Militärs geben sensible Details preis

Abhör-Panne bei der Bundeswehr - darum ist der Taurus-Leak so heikel!

von Jannis Peitsch

Warum der Taurus-Leak so brisant ist!

Während die Debatte um den Marschflugkörper Taurus in Deutschland anhält, veröffentlichen russische Kanäle einen Mitschnitt einer internen Schalte von Bundeswehroffizieren. In der Runde geben die Militärs sensible Informationen preis.
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Russische Propaganda-Kanäle verbreiten den Ton-Mitschnitt

ARCHIV - 13.09.2017, Südkorea, Vor der Westküste: HANDOUT - Auf diesem vom südkoreanischen Verteidigungsministerium zur Verfügung gestellten Foto fliegt ein Taurus-Marschflugkörper während einer Übung vor der Westküste des Landes. Eine russische Propagandistin hat eine Audiodatei eines Gesprächs deutscher Offiziere zum Waffensystem Taurus veröffentlicht. Bundeskanzler Olaf Scholz hat nach der russischen Veröffentlichung eines Mitschnitts von Beratungen deutscher Luftwaffen-Offiziere zum Ukraine-Krieg schnelle Aufklärung versprochen. (Zu dpa «Scholz verspricht Aufklärung zu veröffentlichtem Luftwaffen-Mitschnitt») Foto: Uncredited/south korea defense ministry/AP/dpa - ACHTUNG: Nur zur redaktionellen Verwendung und nur mit vollständiger Nennung des vorstehenden Credits +++ dpa-Bildfunk +++
So sieht ein Taurus-Marschflugkörper aus.
dpa, Uncredited

Mitten in die anhaltende Taurus-Debatte platzt ein Tonmitschnitt eines abgehörten Gesprächs zwischen vier hohen Offizieren der Bundeswehr. Russische Propaganda-Kanäle veröffentlichten am Freitagmittag die Aufzeichnung einer internen Schalte und warfen den deutschen Militärs vor, Angriffe auf russische Ziele auf der Krim zu planen. Dabei diskutierte die Gesprächsrunde lediglich über die Fähigkeiten des Marschflugkörpers Taurus sowie darüber, welche Herausforderungen mit einer Lieferung an die Ukraine verbunden wären. Brisant ist der Leak aber trotzdem.

Was ist der Grund für die interne Schalte?

Den russischen Angaben zufolge wurde das etwa 38 Minuten lange Gespräch am 19. Februar 2024 geführt. Als Teilnehmer werden Luftwaffen-Chef Ingo Gerhartz, Brigadegeneral Frank Gräfe und zwei weitere Offiziere genannt. Anlass ist offenbar die Vorbereitung eines Briefings der Bundesregierung.

Was ist der Kern der Diskussion?

Auf der geleakten Aufnahme ist zu hören, wie die Offiziere detailreich darüber sprechen, wie die Bundeswehr die Lieferung des Marschflugkörpers Taurus nach einer positiven Entscheidung von Bundeskanzler Olaf Scholz technisch unterstützen könnte. Besprochen werden Szenarien, die sich um die Ausbildung ukrainischer Piloten und die Programmierung des Waffensystems drehen.

Dabei werden auch Möglichkeiten ausgetauscht, wie die Ukraine den Taurus auch ohne konkrete Zieldatenübermittlung durch die Bundeswehr einsetzen könnte. Deutlich wird in dem Mitschnitt aber auch, dass es auf politischer Ebene bislang kein grünes Licht für eine Lieferung gibt.

Am Ende sprechen die Offiziere über mögliche Ziele, die die Ukrainer mit dem Taurus angreifen könnten. Dabei werden Munitionsdepots und die strategisch wichtige Krim-Brücke bei Kertsch genannt, welche Russland mit der besetzten Halbinsel verbindet und die für die Logistik des russischen Militärs eine wichtige Rolle spielt.

Lese-Tipp: Welche Konsequenzen hat der Abhör-Skandal?

Warum ist das Gespräch so brisant?

Während der Diskussion geben die Teilnehmer militärisch sensible Informationen preis, die den russischen Militärplanern wichtige Erkenntnisse liefern dürften. So hält einer der Teilnehmer die Lieferung von maximal 100 Marschflugkörpern aus Bundeswehrbeständen für realistisch. Die Rede ist davon, dass man der Ukraine 50 Taurus in einer ersten Tranche liefern könnte und noch einmal 50 in einer zweiten. Dann aber sei mit Rücksicht auf die eigenen Bestände „Ende Gelände“.

Zudem sagt einer der Teilnehmer: „Ich weiß von meinen britischen und französischen Kollegen, dass die so gut wie 'Winchester' sind mit ihren Storm Shadows und Scalps.“ Gemeint ist offenbar, dass die Lagerbestände der Taurus-ähnlichen Marschflugkörper Storm Shadow und Scalp, die die Ukraine erhält, erschöpft sind. Auch wird erwähnt, dass Deutschland drei von zwölf verfügbaren Radargeräten des Flugabwehrsystems Patriot an Kiew geliefert habe.

Im Laufe des Gesprächs wird angemerkt, dass Großbritannien wegen der Storm Shadows Militärpersonal „vor Ort“ habe. Zudem würden in der Ukraine „viele Leute mit amerikanischem Akzent in Zivilklamotten rumlaufen“. Ein Hinweis auf Angehörige der US-Streitkräfte in dem Land.

Die Krim-Brücke wird von einem Offizier als groß „wie ein Flugplatz“ beschrieben, für dessen Zerstörung man 10 oder 20 Taurus bräuchte. Bemängelt wird, dass das Kommando Strategische Aufklärung der Bundeswehr (KSA) „keine saubere Lagedarstellung“ der russischen Luftverteidigungssysteme an der Brücke habe.

FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann sagte ntv, die Absicht dahinter, das Gespräch gerade jetzt zu veröffentlichen, liege auf der Hand. „Nachdem der Kanzler in der letzten Woche die Lieferung ausgeschlossen hat, die Gründe für seine Ablehnung aber binnen 24 Stunden von Fachleuten widerlegt worden sind, möchte man ihn offensichtlich davon abschrecken, doch noch grünes Licht zu geben“, so die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses.

Wie kam die Aufzeichnung zustande?

Das ist noch unklar. Einer der Offiziere hielt sich während der Konferenz in einem Hotel in Singapur auf. Die Bild-Zeitung spekuliert, dass das Zimmer verwanzt gewesen sein könnte oder eventuell eine ungesicherte Verbindung genutzt wurde. Fakt ist aber, dass die Teilnehmer ziemlich unvorsichtig waren. Für das virtuelle Meeting wurde keine abhörsichere Leitung, sondern die Plattform WebEx genutzt.

Laut dem Spiegel geht man in einer ersten internen Analyse davon aus, dass das Band der Besprechung authentisch ist. Demnach wird eine KI-gestützte Fälschung nach einer ersten Einschätzung weitgehend ausgeschlossen. Offiziell bestätigt ist die Echtheit aber bislang nicht. Der Militärische Abschirmdienst MAD hat sofort nach Veröffentlichung der Datei Ermittlungen aufgenommen. Befürchtet wird, dass russische Dienste noch weitere interne Kommunikation abgehört haben könnten.

Hinweis: Dieser Text erschien zuerst bei ntv.de

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