Rekorde, Nervenflattern und eine riesen Sause

5 Fakten zur ersten Meisterschaft von Borussia Mönchengladbach

Günter Netzer
Günter Netzer
dpa

Vor 50 Jahren war in Mönchengladbach Ausnahmezustand angesagt. Die Borussia wurde am 30. April 1970 zum ersten Mal Deutscher Meister. Es war der Beginn einer Ära. Reinhard Brings hat 5 Fakten zur ersten Meistersaison gesammelt.

Die Abwehr als Schlüssel

Platz 13, 8, 3 und 3. Das war die Bilanz der ersten vier Spielzeiten der Fohlen, die unter Trainer Hennes Weisweiler begeisternden Offensiv-Fußball boten, aber defensiv zu anfällig waren. Auf Drängen von Günter Netzer wurde am Bökelberg aufgerüstet, wie der Spielmacher einmal beschrieb: „Wir mussten unseren Stil ändern. Wir konnten nicht immer 90 Minuten rauf und runter stürmen. Wir mussten die Abwehr verstärken. 'Holen wir doch die Leute, vor denen unsere Stürmer Angst haben', sagten wir Spieler.“

Mit Luggi Müller (1. FC Nürnberg) und Klaus-Dieter Sieloff (VfB Stuttgart), beide 27 Jahre alt, kamen zwei erfahrene Spieler ins junge Team. „Luggi und Klaus-Dieter halfen uns enorm und waren entscheidende Figuren auf dem Weg zur ersten Meisterschaft“, sagte Gladbachs früherer Angreifer Horst Köppel. „Die Abwehr stand sicher, aber die Offensive blieb unser Markenzeichen. Mit nur 29 Gegentoren stellte die Borussia die beste Abwehr der Liga – das war die Basis für den ersten Meistertitel.

Fohlen legten Punkte-Rekord hin

Am 31. Oktober 1969, nach dem 11. Spieltag, standen die Mönchengladbacher zum ersten Mal in ihrer Vereinsgeschichte in der Bundesliga auf Platz 1. Die Borussen gewannen auf dem Bökelberg gegen Vorjahres-Vizemeister Alemannia Aachen mit 5:1. Vor 29.000 Zuschauern erzielen Horst Köppel, Herbert Laumen, Ulrik Le Fevre, Günter Netzer und „Hacki“ Wimmer die Tore.

In der ersten Meister-Saison legte Gladbach zweimal eine Serie von 11 Spielen ohne Niederlage hin. Die Fohlen beendeten die Spielzeit mit der bis dahin geltenden Rekordpunktzahl von 51:17 Punkten (heute 74 Punkte). Zum ersten Mal gelang auch ein Sieg über die Bayern, die Vizemeister wurden. Nach acht vergeblichen Anläufen schlug Gladbach die Münchner mit 2:1.

Hier geht es zu den legendärsten Duellen zwischen Gladbach und den Bayern.

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Am Ende flatterten die Nerven

Am 33. Spieltag konnte Gladbach im Heimspiel gegen den Hamburger SV mit einem Sieg die Meisterschaft klarmachen. Schon länger hatten die Borussen den Titel vor Augen, doch drei 0:1-Niederlagen hintereinander ließen noch einmal Unruhe aufkommen. Am 30. April 1970 spielte Gladbach den HSV zunächst an die Wand, führte durch Laumen, Vogts, Köppel und Bleidick bis zur 47. Minute schon mit 4:0. Sieben Minuten später gelang den Norddeutschen das vermeintliche Ehrentor, doch plötzlich lief bei Gladbach nichts mehr. Die Gäste kamen fünf Minuten vor dem Spielende bis auf 4:3 heran – das große Zittern begann.

Doch Gladbach rettete sich ins Ziel. Der Schiedsrichter pfiff ab, um 21.43 Uhr war Borussia Mönchengladbach Deutscher Meister – und in der Stadt läuteten daraufhin die Kirchenglocken. Kapitän Netzer streckte als Erster die Schale in den Abendhimmel, der erste offizielle Glückwunsch hatte schon vor Spielende vorgelegen. Der FC Bayern hatte ein Blitztelegramm geschickt, darauf stand: „Der deutsche Meister 1969 gratuliert dem deutschen Meister 1970, FC Bayern München, Neudecker, Präsident.“

Legendäre Partynacht in Gladbach

Mit dem Schlusspfiff begann eine große Party-Nacht. Während Netzer, Vogts und Co. noch unter der Dusche standen, stürmten die Fans die 450 Gaststätten, die es damals in Mönchengladbach gab. Bier floss in Strömen durch die Zapfhähne, die Brauereien hatten hektoliterweise Freibier gestiftet. Gegen Mitternacht schwitzten die Männer hinter der Theke mehr als die Spieler zuvor auf dem Spielfeld. Einige Lokale platzten aus den Nähten, die Türen mussten geschlossen werden. Schwarz-weiße Fahnen beherrschten das Straßenbild, Borussia war jetzt wer auf der Fußball-Landkarte.

Die Mannschaft selbst feierte im nahegelegenen Parkhotel, die Meisterschale war heiß begehrt. Jeder Spieler wollte die Trophäe mit nach Hause nehmen, der letzte Borussen-Spieler verließ die Feststätte der Legende nach um 8 Uhr morgens. Er musste sich ein wenig beeilen, denn das Autokorso durch die Stadt sollte bereits um 10.30 Uhr an den Start gehen. Für den Titel kassierte übrigens jeder Spieler eine Prämie von 10.000 D-Mark.

Borussia hatte den Segen der Großen

"Eine solche Mannschaft habe ich mir seit 20 Jahren gewünscht. Sie machte die größten Fortschritte von allen Spitzenklubs. Dauernder Wechsel zwischen Abwehr und Angriff – da ist Rhythmus drin", sagte Sepp Herberger, Bundestrainer von 1936 bis 1964.

Bayern-Legende Franz Beckenbauer sagte: "Borussia Mönchengladbach hat in dieser Saison die stärkste Mannschaft seit dem Aufstieg in die Bundesliga beisammen. Sie ist viel ausgeglichener als früher, wo frisch drauflos gespielt wurde, immer offensiv mit einem guten Sturm, aber einer schwächeren Verteidigung. Die Abwehr hat nun nicht umsonst die wenigsten Tore hinnehmen müssen. Was Berti Vogts da leistet, ist einmalig."

Und HSV-Ikone Uwe Seeler meinte: "Erfreulich ist vor allem, mit Borussia Mönchengladbach einen Deutscher Meister zu besitzen, der in seinem Spiel alle Vorzüge des modernen Fußballs verkörpert: perfekte Technik, glänzendes Verständnis der Spieler untereinander, in der Lage, jedes Tempo zu spielen und taktisch klug vom Trainer eingestellt. Bei Borussia ist zudem erreicht worden, einen überragenden Spieler im Dienste der Mannschaft in den Mittelpunkt zu stellen: Günter Netzer."