Zwei Gesetzesvorschläge scheitern

Welche Regeln sollten für Sterbehilfe gelten? Bundestag ohne Entscheidung

 Ein alter Mensch bekommt die Hand gehalten, Bonn am 16.1.1999 , Bonn Deutschland PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxONLY Copyright: xUtexGrabowskyx
Die Sterbehilfe soll in Deutschland neu geregelt werden.
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Das Gesetz zur Sterbehilfe soll neu geregelt werden. Eigentlich...
Es ging um eine schwierige ethische Frage: Der Bundestag sollte über ein neues Gesetz zur Sterbehilfe in Deutschland abstimmen. Zwei Vorschläge standen zur Auswahl: ein etwas liberalerer und ein etwas strikterer. Für viele Menschen wäre ein neues Gesetz wegweisend gewesen. Die Abstimmung hat ergeben: KEINER der beiden Vorschläge findet eine Mehrheit.

So wurde abgestimmt

Im Ringen um einen gesetzlichen Rahmen für die Sterbehilfe in Deutschland haben beide Gesetztesvorschläge eine Mehrheit verfehlt.

Für den Entwurf einer Gruppe um die Abgeordneten Lars Castellucci (SPD) und Ansgar Heveling (CDU) stimmten am Donnerstag 304 Parlamentarier, mit Nein votierten 363, es gab 23 Enthaltungen. Der Vorschlag sah vor, Voraussetzungen im Strafgesetzbuch zu regeln.

Auch der zweite Entwurf um die Abgeordneten Katrin Helling-Plahr (FDP) und Renate Künast (Grüne) bekam keine Mehrheit der über 600 Abgeordneten: Mit Ja stimmten 287 Abgeordnete, mit Nein 375, es gab zwanzig Enthaltungen. Der Vorschlag der Gruppe zielt darauf, dass Ärzte Arzneimittel zur Selbsttötung grundsätzlich unter Voraussetzungen verschreiben dürfen.

Die Details zu den beiden eingebrachten Vorschlägen erläutern wir weiter unten im Text.

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Darum ging es bei der Abstimmung

Hintergrund ist ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts von Anfang 2020, das ein seit 2015 bestehendes Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe im Strafgesetzbuch gekippt hatte - weil es das Recht des Einzelnen auf selbstbestimmtes Sterben verletzte. Das Recht auf selbstbestimmtes Sterben schließe auch die Freiheit ein, sich das Leben zu nehmen und auf freiwillige Hilfe Dritter zurückzugreifen, argumentierten die Richter.

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Im Video: Parkinson-Patient würde liberale Sterbehilfe-Regelung begrüßen

Die liberale Initiative

Eine Gruppe um die Abgeordneten Renate Künast (Grüne) und Katrin Helling-Plahr (FDP) hat ein „Gesetz zum Schutz des Rechts auf selbstbestimmtes Sterben und zur Regelung der Hilfe zur Selbsttötun“ vorgeschlagen. Dafür hatten sich zwei Abgeordnetengruppen zusammengetan. Im Entwurf heißt es: „Jeder, der aus autonom gebildetem, freiem Willen sein Leben eigenhändig beenden möchte, hat das Recht, hierbei Hilfe in Anspruch zu nehmen.“

Das sind die wichtigsten Punkte des Vorschlags:

  • Ärzte dürften Volljährigen tödliche Arzneimittel verschreiben

  • Verordnung der Mittel frühestens drei Wochen und höchstens zwölf Wochen nach einer vorgegebenen ergebnisoffenen Beratung.

  • Vorgesehen ist eine Härtefallregelung, wenn Suizidwillige in einem „existenziellen Leidenszustand mit anhaltenden Symptomen“ sind, die sie in der Lebensführung dauerhaft beeinträchtigen. Dann sollen Ärzte auch ohne Beratungsbescheinigung Arzneimittel verordnen können, wenn ein zweiter Arzt oder eine zweite Ärztin es ebenfalls so einschätzen.

Die striktere Initiative

Eine Gruppe um Lars Castellucci (SPD) und Ansgar Heveling (CDU) hat ein „Gesetz zur Strafbarkeit der geschäftsmäßigen Hilfe zur Selbsttötung und zur Sicherstellung der Freiverantwortlichkeit der Entscheidung zur Selbsttötung“ vorgeschlagen.

  • So soll es im Strafgesetzbuch heißen: „Wer in der Absicht, die Selbsttötung einer anderen Person zu fördern, dieser hierzu geschäftsmäßig die Gelegenheit gewährt, verschafft oder vermittelt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“ Geregelt werden aber Ausnahmen.

  • Nicht rechtswidrig sein sollen: „Förderungshandlungen“, wenn „die zur Selbsttötung entschlossene Person volljährig und einsichtsfähig ist“.

  • Zudem soll festgestellt werden müssen, dass sie „keine die autonome Entscheidungsfindung beeinträchtigende psychische Erkrankung“ hat und das Sterbeverlangen „freiwilliger, ernsthafter und dauerhafter Natur ist“. Eingeschätzt werden soll dies von einem Facharzt oder einer Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie bei zwei Terminen im Abstand von mindestens drei Monaten. Vorgegeben werden soll zudem eine umfassende ergebnisoffene Beratung bei einem weiteren Arzt.

So sieht der aktuelle rechtliche Rahmen aus

Unabhängig von einer möglichen Neuregelung bestehen schon rechtliche Regeln. So ist Ärztinnen und Ärzten eine „Tötung auf Verlangen“ auch auf ausdrücklichen und ernstlichen Wunsch hin verboten, wie es in einer grundsätzlichen Erläuterung der Bundesärztekammer heißt. Indes könnten in bestimmten Situationen „Behandlungsbegrenzungen“ geboten sein. So solle ein „offensichtlicher Sterbevorgang“ nicht durch Therapien künstlich in die Länge gezogen werden. Zudem dürfe ein Sterben durch Unterlassen, Begrenzen oder Beenden einer Behandlung ermöglicht werden, wenn dies dem Patientenwillen entspreche. (khe/mit dpa)

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Hier finden Sie Hilfe bei Suizidgedanken

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