Zum Mental Health Day

Psychologin erklärt, wie man negative Gefühle los wird

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Der Mental Health Day soll Aufmerksamkeit auf die psychische Gesundheit legen.
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Am 10.10.2023 ist der Mental Health Day, der Aufmerksamkeit auf die psychische Gesundheit legen soll.
Wer häufig unter schlechten Gefühlen oder gar einer psychischen Erkrankung leidet, sollte etwas dagegen unternehmen. Was akut gegen Angst, Wut und Traurigkeit hilft, erklärt die Psychologin und Buchautorin („44 Psychologie-Tools für alle Gefühlslagen“) Vanessa Graf im Interview mit rtl.de.

Was hilft gegen Angst und Panik?

RTL.de: Warum haben wir überhaupt Gefühle und wie entstehen sie?

Vanessa Graf: Gefühle haben wir aus unterschiedlichen Gründen. Sie sollen aber vor allem unser Überleben sichern und uns über unsere Bedürfnisse informieren. Wenn wir merken, dass unsere Bedürfnisse nicht befriedigt oder verletzt werden, dann kommen negative Gefühle in uns auf. Sie sollen uns dazu anregen, etwas zu tun, damit es uns wieder besser geht.

Warum sind manche Menschen ängstlicher als andere?

Das kommt oftmals aus der Kindheit. Man hat Erfahrungen gemacht, die dazu geführt haben, dass man ängstlicher ist. Sei es, wenn man oftmals alleine gelassen wurde oder nicht beruhigt wurde wenn etwas vorgefallen ist. Manche Menschen haben auch nicht gelernt, mit der Angst umzugehen, weil sie von Bezugspersonen nie beruhigende Worte wie „Du musst jetzt keine Angst haben“ gehört haben in der Kindheit. Es gibt außerdem genetisch bedingt einfach ängstlichere Menschen, die eher mit Angst reagieren.

Welche Ängste sind am häufigsten?

Sehr viele Menschen haben Zukunftsangst, gerade jetzt in diesen Zeiten, in denen man oft mit negativen Nachrichten konfrontiert wird. Das kann Ängste auslösen, verstärken und sogar zu einer generalisierten Angststörung führen. Dann reagiert man auf verschiedene Dinge sehr ängstlich und kann sich oftmals gar nicht erklären, warum man überhaupt so viel Angst hat. Das kann sich dann auch mischen mit spezifischen Ängsten wie Höhenangst, Klaustrophobie, Angst vor Spinnen oder Angst vor Blut.

Was hilft akut gegen eine Panikattacke?

Es kann helfen, sich dann auf den Körper zu konzentriere n, vor allem auf die Bauchatmung. Wenn man in den Bauch atmet, sendet man dem Körper das Signal, dass alles gut ist und man keine Angst haben muss. Man kann auch versuchen, sich auf seine fünf Sinne zu konzentrieren. Bei der 5-4-3-2-1-Übung, die ich auch in meinem Buch beschreibe, sollte man sich umschauen und fünf Dinge mit den Augen wahrnehmen. Dann sollte man vier Dinge spüren, drei die man hört, zwei die man riecht und eine Sache, die man schmeckt. Wenn es schwierig ist, Dinge zu schmecken oder zu riechen, kann man auch Hilfsmittel dabei haben - zum Beispiel einen Mini-Parfüm Riechstift oder einen Kaugummi.

Wann sollte man zum Psychologen gehen?

Ab dem Moment, in dem unser normaler Alltag negativ beeinflusst wird und die Angst überhand nimmt, sollte man sich professionelle Hilfe holen. Das gilt auch, wenn man schädliche Verhaltensweisen an den Tag legt, wie Cannabis- oder Alkoholkonsum. Manchmal sind es auch Dinge, die man gar nicht so bewusst wahrnimmt, wie ein übermäßiger Social-Media-Konsum. Wenn man stundenlang bei Instagram oder TikTok unterwegs ist, muss man sich nicht mit der Angst beschäftigen.

Ist Konfrontation mit der Angst immer eine gute Lösung?

Das kommt auf die spezielle Situation an. Wer Flugangst hat und sich in ein Flugzeug setzt, wird wahrscheinlich nur eine Panikattacke nach der anderen erleiden. Das hilft dann nicht. Hat man aber zum Beispiel Angst vor Spinnen, kann man das Ganze langsam aufbauen und sich zum Beispiel erst einmal ein Bild von einer Spinne anschauen. Als nächsten Schritt - nach ein paar Tagen oder Wochen - kann man sich in einem Raum aufhalten, wo eine Spinne ist. Wenn die Angst zu massiv ist, sollte man sich unbedingt professionelle Hilfe holen.

Bei starker Trauer sich Zeit nehmen

Traurigkeit kann bekanntermaßen viele Ursachen haben, allerdings können sich manche Menschen gar nicht erklären, warum sie bedrückt sind. Wie kommt das?

Trauer kann durch viele Dinge ausgelöst werden. Es können auch kleinere Dinge verantwortlich dafür sein. Wer sich nur wenig Zeit für sich nimmt und nicht mehr auf seine Bedürfnisse hört, läuft Gefahr, immer gestresster und auch trauriger zu werden. Daher sollte man etwas dagegen unternehmen und sich wieder mehr auf sich selbst konzentrieren.

Besonders der Todesfall eines geliebten Menschen und Liebeskummer sorgen häufig für eine starke Traurigkeit. Was hilft gegen die belastende Trauer?

Man sollte sich viel Gutes tun, auch wenn es schwer ist. Man sollte sich fragen: „Was hat mir früher Spaß gemacht oder gut getan?“ und diese Dinge auch jetzt weiter machen. Außerdem kann es hilfreich sein, sich mit geliebten Menschen zu treffen, um sich ein wenig abzulenken. Gerade bei Trauer kann es einem aber trotzdem schnell zu viel werden. Dann sollte man die Situation auch mal vorzeitig verlassen. Aber es ist immerhin wichtig, die Trauer auszuleben und sich dem Gefühl zu widmen.

Wie lange ist es „normal“ Liebeskummer zu haben oder um einen Menschen zu trauern?

Das ist schwierig zu sagen, weil jeder Mensch unterschiedlich schnell einen Verlust verarbeitet. Bei einigen Menschen dauert es nur einige Wochen. Dann fühlen sie sich wieder gut. Bei anderen Menschen dauert es Jahre. Dann ist die Trauer nicht immer präsent aber sie kommt immer wieder hoch. Wenn man jedoch stark belastet ist und es einem nicht gelingt, sein Leben wieder normal weiterzuleben, dann ist es hilfreich, sich professionelle Unterstützung zu holen. Manchmal wirken die Menschen erst einmal kaum belastet, aber die Trauer kommt dann später – manchmal nach Jahren erst.

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Wie schafft man es, gelassener zu werden?

Manche Menschen sind gelassen und werden so gut wie nie wütend, während andere bei kleinsten Dingen ausrasten. Warum ist das so?

Kontrolliert kann man die Wut herauslassen. Wenn man die Wut immer rauslässt, wird sie nicht abnehmen und sich im Laufe des Lebens sogar steigern. Man sollte sich immer fragen, was einen wütend gemacht hat. Wurde eine Grenze verletzt oder wurde man nicht beachtet? Oft haben diese Menschen früher die Erfahrung gemacht, nicht gesehen zu werden oder ihre Grenzen wurden ständig verletzt. Man sollte stets das Bedürfnis hinter der Wut verstehen lernen.

Was hilft akut bei einem Wutanfall?

Ein erster wichtiger Schritt ist es, die Situation zu verlassen. Man sollte lernen, sich die Zeit zu nehmen und sich erst einmal beruhigen, bevor man sich wieder mit der Person auseinandersetzt. Damit die Wut weniger wird, kann man verschiedene Übungen machen. Man kann zum Beispiel eine Denkaufgabe lösen oder auch mit den Armen gegen die Wände drücken, als würde man die Wand wegdrücken wollen, und die Energie „kontrolliert“ rauslassen.

Wie kann man langfristig gelassener werden?

Man kann ein Wuttagebuch führen. Dort schreibt man auf, warum man wütend wurde. Welches Bedürfnis wurde verletzt? Man sollte auch schauen, dass die anderen Bedürfnisse befriedigt werden. Man sollte genug schlafen, sich bewegen und Dinge tun, die einem gut tun.

Langfristig glücklicher werden: Was sonst noch hilft

Haben Ernährung und der Lebensstil einen Einfluss auf die Gefühle?

Ja, die Ernährung hat auf jeden Fall einen Einfluss. Wenn wir nur leere Kalorien und keine Vitamine oder Nährstoffe zu uns nehmen, dann ist der Körper nicht im Gleichgewicht. Wer viel Kaffee trinkt, reagiert schneller ängstlich. Wenn man viel Zucker zu sich nimmt, steigt der Insulinspiegel sehr stark und dadurch ist der Körper im Dauerstress und das hat wiederum Einfluss auf unsere Gefühle.

Was ist außerdem essentiell, um mental stabil zu bleiben?

Dankbarkeit ist ein gutes Mittel. Man sollte sich täglich drei Dinge aufschreiben, für die man dankbar ist. Das kann mehr positive Gefühle auslösen und langfristig für mehr Zufriedenheit sorgen. Auch ist Achtsamkeit wichtig. Viele Menschen leben nur in der Vergangenheit oder in der Zukunft. Dabei ist es sehr wichtig, den Moment zu genießen. So erlangt man ebenso mehr Zufriedenheit. Man sollte generell die seelische Gesundheit als genauso wichtig erachten wie die körperliche.

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