Nachgefragt beim Reiseexperten

Kann ich meinen Urlaub wegen extremer Hitze stornieren?

Am Strand liegen bei 45 Grad? Das ist vermutlich nicht der Sommerurlaub, den sich die meisten von uns vorstellen. In Südeuropa und Nordafrika sind diese Temperaturen aber gerade Realität, auf Rhodos in Griechenland toben Waldbrände. An Erholung denkt in einem solchen Fall wohl niemand. Also doch lieber stornieren – wenn das überhaupt geht? Rechtsanwalt und Reiseexperte Paul Degott erklärt, in welchen Fällen Sie Ihr Geld zurückbekommen.

40 bis 45 Grad in Südeuropa, bis zu 50 Grad in Nordafrika

Wer im Juli und August nach Südeuropa reist, freut sich auf warme Temperaturen. Mit der aktuellen Hitzewelle hat aber vermutlich keiner bei der Buchung des Sommerurlaubs gerechnet. Im Laufe der Woche könnten sogar regionale Rekorde gebrochen werden. Bis zu 45 Grad soll es in Italien, Spanien, Griechenland und der Türkei werden, in Nordafrika sogar bis zu 50 Grad!

Kann ich meinen Urlaub wegen Hitze stornieren?

Will ich meine Reise stornieren und mein Geld zurückbekommen, sei das immer ein Anspruch, den ich gegen den Reiseveranstalter richte, erklärt Rechtsanwalt Paul Degott im RTL-Interview. Dieser müsse immer dann Geld zurückzahlen, wenn er eine Leistung nicht erbracht habe, obwohl ich die bezahlt habe als Reisender.

Das gelte allerdings nicht für die aktuelle Hitzesituation, da dies die Umwelt betreffe. „Wenn ich als Reisender im Juli oder August nach Spanien reise, will ich gerade in die Sonne fliegen und wenn die Sonne jetzt zu heiß ist, ist das nichts, was man dem Reiseveranstalter vorwerfen könnte“, erklärt Degott.

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Trotzdem müsse man sich immer den Einzelfall anschauen: Wurde mir beispielsweise ein vollklimatisiertes Hotel versprochen und die Klimaanlage sei ausgefallen, ergebe sich wiederum ein Gewährleistungsanspruch bzw. ein Minderungsanspruch, so der Rechtanwalt weiter. Dass die Sonne scheine, sei aber kein Grund.

Anders sehe es aus, wenn es zu Waldbränden aufgrund der Hitze komme.

Kann ich meinen Urlaub bei Waldbränden abbrechen?

Auch wenn es wegen der Hitze zu Waldbränden komme, wie aktuell auf Rhodos in Griechenland, gehe es bei der Frage um eine Rückzahlung des Reisepreises immer noch um den Leistungsbereich des Vertrages. „Solange im Hintergrund die Wälder brennen, ist das zwar bedauerlich für die Leute, die es betrifft, aber zunächst mal ohne Auswirkungen auf den Reisevertrag, der an der Küste ‘abgearbeitet’ wird“, erklärt Degott.

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Das Ganze drehe sich allerdings, wenn der Waldbrand fortschreite, immer näher ans Urlaubsgebiet komme und dann der Aufenthalt vor Ort beeinträchtigt sei, so der Rechtsanwalt. Das könne beispielsweise durch dicken Qualm oder Rauch mit Asche in der Luft sein.

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Sei der Urlaub dann nicht mehr so, wie es mal vertraglich vereinbart war, könne man Degott zufolge durchaus sagen, dass der Aufenthalt nicht mehr zumutbar sei, die Reise erheblich beeinträchtigt und man diese abbrechen wolle. Solche Fälle habe es durchaus schon gegeben, beispielsweise in Form von Evakuierungen. Richtwert sei hier immer der Soll-ist-Vergleich, erklärt der Rechtsanwalt: Was sollte eigentlich sein, wie ist es tatsächlich gewesen? Die Differenz ergebe dann die Minderung.

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Wie sieht es aus, wenn der Notstand ausgerufen wurde?

Werde der Notstand ausgerufen, sei das eine behördliche Anordnung, sagt Degott. Die Behörden machen dann Vorgaben, wie man sich zu verhalten habe, beispielsweise dürfe dann das Haus oder das Hotel nicht verlassen werden oder Strände würden gesperrt.

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„Da sind wir in einer Situation der außerordentlichen Umstände, die dazu führen, dass die Reise an dieser Stelle zu Ende ist“, erklärt der Rechtsanwalt. „Man ist nicht dahingefahren, um die Suppe im Hotel zu essen, sondern letzten Endes, um sich draußen zu bewegen, am Strand zu sein und vergnügt Urlaub zu haben. Das geht in einer Notstand-Situation mit Sicherheit nicht mehr.“

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Die Ergebnisse dieser Umfrage sind nicht repräsentativ.

Bekomme ich mein Geld zurück, wenn ich VOR Reiseantritt storniere?

„Wenn sich jemand entscheiden sollte wegen der Hitzesituation am Urlaubsort die Reise gar nicht anzutreten, dann wird der Reiseveranstalter sofort mit einer Storno-Rechnung kommen“, erklärt Degott.

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Selbst wenn man eine Reiserücktrittsversicherung habe, käme die nur zum Tragen, wenn eine plötzliche schwere Erkrankung aufgetreten sei. „Allein dass es heiß ist, ist kein Versicherungsfall“, so der Reiserechts-Experte. Habe man aber eine Vorerkrankung, die sich bisher nicht dramatisch ausgewirkt habe und plötzlich gerate man in grobe Gesundheitsgefahren, sei das durchaus eine Möglichkeit, um die Reiserücktrittsversicherung in Anspruch zu nehmen. Allerdings müsse sich die gesundheitliche Gefahr über ärztliche Atteste belegen lassen, so Degott weiter.

Mit welchen Kosten muss ich rechnen, wenn ich vor Reiseantritt storniere?

Ein Beispiel:

„Wenn ich jetzt mit meiner Familie vor der Urlaubsreise nach La Palma (wo ein großer Waldbrand ausgebrochen ist) stehe und ich feststelle, dass mein Urlaubsort in diesem Bereich liegt, dann kann ich den Rücktritt vom Reisevertrag wegen außerordentlicher Umstände erklären, die es mir unmöglich machen, meine Tage am Urlaubsort zu verbringen“, erklärt Degott.

Jetzt gebe es zwei Möglichkeiten, wie der Reiseveranstalter reagieren könnte:

  1. Akzeptiere der Reiseveranstalter dieses Argument, müsse er den Reisepreis innerhalb weniger Tage zurückzahlen. Wie kulant sich Reiseveranstalter zeigen, sei dem Rechtsanwalt zufolge aber höchst unterschiedlich.

  2. Sage der Reiseveranstalter hingegen, es brenne an einem ganz anderen Ende der Insel und der Aufenthalt sei nicht beeinträchtigt, müsse man mit einer Storno-Rechnung rechnen. „Die ist nach den AGB-Regeln der Veranstalter gestaffelt, je nach dem wie viel Zeit zwischen Rücktrittserklärung und Reiseantritt war“, so der Reiserechts-Experte weiter. Die Staffellung fange meistens bei 25 Prozent an und höre bei 90 auf. „Das ist das Risiko, was man zu tragen hat und möglicherweise auch ausstreiten sollte, denn diese Storno-Pauschalen sind nicht gottgegeben, sondern die hat sich der Reiseveranstalter ausgedacht.“ Dass eine Storno-Pauschale zu einem gewissen Prozentsatz angemessen sei, müsse der Veranstalter dann gegebenenfalls nachweisen.

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Klimaanlage, Restaurants, Pool: Welche Ansprüche habe ich vor Ort als Urlauber?

Funktioniert etwas nicht wie erhofft, ist man im Urlaub vermutlich etwas nachsichtiger. Grundsätzlich gelte aber: „Ich habe immer Anspruch auf das, was ich gebucht habe“, weiß Degott. „Der Reiseveranstalter hat mir den Aufenthalt in schönen Bildern und warmen Worten schmackhaft gemacht. Wie toll das Hotel ist, wie viele Restaurants es gibt, was das für tolle Pools sind, ob es eine Klimaanlage gibt und all diese Dinge. Dafür zahle ich dann auch mein Geld und diese Leistung kann ich eben auch erwarten.“

Funktionieren Einrichtungen im Hotel nicht, seien Pools gesperrt oder die Klimaanlage falle aus, dann führe das alles zu einem Minderungsanspruch, also einem Anspruch auf Rückzahlung vom Reisepreis für diese Mängel. „Und wenn es ganz dramatisch ist bis hin zum Reiseabbruch und der Rückreise.“

Nur, wie mache ich diesen Anspruch geltend?

Wie kann ich Leistungsminderung geltend machen?

Einen Minderungsanspruch können Urlauber vor Ort geltend machen, sagt Degott, allerdings müsse man die Mängel aktiv melden. Sei der Pool gesperrt oder die Klimaanlage defekt, erwarte der Gesetzgeber, dass man sofort Kontakt zum Reiseveranstalter aufnehme und diesen auf die Mangelsituation aufmerksam mache. Dann habe der Reiseveranstalter die Möglichkeit einzugreifen. „Das ist Voraussetzung. Wenn man diese Meldung nicht macht, hat man keinerlei Ansprüche“, so der Rechtsanwalt.

Wer hilft, wenn etwas hitzebedingt im Urlaub passiert?

Übrigens, selbst wenn Sie den Urlaub hitzebedingt abbrechen müssen, sind Sie nicht allein: „Verantwortlich zur Unterstützung ist der Vertragspartner, also der Reiseveranstalter“, weiß Degott. Dieser habe nach dem Gesetz sogar, wenn alles schon gescheitert ist, eine nachfolgende Fürsorgepflicht.

So müsse der Reiseveranstalter Urlauber auch weiterhin betreuen, wenn diese nicht sofort zurückfliegen können nach einer Reiseabbruchserklärung und diese weiter für drei Tage auf seine Kosten unterbringen. Zudem müsse er Kontakte herstellen zu Behörden, Krankenhäusern und Ähnliches, erklärt der Reiserechts-Experte weiter. „Sie sind da nicht hilflos, sondern Sie haben jemanden vor Ort, der betreuen muss.“