Die Scharlachwelle ist noch nicht beendet

Scharlach: Schon vier tote Kinder und Jugendliche - Medikamenten-Knappheit lässt Kinderarzt verzweifeln

Bereits Anfang des Jahres warnten WHO und Kinderärzte in Deutschland vor steigenden Scharlachzahlen. In Westfalen sind in den vergangenen Monaten mehrere Kinder und Jugendliche an den Folgen einer Infektion mit Scharlach-Bakterien gestorben. Dabei ist die Krankheit grundsätzlich mit Penicilin leicht zu behandeln, doch an vielen Orten fehlen wichtige Medikamente, in einigen Fällen wohl mit schlimmen Folgen für die Kinder.
Was die Symptome von Scharlach sind und wie es in der Regel behandelt wird, erklärt der Münsteraner Kinderarzt Pedro Andreo Garcia RTL-Reporter Marc Chmiel im Video.
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Kinderarzt: „Scharlachwelle ist unglaublich heftig“

Es ist ein Drama. Denn wie das ‘Westfalen-Blatt’ berichtet sind nach Angaben der Ärzteschaft im Münsterland und in Ostwestfalen zwischen Oktober 2022 und Februar 2023 mindestens vier junge Menschen nach einer Streptokokken-A-Infektion gestorben. Offiziell gesicherte Zahlen gibt es nicht, da die Infektionen nicht meldepflichtig sind. Ob der Tod der Kinder und Jugendlichen in Zusammenhang mit fehlenden Schnelltests und Antibiotika steht, ist unklar. Unter den Todesopfern ist laut ‘Westfalen-Blatt’ auch die kleine Emily aus Bünde. Sie wurde nur vier Jahre alt.

Schon im März beklagte Kinderarzt Pedro Andreo Garcia im Interview mit RTL, dass die Scharlachwelle unglaublich heftig sei. „So wie das jetzt im Moment ist, habe ich das eigentlich noch nie erlebt.“ Normalerweise ist die bakterielle Krankheit gut zu behandeln.

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Penicillin fehlt an manchen Orten komplett

„Die Streptokokken können die Scharlachkrankheit auslösen, wenn sie aber weiter in den Körper eindringen, weil sie auf ein schwaches Immunsystem treffen, dann können sie sich ausbreiten und zu einer Sepsis führen“, so Garcia. Auch ein 15-Jähriger aus Münster ist nach einer schweren Blutvergiftung durch die Streptokokken-Bakterien gestorben.

Die Crux: Zur effektiven Bekämpfung der Krankheit fehlt aktuell Penicillin an manchen Orten. Zwar gibt es Alternativen, doch die wirken teilweise weniger schnell und gut. Für 13 Antibiotika, darunter auch "Penicillin V" gibt es derzeit laut Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte einen Lieferengpass. Der Apothekenverband Nordrhein vermeldete bereits im Februar, dass es bei jedem zweiten Rezept Lieferengpässe gebe.

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Verzweiflung bei Eltern, Kindern und Ärzten

Tatsächlich kann das für manche Patienten wirklich gefährlich werden: Wenn man das geeignete Antibiotikum nicht zügig bekäme, sondern erst ein bis zwei Tage warten müsse, dann könne es zu einer solchen Entwicklung wie bei dem 15-Jährigen aus Münster kommen, so der Arzt. „Diese Therapieverzögerung, die kann zu Folgeschäden und zu Komplikationen führen“ erklärt Garcia. „Da können Sie sich die Verzweiflung der Eltern und der Kinder und auch unsere Verzweiflung vorstellen, dass es nicht möglich ist, in einem Land wie Deutschland, wo man eigentlich das nicht erwartet hätte, an diese normalen Standardmedikamente zu kommen.“

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Sparwut beenden und Basisproduktion nach Deutschland verlegen

Wie könnte diese Medikamenten-Misere beendet werden? „Wir müssten hier in Deutschland entweder einen ausreichenden Vorrat an Medikamenten haben“, sagt uns Garcia, „oder, was ich persönlich befürworten würde, die Produktion müsste hier in Deutschland stattfinden.“ Eine gewisse Basisproduktion sei da das Mindeste, damit man völlig abhängig sei von Ländern, in denen die Produktion zwar wirklich viel billiger, aber eben auch unzuverlässig sei. „Es hat keinen Zweck, immer nur diese Sparwut an den Tag zu legen“, so der Arzt aus Münster.

Wie können Eltern ihre Kinder schützen?

Bei ersten Symptomen einer Streptokokken-Infektion sollten Sie einen Arzt aufzusuchen und auf eine Penicillin-Behandlung bestehen.

Klassische Scharlach-Symptome:

  • Hals-Rachen-Entzündung

  • Himbeerzunge

  • Fieber

  • Kopf- und Gliederschmerzen

  • Abgeschlagenheit

  • Schluckbeschwerden

  • Hautausschlag (kommt zwei bis drei Tage später hinzu) (ija)