CSU-Landtagskandidatin wettert in Wahlarena gegen Bürgergeld-Erhöhung

„Die können doch zur Tafel gehen. Die sind doch tafelberechtigt"

PRODUKTION - 08.12.2022, Hamburg: Verschiedenen Fleischsorten, Wurstwaren, Vegetarisches und andere Kühlprodukte werden in einer Ausgabestelle des ASB für die Hamburger Tafel im Stadtteil Jenfeld verteilt. Großer Andrang stellt die Lebensmittel-Tafeln in Deutschland vor Probleme. Menschen in der Grundsicherung, Alleinerziehende, Rentner, Geflüchtete, Obdachlose - mehr als zwei Millionen Menschen werden den Angaben zufolge von den mehr als 960 Tafeln bundesweit unterstützt. Foto: Christian Charisius/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Eine Würzburger CSU-Landtagskandidatin bekommt ordentlich Gegenwind für ihre Aussage zur Tafel.
chc, dpa, Christian Charisius

"Die können doch zur Tafel gehen. Die sind doch tafelberechtigt." – Für diese Aussage bekommt eine Würzburger Landtagskandidatin ordentlich Gegenwind. Was genau dahintersteckt..

Wahlkampf-Arena in Bayern: "Sollen die Kinder nix essen? Dann wird es billiger"

Es ist Wahlkampf in Bayern und ein Diskussionsthema ist das Thema Soziale Gerechtigkeit. Eine CSU-Kandidatin für Würzburg argumentiert bei einer Diskussionsrunde gegen die Bürgergeld-Erhöhung. „Sollen die Kinder nix essen? Dann wird es billiger.“, fragt ein Zuhörer der Wahl-Arena der Mainpost.

Die Antwort der CSU-Kandidatin Andrea Behr: "Die können doch zur Tafel gehen. Die sind doch tafelberechtigt."

Im Saal rumort es, der Fragesteller reagiert mit einem entsetzten „Du lieber Gott.“

Im Netz erntet Behr Kritik für die Aussage - Tafel: "Unverschämt"

Der freie Journalist Leon Enrique Montero postet diese Aussage auf der Plattform X (ehemals Twitter), Behr erntet dort scharfe Kritik für diesen Satz, auch die Tafel Deutschland e.V. äußert sich bei X und schreibt dort: „Unverschämt. Ehrenamtliche Angebote, für vorübergehende Notsituationen gedacht, ersetzen nicht den Staat. Dass sich die Not bei so vielen Menschen verfestigt hat, ist auch Folge der Politik von @cducsubt. Statt etwas zu ändern, wird widerlich abfällig über Betroffene gesprochen.“

Behr fordert: Wer Steuern zahlt, soll auch noch gut leben können

Dem Satz vorangegangen war eine Diskussion, ob sich Arbeit für Menschen überhaupt lohnt oder ob Menschen, die Bürgergeld beziehen, unterm Strich mehr in der Tasche haben. Behr rechnet an einem Beispiel vor:

Eine fünfköpfige Familie, die Bürgergeld bezieht, würde derzeit 502 Euro pro Erwachsenen, für das Kind unter 10 Jahren 390 Euro, für die beiden Kinder, die 11 und 14 sind, 460 Euro bekommen. „Sie müssen eben keine Miete zahlen, sie müssen keine Heizkosten bezahlen, sie müssen keinen Fernseher, Waschmaschine und keinen Trockner bezahlen, keine Kita, und keinen Sportverein zahlen. Diese Familie hat 2.204 Euro netto übrig – ich weiß nicht, wer das hier im Raum hat“, so Behr.

Auf RTL-Anfrage sagt Behr: „Es geht nicht darum, dass arme Kinder zur Tafel gehen sollen, ich kenne die Tafel, ich schätze die Tafel, sie leistet einen wichtigen Beitrag.“ Ihr sei es bei der Aussage ausschließlich um den Missbrauch gegangen. Es sei ungerecht, dass arbeitende Familien nicht dieses Geld übrig haben und im Gegensatz zu Familien mit Bürgergeld nicht tafelberechtigt seien.

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Andrea Behr hatte zuvor bei der Podiumsdiskussion betont: „Für mich bedeutet soziale Gerechtigkeit, dass derjenige, der hier Steuern zahlt, um das Sozialsystem aufrechtzuhalten, nicht ausgepresst wird wie eine Zitrone, sondern, dass der auch noch gut leben kann.“

Und weiter sagte sie: „Soziale Gerechtigkeit heißt auch, dass jemand, der in eine prekäre Situation kommt, sei es, dass er gekündigt wurde, sei es dass er erkrankt ist, in irgendwelche Situationen kommt, die er nicht zu verschulden hat und nicht leichtfertig war, da muss der Sozialstaat ihn bedingungslos auffangen und da ist es gut so wie es ist.“ Ihre Position begründet Behr folgendermaßen: „Wir brauchen auch immer genügend Leute, die Steuern zahlen und dieses Sozialsystem zu befeuern, aber wenn immer weniger bereit sind, das Sozialsystem zu befeuern, wo wird es enden?“ Für diese Aussage bekommt sie dann in der Theaterhalle am Dom in Würzburg Applaus.

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Für Bayern-SPD-Sozialexpertin Doris Rauscher offenbart diese Aussage eine „unglaubliche Kälte gegenüber der Not bedürftiger Kinder und eine groteske Auffassung von Sozialstaat“. Sie sagt: „Kinder sind nicht schuld daran, wenn ihre Eltern kaum finanzielle Mittel haben. Jedes Kind hat das Recht auf faire Chancen – unabhängig vom Geldbeutel der Eltern. Es ist unsere Aufgabe als Politik, genau dafür zu sorgen.“

„Wer mich kennt, weiß, dass mein gesamtes ehrenamtliches Engagement in Richtung Kinderarmut geht, so Behr zu RTL. So helfe sie zum Beispiel in Ländern der Dritten Welt ehrenamtlich als Zahnärztin und sei auch – entgegen der CSU-Linie – uneingeschränkt für die Einführung der Kindergrundsicherung.

(eku)

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