Beim DFB-Team fing es an
Er war 18 Monate in Therapie: Ex-Nationalspieler bricht nach Karriere-Aus sein Schweigen

Er war ein erfolgreicher Fußball-Profi – und trotzdem raubten ihm Ängste den Schlaf.
Der frühere Nationalspieler Nils Petersen bricht nach seinem Karriereende sein Schweigen. Existenzielle Ängste raubten ihm den Spaß am Fußball und seine Lebensfreude. Und damit war er nicht allein.
"Jedes Spiel war wie eine Prüfung"
Wann ist endlich wieder Donnerstag. Diesen Gedanken hatte Nils Petersen 18 Monate lang, denn: „Da waren die Sitzungen.“ Der regelmäßige Termin bei seiner Therapie war zu der Zeit ein wichtiger Anker im Leben des einstigen Torjägers. In der Zeit habe er um seine Profi-Karriere gebangt. Er hatte Angst, „wie es weitergeht, wenn ich nicht mehr auf mein Leistungslevel komme. Jedes Spiel war wie eine Prüfung, der Kopf rumorte, die Gedanken sind allgegenwärtig und man kann nicht schlafen“, erklärt Petersen im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur.
Es fing im Trainingslager der Nationalmannschaft an. Im Frühsommer 2018. Damals bereitete sich das DFB-Team in Südtirol auf die WM in Russland vor. Und scheiterte gnadenlos im Turnier. Das Aus in der Vorrunde ließ auch Petersens Titel-Träume platzen. Und machte seine Ängste vermutlich nur noch größer. Aber der Stürmer stellte sich seinen Sorgen. Und ging zur Therapie. „Letztlich hat es anderthalb Jahre gedauert, dass ich auch ohne die Therapie gut zurechtkam.“

Mentale Gesundheit im Fußball kein Tabuthema, aber...
Auf diese Zeit schaut der 34-Jährige ausführlich in seinem Buch „Bankgeheimnis“ zurück, das am 24. Juli erscheint. Er erinnert sich darin an seine Furcht, dass seine Lebensfreude nicht zurückkomme. „Es war für mich eine existenzielle Angst, was als nächstes kommt“, sagte der zweimalige Nationalspieler. Es sei ein innerer Kampf gewesen.
Das Entscheidende sei jedoch: Heute gehe es ihm gut.
Für Petersen ist die mentale Gesundheit kein Tabuthema mehr im Fußball. Der Ex-Freiburger nennt es „eher ein offenes Geheimnis. Wenn man sich artikuliert, merkt man erst einmal, dass auch andere Kollegen unter ähnlichen Problemen leiden oder was manche für Rucksäcke mit sich herumschleppen. Man ist folglich nicht allein“, so Petersen. Die Dunkelziffer, vermutet er, sei recht hoch. Im Fußball wie in der Gesellschaft.
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Petersens Karriere in Zahlen
Petersen hatte nach der abgelaufenen Saison seine Karriere beendet. Mit 34 Toren ist er der erfolgreichste Joker der Bundesliga-Geschichte. Zudem gewann er 2016 Olympia-Silber in Rio de Janeiro und erreichte das Pokalfinale 2022 mit Freiburg.
2018 schoss er das Tor des Jahres. In seiner Saison beim FC Bayern München, wo er selten zum Einsatz kam, wurde er deutscher Vize-Meister und erreichte das Finale der Champions League. (ana/dpa)