Die Musik zum Pride Month

17 wichtige Coming-out- und LGBTIQ+ Songs

Mr. Banks steht auf der Bühne mit einer Regenbogenflagge um die Schultern gewickelt.
Die Sängerin Ms. Banks trägt auf der Bühne die Pride-Regenbogenflagge
picture alliance

von Antonia Galád und Timo Weber

Für viele Menschen ist es nicht einfach, sich so zu akzeptieren, wie sie sind. Deswegen ist es umso wichtiger, dass sie ein Ventil haben, um ihre Gefühle zeigen zu können. Das kann zum Beispiel Musik sein. Gerade beim Coming-out hilft es vielen Menschen zu wissen, dass sie mit ihrer Geschichte nicht allein sind. So können sie ihre Emotionen besser verarbeiten. Über die letzten Jahrzehnte hat sich in der Musik eine Menge getan – in puncto Selbstverständnis, aber auch in der Weise, wie über die verschiedenen Formen von Liebe und sexueller Identität gesungen oder gerappt wird. Im Folgenden haben wir eine Auswahl der wichtigsten Coming-out- und LGBTIQ+ Songs der letzten Jahrzehnte zusammengetragen.

Bronski Beat - „Smalltown Boy“

Bronski Beat mit Jimmy Sommerville
Die britische Band Bronski Beat, bestehend aus Steve Bronski (†), Larry Steinbachek (†) und Jimmy Somerville posieren ca. 1990 vor einem Plakat in Köln.
Horst Galuschka, picture alliance

Schon in den frühen 80er Jahren lenkte die britische Band Bronski Beat mit dem Song „Smalltown Boy“ die Aufmerksamkeit auf sich. In dem Lied geht es um einen „Kleinstadtjungen“, der unter dem homophoben Einfluss seiner Mitmenschen leidet und seiner Heimatstadt den Rücken kehren will. „Pushed around and kicked around / Always a lonely boy” (dt.: Herumgeschubst und getreten / Immer ein einsamer Junge) ist nur eine von vielen Zeilen, die verdeutlicht, wie der Alltag von Homosexuellen in Kleinstädten aussah und leider auch heutzutage noch aussieht. Um seine Sexualität ausleben zu können, zieht der „Smalltown Boy“ in die Großstadt.

Alle Mitglieder der Band, Jimmy Somerville, Larry Steinbachek († 2016) und Steve Bronski († 2021), sind oder waren offen schwul und verarbeiteten in den Liedern einen Teil ihrer eigenen persönlichen Geschichte. Damit wurden sie früh zu Vorreitern und zu öffentlichen Vertretern der LQBTIQ+ Community.

Lady Gaga – „Born This Way“

Lady Gaga mit Sonnenbrille und buntem Sonnenschirm
Lady Gaga bei einem Auftritt in Stonewall in Greenwich Village, New York im Jahr 2019.
www.imago-images.de, imago images/MediaPunch, RW/MediaPunch, via www.imago-images.de

Lady Gaga engagiert sich seit vielen Jahren als Aktivistin für die LGBTIQ+-Community, weswegen es nur eine Frage der Zeit war, dass sie dieses Thema auch in ihren Songs verarbeitet. In den Zeilen „I'm beautiful in my way, 'cause God makes no mistakes“, beschreibt sie, dass Gott keine Fehler macht und jeder Mensch auf seine eigene Art schön ist. „I'm on the right track, baby, I was born this way” (dt.: Ich bin schön auf meine Art, weil Gott keine Fehler macht. Ich bin auf dem richtigen Weg, Baby, ich wurde so geboren), fährt sie fort.

Eine wichtige Botschaft steckt auch in den Zeilen „No matter gay, straight, or bi', lesbian, transgender life. I'm on the right track, baby, I was born to survive” (dt.: Egal schwules, heterosexuelles oder bi', lesbisches, transsexuelles Leben. Ich bin auf dem richtigen Weg, Baby, ich wurde geboren, um zu überleben). Für Lady Gaga ist jedes menschliche Leben gleich lebenswert. „No matter Black, white or beige, chola, or Orient' made” (dt.: Egal ob schwarz, weiß oder beige) beinhaltet ebenfalls eine wichtige, aber keine selbstverständliche Botschaft in der heutigen Zeit. Es ist egal, welche Hautfarbe du hast, alle sind gleich viel wert. Zum 10-jährigen Jubiläum gab es eine Neuauflage von „Born This Way“ mit vielen Größen aus der Musikwelt, die ebenfalls in der LGBTIQ+ Community aktiv sind.

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Diana Ross – „I’m Coming Out“

Sängerin Diana Ross ist beim Konzert zu Ehren des 70. Thronjubiläums von Queen Elizabeth mit dabei.
Sängerin Diana Ross beim Konzert zu Ehren des 70. Thronjubiläums von Queen Elizabeth.
deutsche presse agentur

Der Song der US-amerikanischen Soul-Sängerin Diana Ross aus dem Jahr 1980 gilt als eine der größten und bedeutendsten Hymnen der LGBTIQ+ Community überhaupt. Die Songwriter Nile Rodgers und Bernard Edwards – selbst Weltstars in der Disco-Band Chic – hatten die Idee für den Text, nachdem ihnen in einer Bar mehrere als Diana Ross verkleidete Drag Queens begegneten. Rodgers bestätigte Jahre später, dass die beiden Chic-Musiker den Song bewusst für die queere Community geschrieben hatten und mit dem Lied ein Statement zur Selbstermächtigung setzen wollten.

Als Diana Ross selbst jedoch von der Bedeutung der Phrase „coming out“ erfuhr, reagierte sie zunächst geschockt, da das Lied für die Soul-Diva eine andere Bedeutung hatte und sie sich Sorgen um ihre Karriere machte. Doch es kam anders als befürchtet. Der funkige Disco-Song stieg hoch in den US-Charts ein und Diana Ross spielte den Song seither als Opener bei ihren Konzertshows.

Sylvester – „You Make Me Feel (Mighty Real)“

CIRCA 1978: Disco singer Sylvester aka Sylvester James poses for a portrait in circa 1978. (Photo by Michael Ochs Archives/Getty Images)
Discosänger Sylvester (†) Ende der 70er Jahre
Michael Ochs, Getty Images

Der Disco-Hit aus dem Jahr 1978 ist das Ergebnis der Zusammenarbeit der queeren Underground-Stars Sylvester und Patrick Cowley. Der Gospel-geschulte Sänger Sylvester mit der beeindruckenden Falsettstimme war als androgyne „Queen of Disco“ in den später 70ern eine außergewöhnliche Erscheinung, denn damals gab es im Pop-Business noch kaum offen schwule oder lesbische Künstler. „You Make Me Feel (Mighty Real)“ wurde zunächst als Mid-Tempo-Piano-Ballade aufgenommen, bis der Disco- und hi-NRG-Produzent Patrick Cowley einen Remix des Songs anfertigte. Das Resultat lässt sich als bahnbrechend beschreiben – in mehrerlei Hinsicht.

Die elektronische Instrumentierung von Patrick Cowley hatte einen großen Einfluss auf die Dance Music der 80er und 90er Jahre. Doch vor allem zelebriert der Song das positive Gefühl der Selbstermächtigung eines Coming-outs, wenn man sich endlich so geben kann, wie man ist und sich nicht mehr zu verstellen braucht. Der Song erreichte in Großbritannien und den USA sogar die Top 40 der Single-Charts, doch die Geschichte der beiden Ausnahmekünstler endete leider tragisch. Beide erlagen in den 80er Jahren ihren AIDS-Erkrankungen.

Lil Nas X - „Montero (Call Me By Your Name)“

Lil Nas X performs a medley at the 64th Annual Grammy Awards on Sunday, April 3, 2022, in Las Vegas. (AP Photo/Chris Pizzello)
Lil Nas X bei einem Auftritt bei der 64. Grammy Awards-Show im April 2022 in Las Vegas.
Chris Pizzello, picture alliance, Invision/AP

Das muss man sich erst einmal vorstellen: Ein schwarzer, schwuler Rapper macht Country-Musik. In den USA bedeutet das für Country-Fans die größte denkbare Provokation. Denn der in den Vereinigten Staaten so populäre Musikstil richtet sich eher an echte (weiße) Kerle und bibelfeste Patrioten. Doch mit dem Country-Rap-Song „Old Town Road“ mischte der Newcomer Montero Lamar Hill alias Lil Nas X 2019 die US-Charts auf und sorgte in der Country-Gemeinde für hitzige Diskussionen, was denn nun noch Country ist.

Mit „Montero (Call My Be Your Name)“ legte Lil Nas X kurz darauf noch eine Schippe drauf. In dem Lied singt und rappt er mit expliziten Worten über seine Homosexualität und zeigt auch im sexuell aufgeladenen Musikvideo, dass ihm gar nichts heilig ist, als er darin dem Teufel höchstselbst einen heißen Lap Dance gibt. Bibeltreue Christen und Konservative tobten gleichermaßen, doch Lil Nas X räumte mit seinem an den Film „Call Me By Your Name“ angelehnten Titel bei den Grammys ab – darunter in den Kategorien Song des Jahres und Bestes Musikvideo. Und so wurde ein neuer Superstar geboren, der der Queer-Community eine laute Stimme gibt, die trotz lauter Proteste nicht mehr klein zu kriegen ist.

Sarah Connor – „Vincent“

Sängerin Sarah Connor bei einem Konzert
Sarah Connor
dbo kde sab, dpa, Daniel Bockwoldt

Für viele junge Menschen ist es kein einfacher Weg, die eigene Orientierung und Identität zu finden. So beschreibt es auch Sarah Connor in ihrem 2019 erschienenen Song „Vincent“. Dieser handelt von einem Jungen im Teenager-Alter, der sich als schwul outet, das erste Mal die große Liebe empfindet, sich an seine Mutter wendet und von ihr Zuspruch erhält. Die Mutter sagt in dem Lied „Was du jetzt fühlst, fühl'n manche nie. Es ist nur Liebe, dafür gibt's keine Medizin“. Solch eine Reaktion ist zeitgemäß, aber durchaus keine Selbstverständlichkeit, sodass die Nachricht von Sarah Connors Song durchaus Modellcharaketer für ihre Hörerinnen und Hörer haben kann. Die Inspiration für den Song bekam die vierfache Mutter Sarah Connor von einer Freundin, deren Sohn im Teenageralter sein Coming-out hatte. Daraufhin widmete die Künstlerin ihm diesen Song.

Viele Radiosender haben den Song wegen des Satzes „Vincent kriegt kein'n hoch, wenn er an Mädchen denkt“ gar nicht oder nur zensiert gespielt. Andere hingegen haben ihn aber auch in voller Länge gespielt und somit ein Statement für die LGBTIQ+ Community gesetzt.

Troye Sivan - „Angel Baby”

Troye Sivan, winner of the emerging artist award, performs “Youth” at the Billboard Music Awards at the T-Mobile Arena on Sunday, May 22, 2016, in Las Vegas. (Photo by Chris Pizzello/Invision/AP)
Troye Sivan bei seinem Auftritt bei den Billboard Music Awards 2016 in Las Vegas.
Chris Pizzello, picture alliance, picture alliance/AP/Invision

Mit 18 Jahren hatte Troye Sivan sein Coming-Out, welches er über ein Video auf seinem YouTube-Kanal veröffentlichte und die Fans um Toleranz und Verständnis bat. Der australische Sänger, YouTuber und Schauspieler, ist ein Vorbild für viele Menschen aus der LGBTIQ+ Szene und engagiert sich seit vielen Jahren für die Community. In dem 2021 veröffentlichten Song „Angel Baby“ geht es darum, dass sein Leben früher die Hölle für ihn war, er es aber jetzt endlich feiern kann. Durch sein „Angel Baby“ hat er wieder neuen Lebensmut gefunden. Die Zeilen „I'll tell you how I almost died. While you're bringing me back to life” (dt.: Ich erzähle dir, wie ich fast gestorben wäre. Während du mich wieder zum Leben erweckst) unterstreichen dies deutlich.

Doch seine Liebe und sein neues Leben scheinen ihm ein zerbrechlich: „I just wanna live in this moment forever. 'Cause I'm afraid that living couldn't get any better” (dt.: Ich möchte einfach für immer in diesem Moment leben. Weil ich Angst habe, dass das Leben nicht besser werden könnte).

Queen –„I Want To Break Free”

Freddie Mercury in einer typischen Pose auf der Bühne bei einem seiner Konzerte
Freddie Mercury (†) bei einem seiner Konzerte
picture alliance

Dieser Song wurde 1983 vom Bassisten der Band Queen, John Deacon geschrieben und ein Jahr später veröffentlicht. Der Titel „I Want To Break Free” (dt.: Ich will mich befreien) ist offengehalten, sodass Spielraum für Interpretation bleibt. Guckt man genauer auf die Geschichte von Freddie Mercury, könnte der „Breaking Free“-Schrei ein Hinweis auf die Unterdrückung der LGBTIQ+ Community in der damaligen Zeit sein. Homosexuelle wurden gezwungen, ihre wahre Identität vor Familie, Freunden und Gesellschaft zu verheimlichen.

Das dazugehörige Video gibt Spielraum für eine andere Interpretation des Songs. Es zeigt Freddie Mercury als Frau verkleidet im Haushalt arbeitend. Somit könnte das Lied auch als Hymne der Freiheit für Frauen angesehen werden, da es in den 70er Jahren stark definierte Geschlechterrollen gab und Frauen oft nur im Haushalt tätig waren. Eine andere Interpretation von „I Want To Break Free“ ist die Idee, dass du sein kannst, wer du willst. Das man nicht in den Fesseln gesellschaftlicher Normen und Zwänge leben muss.

Scissor Sisters - „Take Your Mama”

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Scissor Sisters

Die New Yorker Indie-Band Scissor Sisters war in den 2000er Jahren eine wahre Sensation mit ihrer eklektischen Mischung aus Pop, Dance und Glam Rock. Die Band verarbeitete auf ihren Alben queere Themen in einer Offenheit, die Jahre zuvor noch undenkbar war. Und sie waren extrem erfolgreich damit, unter anderem mit ihrem Hit „I Don’t Feel Like Dancin’“. Es folgten Kollaborationen mit Stars wie Elton John und Kylie Minogue.

In dem Song „Take Your Mama“ verarbeiten die Scissor Sisters auf humorvolle Weise eine Coming-out-Situation vor der Familie. Darin schlagen sie unter anderem vor, die eigene Mutter auszuführen und mit Champagner etwas abzufüllen, bevor man sich vor ihr offenbart. Bono von U2 adelte die Scissor Sisters im Jahr 2004 zur „besten Pop-Band auf dem Planeten“. In den Schwulenbars dieser Welt laufen die Songs der Scissor Sisters auch heute noch auf Dauerrotation.

Hayley Kiyoko – „Girls Like Girls”

Hayley Kiyoko beim LA Filmfestival in einem schwarzen Kleid
Hayley Kiyoko beim LA Filmfestival
BANG Showbiz

In den vergangenen Jahren hat sich viel Positives in der LGBTIQ+ Community getan. Dennoch ist es keine Selbstverständlichkeit, dass überall Queerness akzeptiert wird. Hayley Kyioko beschreibt in ihrem 2015 erschienenen Song, mit den Worten „Girls like girls, like boys do, nothing new“ (dt.: Mädchen mögen Mädchen, wie Jungen es tun, nichts Neues), dass es nichts Neues ist, wenn Frauen eine andere Frau lieben, so wie Männer es eben tun.

Das Video zu „Girls like Girls“ zeigt zwei Freundinnen, von denen die eine in einer unglücklichen, heterosexuellen Beziehung ist. Schnell merken die beiden Frauen, dass es zwischen ihnen beiden mehr als Freundschaft ist und verlieben sich ineinander. Der eifersüchtige Freund wird handgreiflich und verletzt eine der beiden Frauen. Die andere setzt sich zur Wehr und befreit beide aus der schrecklichen Situation. Am Ende können beide Frauen die Liebe zueinander ausleben und in vollen Zügen genießen. Mit dem Song und dem Video setzt die Songwriterin, welche vor einiger Zeit ihr lesbisches Coming-out hatte, ein Zeichen gegen die traditionellen Beziehungsbilder und macht jungen Menschen Mut, so zu lieben, wie sie wollen.

Madonna - „Vogue“

Madonna "Vogue"
"Vogue" ist einer von Madonnas größten Hits.
dpa

Eine der erfolgreichsten Hit-Singles von Madonna machte die Pop-Queen zugleich auch zur Ikone der Gay Community. Auf dem Höhepunkt der AIDS-Krise erschien 1990 der Song „Vogue“, ein housiger Dance-Song, den Madonna zusammen mit dem DJ Shep Pettibone geschrieben und produziert hat. Inspiriert von den beiden Tänzern Luis & Jose Gutierez Xtravaganza stellte der Popstar explizit einen Bezug zum Voguing hereinem ausdrucksstarken Tanzstil aus der New Yorker Ballroom-Szene Ballroom ist eine homosexuelle Subkultur aus dem Latino- und Afroamerikanischen Umfeld im Stadtteil Harlem, in der sich Drag Queens, schwule Männer und Trans*-Personen sammelten.

Das Musikvideo zu „Vogue“, gedreht von Hollywood-Regisseur David Fincher, zeigt in adretter Schwarz-Weiß-Ästhetik mehrere Voguing-Performer beim Tanzen und machte den Tanzstil so im Mainstream populär. Textlich klingt das so: „It makes no difference if you're black or white / If you're a boy or a girl / If the music's pumping / it will give you new life / You're a superstar / Yes, that's what you are, you know it!“ (dt.: Es macht keinen Unterschied, ob du Schwarz oder weiß bist / Ob du ein Junge oder ein Mädchen bist / Wenn die Musik pumpt / gibt sie dir ein neues Leben / Du bist ein Superstar / Ja, das ist, was du bist, du weißt es!). So feiert Madonna die Selbstermächtigung auf dem Dancefloor und setzte damit ein wichtiges Statement für die LQTBIQ+ Community. Nicht ihr einziges in ihrer Karriere.

Erasure - „A Little Respect“

epa02872120 Singer of the English duo Erasure, Andy Bell and Vince Clarke (R) perform during their concert at the Monumental stadium in Lima, Peru, 18 August 2011. The concert is part of the Total Pop Tour. EPA/PAUL VALLEJOS
Andy Bell and Vince Clarke von der Pop-Band Erasure bei einem Auftritt im Jahr 2011.
Paul Vallejos, picture alliance, dpa

Das englische Synth-Pop-Duo Erasure hatte 1988 mit „A Little Respect“ einen Megahit. Insbesondere in den englischsprachigen Ländern Großbritannien, USA und selbst im erzkatholischen Irland erreichte der Song hohe Chartspositionen, obwohl die Zeiten damals nicht eben gerade schwulenfreundlich waren, im Gegenteil. Doch obwohl Vince Clark und Andy Bell ihr Schwulsein durchaus offen zur Schau stellten und der Text von „A Little Respect“ von der verlorenen Liebe eines Mannes zu einem Mann handelt, blieben Erasure noch gerade genug im Vagen, dass sich sehr viele Musikhörer auf der Welt auf den Song einigen konnten. Das schreckliche Gefühl, unglücklich verliebt zu sein oder verlassen zu werden, das kennt schließlich jeder. Das ist universell.

Doch in den liebeskranken Worten des Ichs im Song finden sich auch deutlich gesellschaftskritische Töne: „I'm so in love with you / I'll be forever blue / What religion or reason / could drive a man to forsake his lover?“ (dt.: Ich bin so verliebt in dich / Ich werde für immer traurig sein / Welche Religion oder welch anderer Grund / bringt einen Mann dazu seinen Geliebten zu verlassen?)

In Zeiten, in denen auch noch in vielen westlichen Ländern Gesetze und Religionen das freie Ausleben der eigenen Sexualität verhinderten, konnte die Liebe zweier Männer also auch aus politischen Gründen oder gesellschaftlichen Zwängen zerbrechen und nicht einfach nur, weil die Liebe erloschen war.

Franky Goes To Hollywood - „Relax!“

Portrait der Band Franky goes to Hollywood aus dem Jahr 1984. Eines der Bandmitglieder trägt einen Raubvogel auf dem Arm, währenddessen die anderen Bandmitglieder in verrückten Outfits die Kamera schauen
Offizielles Bandfoto von Franky goes to Hollywood aus dem Jahr 1984
picture alliance

Die britische Band Franky Goes To Hollywood war von 1983 bis 1987 in den internationalen Charts erfolgreich. Der ausgefallene Name entstand durch ein Zeitungsausschnitt, der an der Wand des Probenraums hing mit der Headline „Frankie goes Hollywood“. Gemeint war Frank Sinatra. Die Band liebte es zu provozieren, wie auch mit einem ihrer bekanntesten Lieder – „Relax!“ In diesem geht es um nichts Geringeres als die schönste Nebensache der Welt. „When you wanna come (come). I'm coming. I'm coming (yeah, yeah, yeah, yeah)” (dt.: Wenn du kommen willst (komm). Ich komme. Ich komme (ja, ja, ja, ja)).

Untermalt wurde dies durch ein für die damalige Zeit anzügliches Plattencover und das dazugehörige Musikvideo, in dem Nachtclub-Szenen, Motive aus dem Sado-Maso- und Homosexuellen Bereich gezeigt werden. In den frühen 80er Jahren führte dies dazu, dass der Song kontrovers diskutiert wurde und viele Musik- sowie Radiosender sich weigerten, diesen zu spielen. Die Band erreichte mit der Herausgabe des Songs genau die Aufmerksamkeit, der Öffentlichkeit, die sie wollten. Als allgemeine Botschaft haben sie hinterlassen, dass die Menschen mit dem Thema entspannter umgehen sollen.

George Michael – „Freedom”

George Michael im Jahr 1986 mit einer Lederjacke und Sonnenbrille
George Michael (†) im Jahr 1986
picture alliance

Den britischen Musiker George Michael bringen viele Menschen mit dem Weihnachtssong „Last Christmas” und dem erfolgreichen Duo Wham! in Verbindung. Doch auch als Solokünstler war er sehr erfolgreich und brachte 1987 sein erstes Album auf den Markt. George Michael war schon in den frühen 80er Jahren bewusst, dass er zumindest bisexuell sei – von einem Coming-out wurde ihm damals jedoch abgeraten. Anfang der 90er Jahre lernte er seinen Lebenspartner Anselmo Feleppa kennen und ab dem Zeitpunkt war ihm klar: „Es geht nicht darum, ob du mit einem Mann oder einer Frau ins Bett gehst, sondern in wen du dich verliebst“.

„Freedom (I won’t let you down). Freedom (So please don’t give me up). Freedom (‘Cause I would really). You’ve got to give what you take (really love to stick around)“ (dt. : Freiheit (ich werde dich nicht enttäuschen). Freiheit (Also bitte gib mich nicht auf). Freiheit (weil ich es wirklich tun würde). Du musst geben, was du nimmst (liebst es wirklich, hier zu bleiben). Mit dem Song „Freedom“ (dt.: Freiheit) befreite er sich von dem gesellschaftlich, eng geschnürtem Korsett und seine wahre Identität musste er nicht mehr verzerren.

Katy Perry – „I Kissed A Girl”

Katy Perry bei einer ihrer Bühnenshows in einer überdimensionalen Muschel am performen.
Katy Perry bei einer ihrer Bühnenshows in einer überdimensionalen Muschel am performen.
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Die US-amerikanische Popsängerin wurde durch ein Bild von Scarlett Johansson zu ihrem Song „I Kissed a Girl“ (dt.: Ich küsste eine Frau) inspiriert. In ihrem 2008 veröffentlichten Lied beschreibt die Sängerin, dass es ihr gut gefallen hat, eine Frau zu küssen, was erst mal ein positives Statement für die LGBTIQ+ - Community ist. Der Umgang mit der Bisexualität wurde im Jahr 2008 noch nicht so offen gelebt, wie wir es heute tun, weswegen der Song als Statement galt.

Allerdings wurde das Lied angesichts vieler stereotypischer Sätze wie „No, I don't even know your name. It doesn't matter. You're my experimental game. It's not what good girls do” (dt.: Nein, ich kenne nicht mal deinen Namen. Es spielt keine Rolle. Du bist mein experimentelles Spiel. Es ist nicht das, was gute Mädchen tun.), auch damals schon enorm kritisiert. Der Song würde die weibliche Homosexualität auf die Experimentierfreudigkeit heterosexueller Mädchen und die Fantasien heterosexueller Männer reduzieren. Die nach eigenen Aussagen heterosexuelle Sängerin würde den Song heutzutage anders schreiben und sich von Teilen komplett distanzieren, denn es hat sich in den vergangenen Jahren viel in der Community entwickelt.

Christina Aguilera – „Beautiful”

Christina Aguilera bei einem Konzert 2007 mit Mikrofon und Hut in der Hand
Christina Aguilera bei einem Konzert 2007
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In dem 2008 erschienenen Song “Beautiful” geht es um das brandaktuelle Thema „Body-Positivity“. Dabei wird nicht nur die äußere Schönheit angesprochen, sondern auch die Innere. „You are beautiful no matter what they say / Words can't bring you down, oh no / You are beautiful in every single way”. (dt.: Du bist schön, egal was sie sagen / Worte können dich nicht runterziehen, oh nein / Du bist in jeder Hinsicht schön). Mit diesen Zeilen spricht Christina Aguilera vielen Menschen aus der Seele, die sich in ihrem Körper oder mit ihren Gedanken nicht wohlfühlen.

Die LGBTIQ+ Community liegt ihr besonders am Herzen, da diese Menschen sie aus einer ihrer dunkelsten Zeiten befreiten. Sie macht sich stark für die „Ehe für alle“, klärt über Mythen rund um HIV auf, hat viele ihrer Lieder und Videos der Community gewidmet und einen visuellen Liebesbrief für ihre Fans als Antwort auf die Zunahme von Mobbing und Selbstmorden von Homosexuellen geschrieben.

Cher – „Believe”

Cher bei einem ihrer Konzerte mit roten Haaren und Glitzersteinen auf der Stirn
Cher bei einem ihrer Konzerte.
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Die US-amerikanische Sängerin Cher ist bereits seit 1965 im Musikgeschäft. Mitte bis Ende der 60er Jahre war sie der weibliche Part des Duos Sonny und Cher. In den 70er Jahren konnte sie einige musikalische Erfolge verzeichnen, bis sie in den 90er Jahren im Filmbusiness Fuß fasste. Den größten Erfolg feierte sie jedoch mit ihrem Song „Believe“ (glauben), welcher für seinen genialen Einsatz von Auto-Tune, auch als „Cher-Effekt“, bekannt ist. In dem Lied wiederholen sich die Zeilen „Do you believe in life after love?“ (dt.: glaubst du an ein Leben nach der Liebe). „I really don't think you're strong enough, no”. “'Cause I know that I am strong” (auf dt: Ich glaube wirklich nicht, dass du stark genug bist, nein. Denn ich weiß, dass ich stark bin).

Die Aussage von Cher, dass ein verlassener Mensch nicht der Einsame und Schwache sein muss, sondern der andere daran zerbrechen kann, macht vielen Menschen Mut, die gerade aus einer gescheiterten Beziehung kommen. In England war „Believe“ 1998 und in den USA 1999 die meistverkaufte Musikplatte des Jahres. Nicht nur durch den Auto-Tune-Einsatz, sondern auch durch ihre schrillen Outfits, die speziellen Tanzschritte und Bühnenshows wurde sie zur Schwulen-Ikone. Seit Jahrzehnten engagiert sie sich für die LGBTIQ+ Community und machte sich nicht nur in den USA, sondern rund um die Erde für die „Ehe für alle“ stark.