Meine persönliche Kirchengeschichte
Es sind nicht nur die Skandale: Warum die Kirche WIRKLICH stirbt

Alle 35 Sekunden tritt jemand aus der Kirche aus.
Mehr als 900.000 Menschen verließen 2022 die Kirche – so viele wie noch nie. Schuld daran sind nicht nur die Missbrauchsskandale! Es ist so viel mehr. Ein Kommentar.
Kirche in der Krise
Priester, die Kinder sexuell missbraucht haben und Kollegen, die davon wussten und trotzdem nichts gesagt haben – nicht nur in der katholischen Kirche traurige Regelmäßigkeit. Auch bei den Protestanten kommen immer wieder Missbrauchsfälle zu Tage.
Es sind diese Skandale, die viele Gläubige an ihrer Kirche zweifeln lassen. Letztes Jahr sind – vermutlich auch deshalb – etwa 900.000 Christen in Deutschland aus der Kirche ausgetreten: Die deutsche Bischofskonferenz teilte am Mittwoch (28. Juni) mit, dass mehr als eine halbe Million Menschen die katholische Kirche verlassen haben. Die evangelische Kirche schrumpfte im gleichen Zeitraum um 380.000 Gläubige.
So schockierend die Missbrauchs-Enthüllungen auch sind: Der Grund, warum ich im Februar schließlich aus der Kirche ausgetreten bin, ist ein anderer.
Früher war die Kirche sozialer Klebstoff
Für meine Großeltern war es noch selbstverständlich, wie all ihre Nachbarn und Bekannten sonntags in die Kirche zu gehen – ob sie an Gott glaubten, war zweitrangig. Auch ich besuchte in meiner Kindheit jede Woche den evangelischen Familiengottesdienst in einem Münchner Vorort: Wir Kinder spielten miteinander, die Erwachsenen pflegten Freundschaften.
Aber als Teenager hatte ich plötzlich spannendere Alternativen: Meine Freunde traf ich lieber im Kino als in einem verstaubten Gotteshaus: Die Kirche rückte aus meinem Leben.
Nach dem Tod meiner Mutter merkte ich, dass ich mit der Vorstellung eines allmächtigen Gottes nichts mehr anfangen kann und blieb trotzdem noch zwölf Jahre in der evangelischen Kirche: Es fiel mir schwer, die Verbindung zu einem Ort zu kappen, der für mich als Kind für Zusammenhalt und Gemeinschaft stand.
Die Gesellschaft hat die Kirche überlebt
Lange war die Kirche DER Ort, um sich auszutauschen. Heute ist das anders: Statt in der Kirche treffen sich die meisten von uns lieber in Cafés, Bars, Sportvereinen oder gar online. Wer spirituell ist, kniet häufig lieber auf der Yogamatte als auf der Kirchenbank.
Um relevant zu bleiben, müssen die Kirchen ihre Missbrauchsskandale aufarbeiten – und sich an die heutige Gesellschaft anpassen. Wenn sie es schaffen, attraktiver zu werden, kann der Mitgliederschwund vielleicht aufgehalten werden.
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