst noch nicht in unseren Genen verankert. Deshalb suchen müde Kinder auch so häufig plötzlich Nähe und werden kuschelig. Je entspannter und natürlicher die Eltern damit umgehen, umso wahrscheinlicher ist es, dass Kinder sowieso von selbst im Alter von zwei, drei Jahren ihren eigenen Raum zum Schlafen haben wollen.
Ein typisches Phänomen ist übrigens das Re-Co-Sleeping. Das sind Kinder, die plötzlich im Alter von vier Jahren wieder im Bett der Eltern schlafen wollen, nachdem sie sich doch eigentlich schon ans eigene Bettchen gewöhnt haben. Auch das ist kein Grund zur Beunruhigung. Das ist genau das Alter, in dem im Gehirn ganz viel Entwicklung stattfindet. Diese Veränderungen sind oft mit diffusen Ängsten bei den Kindern verbunden, weil sie spüren, dass da irgendwas in ihnen passiert. Und in dieser vorübergehenden Phase der Verunsicherung wollen sie häufig wieder im Bett der Eltern mitschlafen. Auch das geht von selbst wieder vorbei. Re-Co-Sleeping als vorübergehende Phase ist also völlig unbedenklich.
Aber was bedeutet vorübergehend? Eigentlich sollten die Kinder spätestens zur Einschulung in ihren eigenen Betten liegen. Wenn sie das nicht von selber wollen, steckt meistens ein Trauma dahinter. Trennungen oder Todesfälle erschüttern Kinder oft so in ihrem Urvertrauen, und wecken solche Verlustängste, dass sie unbewusst wieder den Schutz suchen, den sie als Säugling hatten.
Für eine Zeit ist das auch in Ordnung, sollte aber kein Dauerzustand werden. Wenn aus vorübergehendem Verlangen nach Nähe ein dauerhaftes Klammern wird, sollte man sich dringend mit dem Kind auseinandersetzen. Steckt eine verselbstständigte Angst dahinter oder vermehrtes Kuschelbedürfnis? Manchmal ist es auch Eifersucht. Kommt ein neues Geschwisterchen, fühlen sich manche zurückgesetzt, und wollen deshalb plötzlich wieder zurück ins Elternbett. Dann sind Geduld und Konsequenz gefragt, um die Kinder schnell wieder ans eigene Bett zu gewöhnen. Besonders wichtig sind immer gleiche Einschlafrituale. Sie vermitteln Sicherheit. Das kann die Einschlafgeschichte, ein bestimmter Tee, oder auch eine ausgiebige Kuscheleinheit sein.
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Co-Sleeping reduziert das Risiko des „Plötzlichen Kindstods"
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Amerikanische Kinderärzte konnten belegen, dass das sogenannte Co-Sleeping das Risiko für den plötzlichen Kindstod um fünfzig Prozent verringert. Kinder sollten im ersten Lebensjahr bei den Eltern schlafen - allerdings im eigenen Bettchen. Durch die Geräusche und Gerüche der Eltern fallen sie nicht in den Tiefschlaf, sodass die Wahrscheinlichkeit für einen Herzstillstand sinkt.