Drei-Seiten-Brief mit tollen Worten vom einstigen In-Team-Feind

Tennis-Erzrivalen: Warum Knast-Post von Michael Stich Boris Becker Tränen in die Augen trieb

So wird's nie wieder sein: Die beiden deutschen Tennis-Profis Michael Stich (r) und Boris Becker vor Beginn des Endspiels der 105. All England Championships in Wimbledon am 07.07.1991. Der Elmshorner bezwang den Leimener in drei Sätzen mit 6:4, 7:6 und 6:4.  Boris Becker startete im Juli 1997 in Wimbledon seinen Abschied auf Raten. Auf den neuen Teamchef der deutschen Daviscup-Mannschaft wartet ein Stück harte Arbeit. Fast parallel mit seiner Rückzugs-Ankündigung kam das Good-Bye des zweitbesten deutschen Tennis-Cracks Michael Stich. dpa (zu dpa 0110)
Boris Becker (li.) und Michael Stich im Jahr 1991
picture-alliance / dpa, AFP

Erst das Gefängnis schaffte das, was nicht einmal der gemeinsame Gold-Triumph bei den Olympischen Spielen 1992 in Barcelona zusammen schweißen konnte: Tennis-Legende Boris Becker bringt im ersten TV-Interview nach seiner Haftstrafe allein die Erinnerung an Worte seines langjährigen Rivalens und Erzfeindes Michael Stich zu Tränen. Die beiden, die sich selbst in der olympischen Stunde ihres gemeinsamen Erfolgs kaum etwas zu sagen hatten, scheinen auf einmal den Graben zwischen sich überbrückt zu haben. Durch einen dreiseitigen Brief von Stich an Becker in seiner schwersten Lebensphase.

"Tolle Worte" von Stich an Becker

Fußball-Star-Trainer Jürgen Klopp wollte ihn besuchen. Genauso wie TV-Moderator Johannes B. Kerner. Es sind Freunde von Boris Becker, die ihn während seiner Zeit im britischen Gefängnis nicht haben fallen lassen. Doch ausgerechnet in der dunkelsten Stunde Unterstützung vom Erzfeind? „Das hätte ich so nicht erwartet“, berichtet Becker im „Sat1“-Interview. Seine Stimme bricht, ihm kommen die Tränen. Dann erzählt er von besonderer Knast-Post.

Stich habe ihm „einen Drei-Seiten-Brief geschrieben und tolle Worte gefunden.“ Rivalität und pure Abneigung füreinander wichen Unterstützung und Respekt. Bis dahin waren sich die zwei größten deutschen Tennis-Spieler ihrer Ära selbst nach ihrer Karriere so gut wie möglich aus dem Weg gegangen. Doch auf Beckers schwierigstem Weg ließ ihn Stich eben nicht im Stich. Bewegend.

Becker: Viel Post erhalten, nur wenige Briefe selbst geschrieben, weil...

Überhaupt habe Becker viele Briefe erhalten, nicht nur von Fans. Auch langjährige Weggefährten oder Freunde, von denen er jahrelang nichts gehört hatte, meldeten sich im Gefängnis bei ihm – selbst ein Päckchen aus den USA fand den Weg zu ihm in seine Zelle.

Jeden Brief, jede Zeile habe er gelesen, denn: „Du hast alle Zeit der Welt im Gefängnis.“ In der Weihnachtszeit wolle er sich nun die Zeit nehmen, um „jeden zu beantworten". Ob Stich schon aus dem Gefängnis eine Antwort von ihm bekommen hat, ließ Becker offen. Der 55-Jährige erzählte nur, dass er selbst ein paar Briefe in den vergangenen Monaten geschrieben habe. Doch das sei im Gefängnis gar nicht so leicht: Papier, Kuvert, Briefmarken – alles müsse man sich von seinem kleinen Taschengeld teuer kaufen.

Boris Becker (li.) und Michael Stich (beide Deutschland), Doppel Olympiasieger 1992, mit ihren Goldmedaillen

Boris Becker left and Michael Stitch both Germany Double Olympic medalists 1992 with theirs Gold medals
Boris Becker (li.) und Michael Stich beide Deutschland Doppel Olympiasieger 1992
imago sportfotodienst, imago/Kosecki, imago sportfotodienst
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„Ich glaube, ich habe den Menschen in mir wiederentdeckt, der ich einmal war"

Einfach war es sicher auch für Stich nicht, die Zeilen an Becker zu schreiben. Was schreibt man seinem Erzfeind im Knast, mit dem man über Jahre hinweg nur durch Abneigung und Rivalität verbunden war? Die Liebe zum Tennis, mehr scheinen Becker und Stich nie miteinander geteilt zu haben. Publikumsliebling Becker war doch eigentlich immer der Emotional-Heroische von beiden. Stich war auf dem Platz stets zurückhaltend, norddeutsch kühl eben, wie es sich für einen Hamburger gehört. Und noch kühler, wenn es um Becker ging.

„Es hat mich Jahre meines Lebens gekostet", erzählte einst Tennis-Bundestrainer Niki Pilic über Olympia in Barcelona mit den beiden Platzhirschen, die auf einmal zum Dream-Team werden sollten: „Ich musste viel lügen." Und selbst so bekam er Becker und Stich nicht an einen Tisch. Die Kommunikation im Tennis-Olympiateam damals lief nur über Pilic.

Es brauchte erst Beckers Verurteilung und seinen Gang ins Gefängnis, um den direkten Draht zwischen den beiden herzustellen. Und noch etwas schaffte die harte Lektion der vergangenen Monate: „Ich glaube, ich habe den Menschen in mir wieder entdeckt, der ich einmal war“, so Becker. Es habe ihm etwas Wichtiges und Gutes gelehrt: „Und manche Dinge passieren aus gutem Grund.“ Zum Beispiel, um Frieden mit einem alten Feind zu schließen. (ana)

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