Thriller von André Pilz
"Morden und Lügen": Der harte Weg zum Eingeständnis der Wahrheit

Verdrängung ist ein wichtiger Bestandteil der menschlichen Psyche. Sie hilft, sich für den Moment, auf das Wesentliche zu fokussieren, weiterzumachen. Sie dient dem unmittelbaren Überleben. Wenn das gesichert ist, kommt allerdings der Punkt, an dem man sich mit dem Verdrängten auseinandersetzen sollte, sonst kann es einem den Boden unter den Füßen wegreißen. So geht es dem Protagonisten in André Pilz‘ „Morden und Lügen“*.
Ein Mord und viele ungeklärte Fragen
Im Sommer 2000 wurde Jan Halders Kommilitonin Angelika nach einer Party vor ihrem Studentenheim in einer österreichischen Universitätsstadt erstochen, der Täter konnte nie ermittelt werden. 16 Jahre später steht plötzlich Angelikas Mutter vor Halders Tür. Sie wirft ihm vor, niemals die volle Wahrheit über jene Nacht gesagt zu haben, und setzt ihn unter Druck. Er solle noch einmal mit dem damaligen Ermittler sprechen und alles sagen, was er weiß. Jan fühlt sich genötigt, in seine alte Universitätsstadt zurückzukehren, um das Verbrechen noch einmal zu rekonstruieren. In erster Linie bedeutet das jedoch – wie er schmerzlich feststellen muss – sich selbst mit seinen Erinnerungen an die Tatnacht zu konfrontieren, was er bislang erfolgreich vermieden hat und weiterhin vermeiden will. Während seines Aufenthaltes in der Stadt trifft er auf die Aktivistin und Bloggerin Haddah, die den Mord an zwei südafrikanischen Studenten, der einige Monate später geschehen ist, untersucht. Jan und Haddah erkennen einen Zusammenhang und kommen einem Komplott auf die Spur. Jan erkennt, dass er sich allem stellen muss, was er an Erinnerungen an die Geschehnisse der Mordnacht bisher verdrängt hat, wenn er der Wahrheit herausfinden und am Leben bleiben will.
Die spannende Reise zum Eingeständnis der Wahrheit
Pilz ersinnt einen feinen Fall um Machtmissbrauch, Korruption, Frauen- und Ausländerfeindlichkeit. Noch mehr Spannung zieht das Buch allerdings aus den emotionalen und charakterlichen Unzulänglichkeiten des Protagonisten und Ich-Erzählers Jan Halder. Jan, mittlerweile ein mittelmäßiger Autor in einer Schaffenskrise, neigt dazu, sich die Wahrheit zurechtzubiegen und unangenehmen Konfrontationen aus dem Weg zu gehen. Das manövriert ihn – sowohl in der Vergangenheit als auch in der Gegenwart – immer wieder in Situationen, die unangenehmer und auswegloser sind als die, denen er sich nicht stellen will. Und so muss er irgendwann die Flucht nach vorne antreten – nicht, weil er seine Feigheit überwindet, sondern weil ihm schlicht nicht anderes mehr übrigbleibt.
„Morden und Lügen“ ist ein spannender Thriller und eine noch viel spannendere Charakterstudie eines Mannes, der durch Verdrängen, Verleugnen und Angst vor den Konsequenzen seines Handelns immer näher an den eigenen Abgrund gerät und sich irgendwann entscheiden muss, ob er springen oder kämpfen will.
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