Dahinter könnte eine psychische Störung steckenWarum kratze ich mir immer an meinen Pickeln?

Ein Pickel blüht im Gesicht, leuchtend rot und nicht selten auch noch schmerzhaft. Die meisten Menschen kennen wohl den darauffolgenden Impuls: Das Ding muss weg! Also wird gedrückt, schlimmstenfalls gepiddelt und gekratzt, um dem Übeltäter den Garaus zu machen. Auch wenn man weiß, dass das alles andere als gesund ist und man danach meistens noch viel schlimmer aussieht. Was aber, wenn das Rumknibbeln an der eigenen Haut zu einem Drang wird, dem man nicht mehr widerstehen kann? Wohlmöglich leidet man dann unter sogenanntem Skin Picking Disorder.
Was ist Skin Picking überhaupt?
Das Skin Picking, medizinisch als Dermatillomanie bezeichnet, zählt zu den zwangsverwandten Störungen. Es ist gekennzeichnet durch das wiederholte Zupfen oder Quetschen der eigenen Haut, in Form von Knibbeln, Puhlen, Drücken oder Kratzen. Und es führt zu Hautverletzungen. “Skin Picking ist begleitet von erfolglosen Versuchen, dieses Verhalten zu verringern oder zu stoppen,“ erklärt die Psychologin und Skin-Picking-Expertin Linda Mehrmann von der Universität Köln. Betroffene können also nicht aufhören, ihre Haut zu bearbeiten. Das Piddeln kann in kurzen, über den Tag verteilten Episoden oder in weniger häufigen, aber anhaltenderen Perioden erfolgen.
Häufig löst das Entdecken von Hautunreinheiten wie Pickeln, Schorf oder Mückenstichen den Drang aus. Skin Picking kann den Betroffen aber auch als Bewältigung von Anspannung, Stress und Langeweile dienen. Skin Picking kann verschiedene Körperteile betreffen, zum Beispiel das Gesicht, die Kopfhaut, Dekolleté und Beine.
Skin Picking – ab wann sollte ich mir Sorgen machen?
Fast jeder hat wohl einmal zu lange an einem Pickel rumgefummelt. Einigen Menschen wird auch das Gefühl nicht fremd sein, bei jeder Hautunreinheit unbewusst oder bewusst die entsprechende Stelle bearbeiten zu wollen. Bis zu einem gewissen Punkt ist das normal. “Von Skin Picking betroffene Personen haben jedoch einen sehr viel stärkeren Dang, ihre Haut zu manipulieren“, sagt Expertin Linda Mehrmann. Ab einem bestimmten Grad wird das sogenannte Skin Picking pathologisch, also zum krankhaften Verhalten. “Das ist der Fall, wenn betroffene Personen es nicht mehr schaffen, das Verhalten zu unterlassen, obwohl sie es nicht mehr wollen“, sagt Linda Mehrmann. Wem also bewusst ist, dass er zu viel an der eigenen Haut piddelt, dem Drang danach aber nicht widerstehen kann, leidet möglicherweise unter krankhaftem Skin Picking.
Ein weiteres wichtiges Kennzeichen: Die Betroffenen leiden unter ihrem Verhalten. “Die Symptome führen zu einer erheblichen Belastung oder Beeinträchtigung in persönlichen, familiären, sozialen, schulischen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen,“ erklärt die Psychologin. Beispielsweise schämen sich Betroffene für ihre durch Skin Picking entstandenen Verletzungen, fühlen sich etwa optisch noch unansehnlicher, als mit dem vorher bearbeiteten Pickel.
Das pathologische Skin Picking betrifft mehr Leute, als man vielleicht vermuten würde. Bisherige Schätzungen gehen davon aus, dass etwa 1,5 bis 5 Prozent der Bevölkerung darunter leiden. Frauen sind wesentlich stärker betroffen als Männern. Skin Picking kann grundsätzlich jede Altersgruppe betreffen. “Jedoch gibt es beim Skin Picking typische Altersbereiche, in denen das exzessive Knibbeln gehäuft zum ersten Mal auftritt. Dies ist zum einen die Kindheit, also noch vor dem 10. Lebensjahr. Oft fängt es zwischen dem 12. und 21. Lebensjahr an“, erklärt Linda Mehrmann.
Wie Betroffene sich helfen können
Wer einen krankhaften Zwang zum Skin Picking bei sich feststellt, also unter dem ständigen Knibbeln, Drücken und Puhlen leidet, sollte sich professionelle, medizinische Hilfe suchen. Zum einen sollte ein Hautarzt entstandene Verletzungen prüfen. Eine Behandlung beim Psychologen oder Psychiater hilft, Skin Picking in den Griff zu bekommen. Expertin Linda Mehrmann empfiehlt aber zusätzlich auch noch ein paar Tipps, mit denen sich Betroffene auch selbst helfen können:
Wenn man den Drang zum Bearbeiten der Haut nicht widerstehen kann, sollte man dabei möglichst hygienisch vorgehen, um gesundheitliche Schäden zu gut wie möglich zu verringern
Beobachten Sie Ihr Knibbel-Verhalten ganz genau! Protokollieren Sie, in welchen Situationen Sie ihre Haut bearbeiten, um diese dann zu umgehen. Wenn Sie beispielsweise abends vorm Zubettgehen immer am großen Badezimmerspiegel Hautunreinheiten entdecken und dann den Drang zum Knibbeln verspüren, verdecken Sie vorrübergehend ihren Badezimmerspiegel, um nicht mehr in Versuchung zu kommen, neu entdeckte Pickel zu bearbeiten
Wenn Sie merken, dass Sie in Stresssituationen das Skin Picking zur Entspannung nutzen, können Sie sich alternative Objekte griffbereit halten, die Stress reduzieren können. Zum Beispiel Stressbälle oder Luftpolsterfolie.