Trichotillomanie: Der Zwang, sich die Haare ausreißen
Sie tut es immer und immer wieder: Rebecca Brown reißt sich die eigenen Haare vom Kopf, manchmal sind es sogar ganze Büschel. Sie hat Trichotillomanie, eine krankhafte Zwangsstörung. "Ich mache das schon seit über zehn Jahren und ich liebe dieses Gefühl. Das Haareausreißen tut mir auch nicht weh. Ganz im Gegenteil, dieses Poppen, wenn ich ein Haar in der Hand habe, befriedigt mich sogar. Für mich ist es wie Schokolade essen", sagt Rebecca.

Doch warum tut sich die hübsche Engländerin das an? Zunächst wusste auch Rebecca selbst lange Zeit nicht, was mit ihr los ist. Denn dieses Verhalten ist nicht ihr freier Wille. Sie muss es tun. Es ist ihr Zwang, die Trichotillomanie. "Das ist leider eine ziemlich komplexe Störung. Ganz unabhängig davon, ob es gerade stressig ist oder nicht. Ich komme davon nicht weg. Ich ziehe und reiße ständig"
Rebecca wuchs wohlbehütet bei ihren Eltern auf. Hatte schönes, langes, blondes Haar. Doch mit zwölf Jahren fängt das kleine Mädchen auf ein mal an, Haare zu ziehen. Über die Jahre wird es schlimmer und schlimmer. Rebecca wird in der Schule gehänselt, zieht sich zurück, isoliert sich von ihren Mitmenschen.
"Die Leute glotzen dich von der Seite an. Sie denken du bist todkrank. Es ist ein furchtbares Gefühl, wenn man sich irgendwo vorstellen muss. Die kahlen Stellen fallen dann sofort auf. Das fühlt sich echt mies an, weil die Leute auch viel zu schnell über dich urteilen.", so die junge Frau. Kein Arzt und keine Therapie konnten ihr bislang helfen.
Aus Verzweiflung fing sie an, im Internet Videos hochzuladen. Darin spricht sie über den Krankheitsverlauf und bringt ihre innere Zerrissenheit zum Ausdruck. Und sie bringt immer wieder ihre imaginäre, mutmachende Zwillingsschwester Jenny zum Einsatz. Diese spielt Rebecca selbst und schneidet sie dann am Computer ins selbe Bild. "Diese Videos sind wie Tagebucheinträge für mich. Sie helfen mir damit klar zu kommen. Sie therapieren mich."
Auch Miriam leidet unter Trichotillomanie
Rebeccas täglicher Kampf mit dem Zwang löst im Internet großes Mitgefühl aus. Darunter nicht nur Interessierte oder Fans, sondern auch Betroffene, wie Miriam Nobbe aus Deutschland. Ihr bedeuten Rebeccas Videos viel. Sie zeigen ihr, dass sie nicht alleine, nicht die einzige ist, die mit dieser krankhaften Störung zu kämpfen hat.
Auch bei Miriam fing diese Krankheit im Kindesalter ganz harmlos an und wurde schnell immer schlimmer. Heute schämt sie sich sehr für ihr Aussehen und trägt deshalb eine Perücke. "Wenn ich die Perücke abnehme, ist mein Schutzschild weg."
Trichotillomanie wurde erst Ende der 80er Jahre offiziell als komplexe psychische Störung anerkannt. Dementsprechend wenig ist diese Krankheit erforscht. Nach vielen Jahren der Verzweiflung und Einsamkeit hat Miriam nun einen festen Freund. Mit der Zweisamkeit kam auch die Besserung. Doch Aufhören kann Miriam nicht. Besonders in Stresssituationen reißt sie sich Haare raus. Das Belastet auch ihre Beziehung.
Rebecca Brown hat leider keinen festen Freund, der sie unterstützt. Die starke Schulter zum Anlehnen findet sie in der Familie. Trotzdem ist ihre Sehnsucht nach einer Partnerschaft mit allem was dazu gehört, sehr groß. Leider fällt es Rebecca nicht leicht auf Menschen zu zu gehen, sie anzusprechen. Sie fühlt sich nicht sonderlich weiblich und ist dadurch extrem schüchtern und zurückhaltend.
Rebeccas Haare sind momentan gut nachgewachsen. Das Haareziehen hat sie besser unter Kontrolle als früher - aber es ist immer noch da. "Ich befürchte, dass Leute sagen: Die hat wieder Haare, sie ist geheilt. Aber das bin ich nicht. Die Störung wird immer da sein. Mein Leben lang."