Wie fange ich an - und wie halte ich durch?
Tagebuch-Trend im Selbstversuch: Warum Journaling eine Chance verdient hat
Man muss kein Schriftsteller sein, um Tagebuch zu schreiben
Tagebuchschreiben? Das hat unsere Autorin Mireilla Zirpins als Drittklässlerin schon mal versucht und ist damals kläglich gescheitert. Wer also wäre besser geeignet, um zu überprüfen, ob wirklich JEDER Tagbuch schreiben kann?
Tag 1: Am Anfang steht die Materialfrage
Mist, mir fällt einfach nichts ein. Verschieben wir es auf morgen. Aber jetzt hab ich ja schon das Datum in dieses Kunstleder-Bändchen mit Goldschnitt und Schloss geschrieben, ohne vorher nachzudenken! Seite rausreißen oder mit dem Cutter heraustrennen? Ob nicht ein Computer-Eintrag doch besser gewesen wäre für mich? Den hätte ich schließlich einfach löschen können.
Ich frage Paul Henkel, der auf seinem Blog schreibenwirkt.de Tipps für Tagebuchschreiber bietet. „Das Schreiben mit Stift auf Papier aktiviert mehr Gehirnregionen. Und es sorgt für Entschleunigung. Die hilft beim schriftlichen Nachdenken", erklärt der Texter und Buch-Autor ( „52 Schreibübungen zum Stressabbau"* 🛒). Aber er findet: Bevor es an der Handschrift scheitert, ist ein digitales Tagebuch auch eine gute Lösung. Das Wichtigste ist, dass Sie sich für etwas entscheiden, womit Sie sich wohl fühlen. Und einen Anfang machen. Eine schöne Kladde kaufen oder ein Dokument mit einer schönen Schriftart auf dem Rechner einrichten.
Tag 2: Wen rede ich hier an?
Liebes Tagebuch,
Ich schreibe meinem Buch? Come on, funktioniert vermutlich für viele, aber ich komme mir dabei blöd vor! Aber wen sonst anreden? Ich hole mir Inspiration bei berühmten Tagebuchschreibern. Anne Frank schrieb an fiktive Freundinnen, die „Kitty“ oder „Pop“ heißen. Die Namen hatte sie aus Jugendbüchern. Andere schreiben einfach das Datum hin. Also habe ich gestern im Prinzip alles richtig gemacht.
Probieren Sie aus, ob Sie lieber in Briefform an einen fiktiven Gesprächspartner schreiben wollen oder einfach drauf los. Aber schreiben wir nicht vielmehr eigentlich an uns selbst? Oder für uns selbst? Weswegen mache ich mir hier überhaupt so einen Stress? Wenn ich auf den Schlüssel gut aufpasse oder mein Dokument mit einem Passwort schütze, liest es außer mir ja niemand.
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Tag 3: Dem Buch Struktur geben
Wenn Sie mögen, notieren Sie das Datum. Dann wissen Sie später noch, was Sie zu welchem Zeitpunkt in Ihrem Leben beschäftigt hat. Oder geben Sie den Einträgen eine thematische Überschrift. Auch beides zusammen ist möglich. Am besten erstmal Platz lassen und die Überschrift zum Schluss einfügen!
Tag 4: Schreiben kann heilsam sein, wenn man es richtig macht
Statt zu schreiben, denke ich heute über folgende verstörende Meldung nach: Ein Forscherteam von der Universität Glasgow hat die Gesundheitswerte von 91 Tagebuchschreibern mit denen von 41 Schreibmuffeln verglichen und kommt zu dem Schluss: Die schriftliche Verarbeitung von traumatischen Ereignissen helfe nicht, sondern könne sogar zu Kopfschmerzen, Schlafstörungen und anderen psychosomatischen Erkrankungen führen. Moment mal, ich dachte, das Tagebuchführen tut mir gut!
Paul Henkel gibt Entwarnung. Andere Studien legen genau das Gegenteil nahe: „Das Immunsystem wird gestärkt, das Tagebuchschreiben sorgt oft auch für eine höhere Lebenszufriedenheit, mehr Optimismus und besseren Schlaf.“ Schädlich sein kann die zu Papier gebrachte Selbstreflexion Henkel zufolge vor allem, „wenn man sich in negative Gedankenspiralen einschreibt“. Der Experte würde aber nicht so weit gehen zu sagen, dass man nicht über Krisen oder Belastendes Schreiben sollte. „Wenn man merkt, es tut einem nicht gut, sollte man es sein lassen.“ Oder über andere Dinge schreiben.
Tag 5: Schreibroutine entwickeln und Schreibblockaden überwinden
Oh. So eine leere Seite kann ganz schön Druck ausüben. Immer drauflos schreiben, „rausrotzen“, hat uns in der Redaktion unser Schreibtrainer geraten. Bloß nicht immer wieder das Geschriebene durchlesen, sondern einfach weitermachen.
„Schreibblockaden treten häufig auf, wenn man zu hohe Erwartungen an sich stellt, es besonders gut machen will“, weiß Paul Henkel. Aha, das ist also mein Problem! Als Journalistin denke ich viel nach über die Erwartungshaltung der Leser. „Davon darf man sich frei machen. Es gibt kein richtig oder falsch. Rechtschreibung und Grammatik sind egal, keiner wird den Text je sehen.“ Henkel gibt konkrete Tipps für den Start, um Blockaden zu lösen: „Man kann auch einfach mal aufschreiben, dass einem nichts einfällt, um den Stift in Bewegung zu halten. Eigene Erwartungen loszulassen, das Gedankenkarussell runterfahren und die Intuition kommen lassen.“
Tag 6: Worüber wir schreiben
Fein, entspannt bin ich. Aber worüber bitte schreibe ich denn jetzt am besten?
Die Fokussierung auf positive Erlebnisse kann schon bei der Themeneingrenzung helfen. Wer das noch zu vage findet, schreibt vielleicht
- Dankbarkeitstagebuch: Das empfiehlt Journaling-Blogger Paul Henkel vor allem Einsteigern: „Einfach drei gute Dinge notieren, die Ihnen an diesem Tag passiert sind“
- Traumtagebuch: Wecker stellen und die Träume der Nacht gleich frisch festhalten. Wenig später sind sie meist schon vergessen. Da muss man auch gar nicht lange überlegen, worüber man schreibt
- Reisetagebuch: Sie tragen jeden Tag ein, was Sie erlebt oder gesehen haben: Orte, Eindrücke, Stimmungen. Gerne können Sie das mit Fotos, Eintrittskarten oder getrockneten Blumen garnieren.
- Schwangerschaftstagebuch/Babytagebuch: Sie denken, Sie haben keine Zeit, sich mit sich selbst zu beschäftigen, weil Sie gerade Mama werden oder geworden sind? Warum machen Sie dann nicht einfach das zum Thema (beispielsweise mit einem Eintragbuch* 🛒 oder Sie basteln selbst ein Journal)? Ihr Kind und Sie selbst werden sich in ein paar Jahren darüber freuen.
- Vorstrukturiertes Tagebuch: Das ist Ihnen alles noch zu viel Gedöns, dem Sie selbst Struktur geben müssten? Dann nutzen Sie Angebote wie das "6-Minuten-Tagebuch"* 🛒, bei dem sich andere schon die Gedanken gemacht haben. Hier bekommen Sie täglich kurze Fragen gestellt, die Sie rasch beantworten können. „Finde ich total gut für den Einstieg“, lobt Paul Henkel. „Die meisten sind auch wissenschaftlich fundiert.“ Allerdings würde der Autor immer das freie Schreiben vorziehen, zumindest für Schreibfreudige: „Da bringt man immer mehr die innere Dimension und eine tiefergehende Emotion mit rein. Und es stellt sich kein Abnutzungseffekt ein, weil man nicht immer nur die gleichen Fragen beantwortet.“
Tag 7: Einfach machen
Zufrieden und glücklich von der Arbeit heimgekehrt. Netter Austausch mit meinen Kollegen, interessantes Interview mit Experten, Artikel pünktlich fertiggestellt. Den Kaffee im Garten habe ich mir verdient. Schaue verliebt den Kids beim Spielen zu. Dieses Tagebuchschreiben ist eigentlich eine feine Sache, Zeit mit mir selbst. Ich habe Paul Henkels Worte noch im Ohr. „Es ist nicht teuer, man braucht im Prinzip nur Stift und Papier und kann direkt loslegen. Und es ist ein tolles Tool, um sich selbst besser kennenzulernen, um sich zu fragen: Was will ich vom Leben.“ Morgen mehr dazu!
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