Deutsch-Iraner sitzt in Irans Todesknast - seine Tochter Gazelle kämpft jeden Tag für ihn
Angst um ihren Vater: "Die wollen ihn an einem Kran aufhängen"
Er wurde entführt, wohl gefoltert und jetzt droht ihm der Tod.
Jamshid Sharmahd ist als Oppositioneller im Iran in großer Gefahr. Der deutsche Staatsbürger wurde von einem Revolutionsgericht zum Tode verurteilt. Wie seine Tochter Gazelle jeden Tag um ihn kämpft, sehen Sie im Video.
Schauprozess gegen ihren Vater wegen "Verdorbenheit auf Erden"

Jeden Morgen greift Gazelle Sharmahd voller Angst zu ihrem Handy. Als erstes checkt sie die Nachrichten, hofft und bangt, dass diese eine nicht dabei ist: Die Nachricht, dass man ihren Vater Jamshid getötet hat.
„Das ist die schlimmste Sekunde. Ich habe dann kein Gefühl für die Zeit, es fühlt sich wie eine Stunde an. Dann gehe ich die Nachrichten durch. Und dann ist erstmal alles okay“, erzählt Gazelle im Gespräch mit RTL. Sie gähnt. Oft. Seit drei Jahren hat sie nicht mehr richtig geschlafen.
So lange ist es her, dass das iranische Regime ihren Vater Jasmshid Sharmahd bei einer Dienstreise aus Dubai entführt hat. Es folgte ein Schauprozess gegen ihn und ein Urteil, dass internationale Kritik hervorgerufen hat: Wegen „Verdorbenheit auf Erden" ist er zum Tode verurteilt worden.
Seitdem fürchtet die Familie jeden Tag um Jasmshid Sharmahd. Gazelle wohnt mit Mann und Tochter seit fast 20 Jahren in den USA. Wenn bei ihr der Tag beginnt, ist er im Iran schon wieder vorbei.
"Haben die mehr als nur seine Zähne ausgeschlagen?"
Jamshid Sharmahd ist deutscher Staatsbürger. Er wurde im Iran geboren und wuchs in Norddeutschland auf. Der IT-Ingenieur ist Teil einer Exil-Oppositionsgruppe. Er erstellte eine Website, auf der Menschen im Iran ihre Meinung frei äußern konnten. Außerdem moderierte er eine Radioshow. Nach seiner Entführung hatte ein Revolutionsgericht den 68-Jährigen im Februar 2023 unter anderem für einen Terroranschlag verantwortlich gemacht. Ob das stimmt oder nicht: unmöglich zu überprüfen. Ein faires, rechtsstaatliches Verfahren gab es nicht. Die Menschenrechtsorganisation „Amnesty International“ nannte das Verfahren einen Schauprozess.
Gazelles Alltag hat sich seit der Entführung ihres Vaters komplett verändert. „Du kannst nichts mehr tun, ohne daran zu denken: Wie geht es meinem Vater? Wenn du trinkst, denkst du: Hat er jetzt was zu trinken? Wenn du isst, denkst du: Hat er jetzt etwas zu essen? Foltern die ihn? Kann er schlafen? Haben die mehr als nur seine Zähne ausgeschlagen?"
"Mein Vater hat mir beigebracht: Du kannst dich nicht von deiner Angst aufhalten lassen"
Früher war die junge Mutter Krankenschwester. Leben zu retten war ihr Beruf. Dafür habe sie jetzt nicht mehr die Kraft, erzählt sie. Nun kümmert sie sich ausschließlich darum, das Leben ihres Vaters zu retten. „Die wollen ihn an einem Kran aufhängen. Das sagen die ganz klar“, sagt Gazelle. Die Angst sei immer da. „Aber mein Vater hat mir immer beigebracht: Du kannst dich nicht von deiner Angst aufhalten lassen, das Richtige zu tun.“
Und deshalb ist Gazelle laut. Das Handy, das jederzeit Überbringer der Todesnachricht sein kann, ist ihre Waffe im Kampf um ihren Papa. Gazelle macht als Menschenrechts-Influencerin in den Sozialen Netzwerken auf die Situation ihres Vaters aufmerksam. Sie gibt Interviews und ist im Austausch mit Aktivisten auf der ganzen Welt.
"Die Person, die meinen Vater gefoltert hat, hat schöne Grüße an meine Tochter ausgerichtet"

So gerät sie selbst in den Fokus des Regimes. Gazelle hat eine zweijährige Tochter - und das weiß auch der Iran. "Die Person, die meinen Vater gefoltert hat, hat über das Telefon schöne Grüße an meine Tochter ausgerichtet. Wenn das keine Drohung ist. Die wollen uns Angst machen. Die wollen, dass ich nicht laut bin", erzählt sie. Im Garten hört man immer wieder die beiden großen Dobermänner bellen. „Unsere Wachhunde“, sagt sie lachend.
Gazelle wuchs, wie ihr Vater in Deutschland auf. Jetzt wo sie selbst Mutter ist, würde Gazelle ihren Vater gerne häufiger um Rat fragen. Seine Enkelin hat der Opa noch nie sehen können. „Sie weiß aber, wer er ist. Sie hat Fotos von ihm. Jeden Morgen begrüßen wir ihn. Und jeden Abend sagen wir gute Nacht“, lacht Gazelle.
Dann wird sie wieder ernst: "Er fehlt mir einfach. In jeder Sekunde. Du fragst dich: Warum kann er das nicht miterleben?" Und dafür kämpft sie. Dass ihr Vater seine Enkelin bald in die Arme nehmen kann.
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