"Ist die Liebe die Wurzel allen Übels?"Sänger Alexander Wesselsky über das neue Eisbrecher-Album "Liebe macht Monster"

Alexander Wesselsky (vorne) sprach mit uns über das neue "Eisbrecher"-Album "Liebe macht Monster".
Alexander Wesselsky (vorne) sprach mit uns über das neue "Eisbrecher"-Album "Liebe macht Monster".
Holger Fichtner / 360 Grad Design

Sie sind ihrem „Flow“ gefolgt – daraus entstand Musik, die mal wieder so richtig rockt. Am 12. März hat die Band „Eisbrecher“ ihr achtes Studioalbum „Liebe macht Monster“* 🛒 veröffentlicht. Im RTL-Interview erzählt Frontmann Alexander Wesselsky, warum manchmal ein Ar***tritt nötig ist.

Euer Album heißt "Liebe macht Monster" - warum macht Liebe Monster?

Alexander Wesselsky: „Weiß ich doch nicht, ich bin doch nicht der Schöpfer. Ich bin doch nur ein Erschöpfter. Ich weiß nicht, ob der Herrgott noch bei Sinnen war. Aber das darf sich auch jeder selber fragen. Es gab in der Weltgeschichte Massenmörder, Menschen, die Kriege angefangen haben. Und es gibt den Begriff ‘Liebe machen’. Wenn man davon ausgeht, dass ein Mensch in Liebe gezeugt worden ist, wie kann es dann sein, dass daraus ein Monster entsteht? Ist die Liebe vielleicht die Wurzel allen Übels?“

Euer Sound wirkt aggressiver und energetischer als bei Euren letzten Alben - wie kommt's?

Alexander Wesselsky: Warum das Album so geworden ist, wie es ist, kann ich gar nicht sagen. Es ist die Kombination aus Wort und Musik, die das Produkt macht. Musik ist etwas, das passiert, wenn du nicht darüber nachdenkst – go with the flow. Wenn man etwas mit Vollgas macht, dann macht man nicht viel falsch. Man sollte auf seine Instinkte hören.

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Was unterscheidet das neue Album Deiner Ansicht nach von dem vorigen?

Alexander Wesselsky: „Der Pix (Anm. d. Red.: Gitarrist, Produzent/Programmer) hatte vor, etwas anders zu machen. Bei uns gibt es immer erst die Musik und dann den Text. Und die Musik gibt die Stimmung vor. Auf ein super düsteres ‘Moll-Brett’ machst du keinen ‘Ich hab dich lieb, du hast mich lieb, Sonne, Mond und Sterne’-Text. Als ich die Musik gehört habe, habe ich erst verschreckt die Augen aufgerissen und mich gefragt: ‘Sind das noch wir? Fährt jetzt der Motor dem Auto davon?’ Aber: Das war die nötige Würze. Es war der Ar***tritt, damit man in der Eisbrecher-Einöde nicht vor sich hin dümpelt. Die Einheit von Text und Musik ist sehr eng. Hauptsache auf die Zwölf – dann weckt man die Toten.“

Wie ist das für Dich, Songs in der Tasche zu haben, die Ihr jetzt erstmal nicht live spielen könnt?

Alexander Wesselsky: „Wir wollen live spielen, es ist über ein Jahr her, dass wir auf der Bühne standen. Es bricht uns das Herz. Wenn du dich durch eine Albumproduktion gequält hast, dann möchtest du die Songs vor Publikum spielen. Die Songs leben von der Energie, die entsteht, wenn man sie live spielt. Die Lieder vor Zuschauern zu spielen, ist die Feuertaufe. Das ist zwingend nötig, um zu sehen, ob sie bestehen. Eine Tour ist die Bestätigung deines Schaffens, live bekommst du den Zuspruch, darum geht es. Nicht um Schultergeklopfe – das ist die zweite Wahl. Live spielen fehlt uns total. Aber: Die Songs schicken wir schon mal los – wir kommen dann nach. Wir können ja nicht ewig warten, fertig ist fertig. Wir hoffen auf das Beste und rechnen mit dem Schlimmsten.“

Alexander Wesselsky (2. v. l.) sprach mit uns über das neue "Eisbrecher"-Album "Liebe macht Monster".
Alexander Wesselsky (2. v. l.) sprach mit uns über das neue "Eisbrecher"-Album "Liebe macht Monster".
Holger Fichtner / 360 Grad Design

Was hältst Du von Corona-Alternativen zu herkömmlichen Konzerten?

Alexander Wesselsky: „Ich trete nicht vor Pappkameraden, Autos, Atomkraftwerken auf. Das ist nicht, warum wir uns für den Job entschieden haben. Wenn ein Auto keine vier Räder hat, dann ist es kein Auto. Ein Bild braucht eine Leinwand, ein Musiker braucht sein Publikum. Das ist der Stoff, aus dem die Energie gemacht ist. Wir reden von Rock. Rock lebt von ‘ich spüre meinen Nebenmann’. Es geht darum, Energie aufzutanken, damit ich die nächsten Wochen nach dem Konzert meinen Job, Schulden, Mobbing aushalten kann. Online-Konzerte können das Gefühl, das man bei einem Live-Konzert hat, nicht ersetzen.“

Hast Du es schon erlebt, dass Songs, die Du für super gehalten hast, vor Publikum nicht funktioniert haben?

Alexander Wesselsky: „Das gehört dazu. Die besten Shows sind die in der Mitte und am Ende einer Tour. Am Anfang ist es interessant, weil sich Songs noch ändern. Die, die später aus der Setlist verschwinden, haben dann nicht so funktioniert. Nicht jeder Song muss auf die Bühne gebracht werden. Bei anderen denkt man ‘die müssen zwingend rein’. Ehrliches Feedback des Publikums ist wichtig, es ist ein Korrektiv.“

Du kritisierst im Song "High Society" die geleckte Gesellschaft: Was stört Dich?

Alexander Wesselsky: „Es gibt die Generation, die alles schönredet, der aber trotzdem alles sch***egal ist. Daran muss man mal erinnern. Dass es nicht um Geld geht, muss man sich leisten können. Wir hocken auf unserem hohen Ross und nehmen uns raus, Dinge zu bewerten. Sind wir per se alle in der Matrix? Auch hier eine Einladung, darüber nachzudenken: Wie viele Maulhelden gibt es? Wer zieht Konsequenzen, auch, wenn es den Job kostet? Ich sage, wir brauchen mehr Mut, wir brauchen mehr Helden. Im Song ‘Systemsprenger’ geht es wiederum um den Unangepassten. Man braucht den Unangepassten, um den Angepassten gut zu finden. Oder den Systemsprenger, den man cool finden kann, weil er anders ist. Das Motto der Platte spiegelt sich darin wider: Im Guten, im Bösen.“

Euer Cover-Album "Schicksalsmelodien" kam erst im Oktober 2020 heraus. Jetzt legt ihr mit "Liebe macht Monster" nach - warum war die Reihenfolge erst anders herum geplant?

Alexander Wesselsky: „Irgendwann Ende Mai wussten wir: Das wird nichts mehr mit Konzerten. Da haben wir die Veröffentlichungstermine des Cover-Albums und von „Liebe macht Monster“ vertauscht. Eigentlich sollte „Liebe macht Monster“ zuerst erscheinen. Wir haben auf die Zukunft gehofft. Wie gesagt: Es gehört zu einem Studio-Album, es live zu spielen. Bei einem Cover-Album ist nicht zwingend eine Tour nötig. Deshalb wollten wir die Leute damit erst mal aus dem Winterschlaf küssen und ein bisschen Aufmerksamkeit erregen.“

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