„Pestizide sind so gebaut, dass sie das Nervensystem angreifen“

Nach jahrelangem Kampf der Landwirte: Parkinson durch Pestizide als Berufskrankheit anerkannt

Für viele Landwirte gehört der regelmäßige Einsatz von Pestiziden zum normalen Berufsalltag dazu.
Doch seit Jahren mehren sich die Hinweise, dass die Pflanzenschutzmittel nicht nur Insekten schaden, sondern auch Menschen. Immer mehr Forscher sind überzeugt, dass Pestizide Parkinson auslösen können. Warum vieles darauf hindeutet und wie betroffene Landwirte für die Anerkennung von Parkinson als Berufskrankheit kämpfen, seht ihr im Video.

Hohe Rate von Parkinson-Fällen

Karl-Otto Mechelke hat sein ganzes Leben seinem geliebten Hof gewidmet. Doch vor zwölf Jahren muss der Landwirt seinen Beruf an den Nagel hängen. Grund dafür ist die Diagnose Parkinson, die er im Alter von gerade einmal 58 Jahren erhält. Die unheilbare, degenerative Nervenerkrankung macht eine weitere Tätigkeit in der Landwirtschaft unmöglich. Heute kann er seinen Alltag nur noch mit Hilfe von Medikamenten bewältigen.

So wie Mechelke geht es vielen Landwirten. Viele können ihren Beruf nicht mehr ausüben und müssen verfrüht in Rente gehen. Auffällig ist die hohe Rate an Parkinson unter den Menschen, die jahrelang in der Landwirtschaft tätig waren oder aber in der Nähe von bewirtschafteten Flächen wohnen. Für viele Wissenschaftler wie Beate Ritz ist das mehr als ein Zufall: Sie sind sich sicher, dass die auf den Feldern verwendeten Pestizide verantwortlich sind für die hohe Zahl an Parkinsonerkrankungen. „Pestizide sind so gebaut, dass sie das Nervensystem angreifen“, erklärt Ritz. „Aber das von Insekten“, ergänzt die deutsche Forscherin. Wenn man den Giften als Mensch sehr lange ausgesetzt sei, seien sie jedoch auch für Menschen toxisch.

Die Wissenschaftlerin lebt und forscht in Kalifornien. Auch im Gemüsegarten der USA, wie das Central Valley genannt wird, ist der Einsatz von Pestiziden an der Tagesordnung. Viele Felder werden von Helikoptern aus besprüht. „Wir konnten das Gift förmlich sehen“, berichtet eine Nachbarin.

Lese-Tipp: Gamechanger in Sachen Parkinson? Neuer Test erkennt Krankheit weit vor Ausbruch

Jetzt ist eure Meinung gefragt

Empfehlung für neue Berufskrankheit „Parkinson-Syndrom durch Pestizide“ beschlossen

Jahrelang haben sich Betroffene für die Anerkennung von Parkinson als Berufskrankheit eingesetzt. Nun scheint sich der jahrelange Kampf der Betroffenen endlich auszuzahlen: Der Ärztliche Sachverständigenbeirat Berufskrankheiten (ÄSVB) hat eine wissenschaftliche Empfehlung für eine neue Berufskrankheit „Parkinson-Syndrom durch Pestizide“ beschlossen. Dieser Empfehlung ist ein langjähriger, sehr intensiver Beratungsprozess vorausgegangen. Im Zuge dessen hat der ÄSVB eine große Anzahl internationaler wissenschaftlicher Studien ausgewertet.

Laut Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) kommt die Anerkennung als Berufskrankheit bei Personen in Betracht, die Herbizide, Fungizide oder Insektizide langjährig und häufig im beruflichen Kontext selbst angewendet haben. Beispielsweise durch eigene Vor- und Nacharbeit in der Pestizid-Ausbringung oder eigene Pestizid-Ausbringung oder eigene Störungsbeseitigung im Rahmen von Pestizid-Ausbringungen.

Betroffen sind voraussichtlich vor allem landwirtschaftliche Unternehmerinnen und Unternehmer, deren mitarbeitende Familienangehörige sowie Beschäftigte in der Landwirtschaft. Auch Angehörige anderer Berufsgruppen könnten betroffen sein, wenn sie in ihrem Arbeitsleben entsprechenden Belastungen ausgesetzt waren, zum Beispiel als Nebenerwerbslandwirte.

Lese-Tipp: Bis zu 30 Jahre vor dem Ausbruch! Auf diese Parkinson-Warnsignale sollten Sie achten

Was sind die Voraussetzungen für die neue Berufskrankheit?

Das sind die Voraussetzungen der neuen Berufskrankheit:

  • diagnostiziertes primäres Parkinson-Syndrom ohne sekundäre Genese (das heißt, dass die Erkrankung darf nicht Folge einer anderen Grunderkrankung sein darf)

  • Erfüllung des Dosismaßes von mindestens 100 trendkorrigierten Anwendungstagen mit Stoffen aus einer der drei Funktionsgruppen der Pestizide (Herbizide oder Fungizide oder Insektizide) durch eigene Anwendung.

Mit der Empfehlung des Sachverständigenbeirats besteht für die Unfallversicherungsträger, Gutachterinnen und Gutachter eine einheitliche und aktuelle wissenschaftliche Grundlage für die Prüfung entsprechender Fälle. Das stimmt hoffnungsvoll, dass viele Betroffene endlich Entschädigungen einfordern können und sich zumindest die finanziellen Sorgen dadurch ein Stück weit reduzieren lassen. (nri)

Lese-Tipp: Erschreckende Studien-Ergebnisse: Können kleinste Plastikpartikel Parkinson verursachen?