„Eine Isolation, die der Mensch nicht selber will, ist Folter“Bewohner wird kaum mehr aus dem Bett geholt! Wie sehr vereinsamen die Menschen in diesem Pflegeheim?
„Ich will doch mal gucken, wo ich jetzt bin, wo ich vielleicht jetzt hingehöre!“
Ein alter Mann sitzt auf seinem Bett, wirkt verwirrt. Aus eigener Kraft kann er nicht aufstehen, um zumindest mal aus dem Fenster zu schauen – und es scheint, als hätte das Personal im Alloheim Frankfurt Mainpark an mehreren Tagen nicht die Zeit, ihm das zu ermöglichen. Wie groß ist die Einsamkeit in diesem Heim?
„Diese Hilflosigkeit ist einfach Mist!“
„Team Wallraff“-Reporterin Lisa recherchiert undercover als Pflegehelferin im Alloheim. Auf sie wirkt einer der Bewohner, Herr Jäger*, hier völlig orientierungslos. Er äußert ihr gegenüber den Wunsch, mit dem Rollstuhl zum Fenster gebracht zu werden, statt auf seinem Bett zu bleiben. Lisa beobachtet daraufhin, wie ihre Kollegin Jasmin* nur für wenige Sekunden nach seiner Einlage schaut und Herrn Jägers Zimmer wieder verlässt. Als Lisa ihr vom Wunsch des Bewohners erzählt, sagt Jasmin: Er dürfe zu diesem Zeitpunkt nicht in den Rollstuhl. Auch ein anderer Kollege sagt ihr: Herr Jäger müsse immer im Bett bleiben, weil er in der vergangenen Woche gestürzt sei..
Als Lisa zu dem Bewohner zurückkehrt, wirkt er traurig auf sie: „Ich will doch mal gucken, wo ich bin, wo ich vielleicht jetzt hingehöre. Bleib ich jetzt hier, oder…? Diese Hilflosigkeit ist einfach Mist“, klagt er.
Ulrike Kempchen ist Juristin und Pflegerechtsexpertin. Ihre Einschätzung: „Wenn ich jemanden im Bett halte und sage, er muss dort liegen, dann führt das natürlich auch zu Folgen wie Unsicherheiten und Muskelabbau. Und ich habe einen Anspruch auf eine Pflege, die meinem Bedarf entspricht. Und wenn ich noch mobil bin und mich bewegen kann, dann ist dieser Bedarf auch tatsächlich zu erfüllen.”
Alloheim schreibt dem Team Wallraff, dass der Fall ihnen bekannt sei: „Nachdem dieser Umstand der Einrichtungsleitung gemeldet wurde, wurde dieser umgehend behoben. Zusätzlich haben wir im konkreten Fall eine sogenannte Mitarbeiterbegleitung durchgeführt, um sicherzustellen, dass Mobilisationspläne konsequent unter Berücksichtigung individueller Wünsche und körperlichem Zustand aktualisiert und umgesetzt werden.
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Pflege-Expertin: Ungewollte Isolation ist Folter
Auch nach Tagen trifft Lisa Herrn Jäger erneut in seinem Bett an. Sie hat den Eindruck, dass es ihm helfen könnte, mal rauszukommen. Diesen Eindruck scheint auch eine Fachkraft bei einer Übergabe zu teilen: „Der Mann muss raus, mindestens einmal in der Woche, zweimal in der Woche. Das ist nicht normal, ehrlich gesagt. Er verliert Lebensqualität, er baut richtig ab.“
Pflege-Expertin und Autorin Andrea Würtz findet für diesen Vorfall klare Worte: „Ich kann es nicht oft genug betonen: Eine Isolation, die der Mensch nicht selber will, sondern die ihm auferzwungen wird und er keine Möglichkeit hat, dem zu entrinnen, ist Folter.”
Alloheim schreibt, man weise den pauschalen Vorwurf, den Pflegekräften fehle oftmals die Zeit mit den Bewohnern zu reden, zurück. Und: „Uns sind wenige Fälle bekannt, in denen Bewohner zu unserem Bedauern vorübergehend nicht nach ihren Möglichkeiten mobilisiert wurden. Nachdem über diesen Umstand Kenntnis erlangt wurde, wurde dieser umgehend behoben.“
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*Name von der Redaktion geändert