Paralympics, Medizinstudium und KlinikalltagArzt auf Rädern - Wie Dr. Rupp sich durch nichts bremsen lässt

von Juliane Bauermeister und Rafael Hein

Mit bis zu acht Kilometern pro Stunde saust er durch die Notaufnahme!
Dr. Leopold Rupp ist Assistenzarzt in der Charité Berlin. In Sachen Geschwindigkeit ist er mit seinem elektrischen Rollstuhl seinen Kollegen, die zu Fuß unterwegs sind, oft voraus. Der 32-Jährige lebt von Geburt an mit einer besonderen Form der Kleinwüchsigkeit und kann daher kaum laufen. Doch davon lässt er sich nicht unterkriegen.
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Seine Eltern lebten ihm vor, dass er alles schaffen und werden kann

Völlig selbstverständlich bewegt Dr. Leopold Rupp sich auf seinem fahrbaren Untersatz durch die Gänge und Räume der Berliner Charité-Klinik. Anders könnte er seinem Beruf als Arzt auch gar nicht nachgehen. Und der sympathische 32-Jährige kann dem Elektro-Rollstuhl auch etwas Gutes abgewinnen. Denn im Gegensatz zu seinen Kollegen, muss er nicht laufen. Dadurch werde er bei langen Schichten, wie dem 24-Stundendienst, nicht so schnell müde. „Ich werde auch müde. Das will ich gar nicht in Abrede stellen“, sagt er schmunzelnd. „Aber der Rollstuhl nicht“.

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Seit seiner Geburt leidet der in Schleswig-Holstein aufgewachsene Arzt an einer besonderen Form der Kleinwüchsigkeit. Seine Gelenke kann er nur eingeschränkt bewegen, das Laufen fällt ihm schwer. In der Grundschule bekommt er deshalb seinen ersten Rollstuhl. Trotzdem leben seine Eltern ihm vor, dass er alles schaffen und werden kann. Sie hätten ihn eben nicht „in Watte verpackt“, sondern dafür gesorgt, dass er normal aufwächst, erzählt Rupp. „Dafür haben sie auch gekämpft. Ich bin in einen normalen Kindergarten gegangen, auf eine normale Grundschule“.

Das Krankenhaus als inklusiver Arbeitsplatz schlechthin?

2012 nahm Leopold Rupp als Sportschütze bei den Paralympics in London teil.
2012 nahm Leopold Rupp als Sportschütze bei den Paralympics in London teil.
Privat

„Inklusion beginnt im Kopf“, sagt Rupp und genau nach diesem Motto lebt er. Denn trotz seiner Einschränkung kennt Rupp keine Grenzen, zumindest nicht im Kopf: So bereist er ferne Länder wie Japan oder Australien und hat 2012 sogar als Sportschütze an den Paralympics in London teilgenommen. Irgendwann wurde es neben dem ganzen Leistungssport aber schwer, sein Medizinstudium zu verfolgen, weshalb er den Profisport schließlich an den Nagel hing und sein Studium zu Ende brachte. Aber auch heute engagiert er sich noch bei der Deutschen Behindertensportjugend, in der er auch stellvertretender Vorstandsvorsitzender ist.

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In der Notaufnahme der Charité hat Leopold Rupp schließlich seine Leidenschaft gefunden: „Ich liebe einfach Notfallmedizin“. Der Job sei hart, auch emotional, aber „es ist auch ein sehr schöner und dankbarer Job, weil man vielen Menschen helfen kann“, sagt der 32-Jährige. Dazu kommt, dass Krankenhäuser von Natur aus ziemlich barrierefrei sind – ziemlich praktisch also für Rupp: „Das ist schon ein sehr inklusiver Arbeitsplatz“, schwärmt Rupp. „Alles ist ebenerdig, es gibt keine Stufen. Man muss ja überall auch mit Betten hinkommen.“ Außerdem gebe es überall Fahrstühle, Rollstuhltoiletten, Türen, die sich automatisch öffnen. Für die Patienten ist ein Arzt im Rollstuhl zwar oft erstmal ungewohnt. Meistens schlägt das aber schnell in Begeisterung um.

Ganz wichtig ist ein gutes Team

„Ich war total überrascht, dass ein Arzt mich so positiv und im Rollstuhl empfangen hat“, sagt eine Patientin. Ein anderer Patient, der wegen eines Risses in der Achillessehne im Krankenhaus liegt, sagt, er sei zunächst überrascht gewesen, einen Arzt im Rollstuhl zu sehen. Das sei ja nicht alltäglich. „Aber schon nach kurzer Zeit, nimmt man das gar nicht mehr wirklich wahr. Man sieht, dass er seinen Job macht, wie alle anderen.“ Dann sei es einem als Patient egal, ob er im Rollstuhl sitze oder nicht.

Für seine Arbeit im Krankenhaus ist nicht nur Rupps Elektro-Rollstuhl unverzichtbar. Ganz wichtig ist ihm auch sein Team. Ein gutes Team sei im Krankenhaus immer wichtig, sagt er. „Da hilft man sich gegenseitig. Und vielleicht hilft jemand mir eine Handreichung mehr und dafür helfe ich jemand anderem in anderer Art und Weise vielleicht mehr.“

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Rupp: Bei der Barrierefreiheit im öffentlichen Raum muss sich in Deutschland noch sehr viel tun

Rupp wünscht sich, dass Inklusion und Menschen mit Behinderungen ein ganz normaler Teil der Gesellschaft sind. „Denn ich glaube, von Inklusion gewinnen wir alle. Aus ärztlicher Sicht werden wir alle irgendwann eine Behinderung haben.“ Jeder sei im Alter irgendwann auf Hilfe angewiesen, auf einen Rollator oder einen Rollstuhl etwa. Daher profitiere jeder von Barrierefreiheit im öffentliche Raum, beispielsweise im Theater oder im Kino. In deutschen Großstädten wie Berlin gebe es zwar bereits Barrierefreiheit an vielen Orten, an vielen aber auch nicht. „Da muss sich noch sehr viel tun“, fordert Rupp. In Japan etwa sei man bereits viel weiter.

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