Vorschlag vom Chef der Kassenärztlichen BundesvereinigungArzttermin vergessen? Kassenärzte wollen Ausfallgebühr!

ARCHIV - 04.03.2015, Bayern, Nürnberg: «Wartezimmer» ist auf der Tür eines leeren Wartezimmers in einer Arztpraxis zu lesen. In Hamburg kommen in der Corona-Pandemie deutlich weniger Patienten in die Praxen. (zu dpa: «Deutlich weniger Patienten in Hamburger Hausarztpraxen») Foto: Daniel Karmann/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Wer seinen Arzt versetzt, soll eine Ausfallgebühr zahlen, findet der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung Andreas Gassen.
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Wer den Termin vercheckt, soll zahlen!
Patienten müssen oft lange auf einen Arzttermin warten. Doch die Ärzte warten auch manchmal umsonst auf Patienten. Jetzt verlangt Deutschlands oberster Kassenarzt eine Ausfallgebühr - die Reaktionen? Bissig!

Kritik am Vorschlag: Versuchte Abzocke!

Sieben von zehn Arztpraxen beklagen Probleme mit verpassten Terminen ihrer Patientinnen und Patienten. Der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, fordert daher eine Ausfallgebühr für nicht wahrgenommene Termine - und handelte sich damit den Vorwurf der versuchten Abzocke ein. Die Krankenkassen brachten im Gegenzug eine Entschädigung für Patienten ins Gespräch, die lange auf den Kontakt zum Arzt warten müssten.

Laut einer Online-Umfrage der KBV geht es

  • bei rund 44 Prozent der betroffenen Praxen um 5 bis 10 Prozent aller Termine, zu denen Patienten nicht erscheinen

  • Bei rund 16 Prozent der Praxen ist demnach sogar bis zu einem Fünftel aller Termine betroffen

Die Ergebnisse liegen der Deutschen Presse-Agentur vor. Zunächst hatte die „Neue Osnabrücker Zeitung“ berichtet.

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Hinweis: Die Ergebnisse der Umfrage sind nicht repräsentativ.

Krankenkassen weisen Vorschlag direkt zurück

„Es ist nicht nur ärgerlich, wenn Patienten Termine in Praxen buchen und diese einfach verstreichen lassen“, sagte Gassen. „Praxen können Termine ja nicht zweimal vergeben.“ Die Termine seien geblockt und stünden dann für andere Patienten nicht zur Verfügung. Lächerlich seien von daher Forderung nach schnelleren und mehr Terminen. „Angemessen wäre vielmehr eine von den Kassen zu entrichtende Ausfallgebühr, wenn deren Versicherte Termine vereinbaren und dann nicht wahrnehmen.“

Der Spitzenverband der Krankenkassen weist die Forderung umgehend zurück. „Ein immer tieferer Griff in die Taschen der Beitragszahlenden löst keine Probleme“, sagt Helge Dickau vom GKV-Spitzenverband der dpa.

„Stattdessen wäre es nur ein weiterer Zusatzverdienst für eine Berufsgruppe, die schon jetzt zu den Spitzenverdienern gehört.“ Dickau sagte: „Wie wäre es denn mit einem finanziellen Ausgleich für Patientinnen und Patienten, die viele Stunden Lebenszeit in Warteschleifen und Wartezimmern ärztlicher Praxen verbringen?“

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Schon heute verlangen manche Praxen Ausfallgebühren

Auch die Deutsche Stiftung Patientenschutz spart nicht mit Kritik: „Der Kassenärztechef sollte sich zunächst um die Überprüfung der Präsenzzeiten seiner Mitglieder kümmern“, sagte Vorstand Eugen Brysch der dpa. „Schließlich ist die mangelnde Erreichbarkeit für Patientinnen und Patienten das größte Problem.“ Auch deshalb suchten viele kranke Menschen Hilfe in den Notaufnahmen. Brysch hatte bereits im Frühjahr unter Berufung auf eine Umfrage kritisiert, dass viele Patientinnen und Patienten oft 30 Tage und mehr auf einen Arzttermin warten müssten.

Ausfallhonorare können bereits heute auf Patientinnen und Patienten zukommen, wenn sie Termine versäumen. Brysch weist darauf hin, dass Praxen bisweilen solche Strafgebühren verlangen. „Jetzt noch eine zweite Gebühr von den Versichertenbeiträgen zu fordern, ist Abzocke“, sagte der Stiftungsvorstand daher.

Laut Verbraucherzentrale Bundesverband sind Ausfallhonorare von Arztpraxen für verpasste oder abgesagte Arzttermine heute aber nur in Ausnahmefällen zulässig. Ein Ausfallhonorar kann fällig werden, wenn Patientinnen und Patienten ohne Terminabsage nicht erscheinen und die Praxis für größere Termine nicht kurzfristig einen Ersatzpatienten einbestellen könne. Der Ratschlag der Verbraucherschützer: „Bei festen Terminen sollte die Absage schriftlich oder per E-Mail erfolgen, damit diese belegt werden kann.“ (dpa/eku)

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