"Er will dir deine verdammte Seele nehmen"

„Joe Cool“, Quarterback-Star, Stilikone, Hoffnungsträger: Das Phänomen Joe Burrow

Cincinnati Bengals quarterback Joe Burrow speaks at a media availability before Super Bowl LVI at UCLA's Drake Stadium in Los Angeles on Friday, February 11, 2022. Photo by John Angelillo/UPI Photo via Newscom picture alliance
Joe Burrow, Hoffnungsträger der Cincinnati Bengals.
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von Timo Meerkamp

„Wir sehen uns nächstes Jahr!“ Er sollte recht behalten! Und wie! Kaum 14 Monate nach diesem Tweet und seiner verheerenden Verletzung, einem doppelten Kreuzbandriss, greift Jow Burrow nach der Krone im American Football. „Joe Cool“. „Joe Ice“. Quarterback-Star, Stilikone, Hoffnungsträger der Cincinnati Bengals. Aushängeschild und Zukunft der Liga, der National Football League. In wenigen Stunden werden beim 56. Super Bowl gegen die Los Angeles Rams Milliarden Augen auf einen jungen Mann gerichtet sein, der den Puls der NFL-Berichterstattung bestimmt. Auf und abseits des Feldes.

Sein Knie ein Totalschaden

Es war ein steiniger Weg in den Super Bowl für den frisch gebackenen „Comeback Player of the Year“. Burrow, 2020 als „First-Overall-Pick” von den Bengals gedraftet, lieferte bereits in seiner Rookie-Saison. Bis zu jenem verhängnisvollen Spiel gegen die Washington Commanders (damals Washington Football Team“) im November. Sein Knie, ein Totalschaden. Doppelter Kreuzbandriss. Und mehr. Nicht wenige Experten prophezeiten ihm, dass es schwer werden würde, überhaupt an seine alte Form anzuknüpfen.

Wie man sich irren kann. Burrow und die Bengals, eine märchenhafte Story. Ein Ausnahme-Quarterback mit einem – bis dato – mittelmäßigen Team. Noch in der Vorsaison ohne den verletzten Burrow ohne Chance auf die Playoffs. Und nun? Eine Stadt träumt vom ersten Titelgewinn der Geschichte. Dank eines jungen Mannes, der neben all seinem Talent, vor allem eins ist: einfach cool.

"Er ist definitiv cool, sicher"

„Wenn man 'cool' im Wörterbuch nachschlägt, sieht man ein Bild von ihm mit einer Cartier-Brille. Dieser Kerl ist smooth. Man kann gar nicht anders, als ihn zu mögen, er wird einer der ganz Großen werden, glaube ich. Daran glaube ich wirklich", sagte Odell Beckham Junior, Star-Receiver der LA Rams. "Joe Burrow, ja, er ist definitiv cool, ganz sicher."

Burrow zieht sein Ding durch. Auf dem Feld. Abseits des Sports. Was andere denken? Egal! Auch in Sachen Outfit geht der 25-Jährige eigene Wege. Zum AFC Championship-Finale erschien er mit einer extravaganten Sherpa-Jacke eines Jugendfreundes aus Highshool-Tagen. Dazu trug er eine eigenwillige randlose und Sonnenbrille und eine eigens für ihn kreierte Goldkette mit Edelsteinen und seinem Markenzeichen „JB9“. Bei Ansicht der Klamotten schwankt man zwischen Mut, Trendsetter oder Zeitreise in die 80er Jahre.

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"Es interessiert mich einfach nicht, was andere darüber denken"

Und ihm ist es auch…richtig: egal. "Es ist nicht so, dass ich shoppen gehe und mir denke, 'oh, das werden alle lieben'. Es interessiert mich einfach nicht, was andere darüber denken, was ich anziehe oder mache. Ich trage einfach, was mir gefällt", sagte Burrow angesprochen auf sein Outfit. Und ob seine Edelsteine echt wären: „Ich verdiene zu viel Geld, als dass sie nicht echt sein könnten."

Er trägt sein Selbstbewusstsein zur Schau. Er strotzt vor Selbstbewusstsein, das man braucht, um im Business NFL zu überleben. Fast schon ikonisch in den USA sind die Aufnahmen von Burrow mit einer Siegeszigarre. Eine Art Ritual, mit der er große Siege zelebriert. Nach dem Gewinn der College-Meisterschaft mit seiner Uni LSU. Und vor allem nach einem Sieg gegen die Kansas City Chiefs im diesjährigen Conference-Finale.

Video: Ex-NFL-Profi über den Super-Bowl-Hype in den USA

Meisterstück gegen Kansas

"Die erste Zigarre, die ich jemals geraucht habe, war nach dem National Championship Game. Und so habe ich mir gedacht, dass wenn ich etwas gewinne, sei es unsere Division, einen Super Bowl oder die nationale Meisterschaft, sollten wir wahrscheinlich ein paar Zigarren rauchen. Ich denke, wir haben daraus etwas Besonderes gemacht“, erklärte Burrow. Ein Meisterstück der Erfolg bei den Chiefs. Dem Topfavoriten auf den Titel. Und eine Blaupause für sein Können.

Fast aussichtslos lagen die Bengals mit 3:21 zurück. Im gefürchteten Arrowhead-Stadium. Einer Hölle für Gästeteams. Doch Cincinnati kam zurück. Gewann 27:24 nach Verlängerung. Angeführt von Burrow. "Er findet einfach Wege, Spielzüge zu machen, wenn es keinen Spielzug gibt", sagte sein Trainer Zac Taylor. Zur Einordnung: Burrow hat gerade einmal 26 Spiele in der regulären Saison auf dem Buckel. Plus der diesjährigen Playoffs.

Burrow ist so verdammt "tough"

Ein cooler „Hund“. Und vor allem ein Stehaufmännchen. Für seine Mannschaft geht er durchs Feuer. Auf Kosten seiner eigenen Gesundheit. "Er ist so tough wie kaum jemand sonst", sagte Bengals-Receiver Tyler Boyd über seinen Quarterback. Und „tough“ muss er auch sein.

In der ersten Playoff-Runde gegen die Tennessee Titans wurde er neun Mal gesackt. Neun Mal durch die gegnerische Defense zu Fall gebracht. Neun Mal! Das grenzt an Körperverletzung. Noch nie zuvor in der Geschichte des Sports gewann ein Team, dessen Quarterback neun Mal gesackt wurde, ein Spiel. Bis Burrow kam. „Joe Ice“, den nichts aus der Ruhe zu bringen scheint.

Brady ein Burrow-Fan

Und sein Vorbild? Tom Brady! „Ich habe gesehen, wie du 2001 gegen die Bills einen bösen Hit eingesteckt hast. Du bist so schnell wieder aufgestanden, das hat mich inspiriert. Ich sagte mir: Ich will so sein wie du! Diese Szene ist mir noch heute ein Vorbild!", sagte Burrow im Gespräch mit Quarterback-Legende Brady. Und Brady? „Ich denke, er hat einige Fähigkeiten, die ich in seinem Alter nicht hatte.“

Er ist der Leader, ein Mann, dem die Teamkollegen aufgrund seiner Fähigkeiten folgen. Ihm vertrauen. „Er hat Eis in den Adern. Er hat das größte Vertrauen“, sagte Tight End C.J. Uzomah. „Wir haben ihn im Huddle, wir haben seine Präsenz, seinen Verstand und seine Fähigkeit, die Defense zu analysieren und ein Anführer zu sein. Er ist ein eiskalter Killer, der da draußen die Verteidigung analysiert."

"Er will dir deine verdammt Seele nehmen"

Burrow habe die Fähigkeit, „eine Organisation umzukrempeln. Es ist ein Mannschaftsspiel, aber er ist ein wichtiger Teil davon, warum wir da sind, wo wir sind. Er ist der Mann", betonte Uzomah. Offensive Coordinator Brian Callahan beschrieb Burrow im Interview mit „The Athletic“: „All das Selbstvertrauen und das Grinsen, er will dir deine verdammte Seele nehmen. Die Leute spüren das."

Etwas sachlicher drückte es Joes Mutter Robin aus. "Er hat sich immer sehr darauf konzentriert, sich auf alles vorzubereiten, was er vorhat, sei es im Sport, in der Schule oder in einem anderen Bereich des Lebens, und ich glaube, das macht ihn selbstbewusst”, sagte sie bei „Reuters“. Nun also der Super Bowl. Der heilige Gral des amerikanischen Sports. Auf den Burrow bestens vorbereitet sein wird.

„Er ist für diese Bühne gemacht", sagte sein Trainer Zac Taylor. "Er hat um Staats-Meisterschaften und nationale Meisterschaften gespielt, und jetzt spielt er um den Super Bowl. Ich denke, das war schon immer seine Erwartung. Er ist davon nicht überrascht.“