„Eine krebskranke Studentin zu spielen, ist moralisch auf unterster Stufe angesiedelt!“Online-Liebesbetrug: „Sugardaddy" (50) fällt auf Schüler rein und verliert fast 400.000 Euro

Maschinenfahrer Max M. (richtiger Name ist der Redaktion bekannt) wurde Opfer einer Online-Betrugsmasche.
Maschinenfahrer Max M. (richtiger Name ist der Redaktion bekannt) wurde Opfer einer Online-Betrugsmasche.
RTL, RTL, RTL
von Sandra Blösch und Michaela Johannsen

„Es ist fast alles weg, das war für die Altersvorsorge bestimmt!“
Max M. schämt sich und will seinen richtigen Namen nicht öffentlich nennen. Vor Gericht sagt er als Zeuge aus. Auf einer Online-Plattform hat sich der 50-jährige Maschinenfahrer in eine junge Architekturstudentin verliebt. Drei Jahre lang zahlt er ihr immer wieder Geld. Insgesamt 392.469,85 Euro – alles, was er besitzt. Aber die Frau gibt es nicht. Dahinter steckt Schüler Tolga C. Der Richter am Amtsgericht Augsburg verurteilt ihn wegen Betruges zu einer Haftstrafe. Es ist das Ende einer Geschichte, die nur Verlierer kennt.

Auf dreisten Love-Scam reingefallen: „Sie haben da wirklich viel angerichtet!"

Wegen Betruges in 306 Fällen muss Tolga C. dreieinhalb Jahre ins Gefängnis. Außerdem soll der heute 22-Jährige dem Geschädigten – wie Max M. in der Gerichtssprache heißt – das ergaunerte Geld zurückzahlen. Das hat er laut eigener Aussage für Urlaube, Luxusautos und falsche Freunde komplett auf den Kopf gehauen. Die Komplizin des Schülers, seine Ex-Freundin Dilara P., muss wegen Beihilfe in 21 Fällen 50 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten und 1.000 Euro an das Opfer zahlen. Soweit die nüchternen Fakten zum Prozess.

„Sie haben da wirklich viel angerichtet,“ sagte Richter Fabian Espenschied in seiner Urteilsbegründung. „Eine krebskranke Studentin zu spielen, ist moralisch auf unterster Stufe angesiedelt“. Doch wie kam es dazu, dass ein Schüler eine schwerkranke Frau erfindet und ein erwachsener, verheirateter Mann jahrelang nichts ahnt?

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Mann zahlt mehrere Jahre an angeblich schwerkranke Studentin: „Ich wollte dass sie wieder gesund wird!“

Alles begann auf der Online-Dating-Plattform „SugarDaddy“. Dort meldete sich Max M. an, weil er Bestätigung suchte. Die Zuneigung junger Frauen habe ihm gefallen, sagte er vor Gericht. Schüler Tolga C. trieben Geldsorgen auf das Portal. Die Corona-Pandemie habe ihm zugesetzt, sagte er aus. Außerdem habe ihn ein Freund mit einem Handyvertrag „abgezogen“. 8.000 Euro Schulden hätte er gehabt.

Als Architektur-Studentin „Tolgayana“ habe er gehofft, Kontakt zu Männern zu bekommen, die ihm bereitwillig Geld überweisen. Und das habe auch sofort funktioniert. Der Schüler schickte Fotos und Videos an Max M. Natürlich nicht von sich selbst. Sondern von dem Phantom, in das der Maschinenfahrer schnell „ein bisschen verliebt“ gewesen sei, so erklärte er es dem Richter. Ein klassischer Love-Scam oder auch Romance-Scam, der nur deshalb über Jahre funktionierte, weil „Tolgayana“ plötzlich an Lungenkrebs erkrankte. Für vermeintliche Behandlungen und Krankenhausaufenthalte brauchte sie immer mehr Geld.

Krebs! Das traf Max M.s wunden Punkt. „Ich habe mir schon Gedanken gemacht“, sagte er im Prozess. „Aber ich wollte, dass sie wieder gesund wird“.

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Blind vor Liebe? Max M. hat beim Online-Dating alles verloren

Zu diesem Zeitpunkt waren beide Eltern des 50-Jährigen an Krebs erkrankt. Sein Vater starb kurz darauf. „Emotional“ sei er gewesen, sagte er dem Richter. Er habe auch deshalb kaum Verdacht geschöpft. Außerdem leistete Tolga C. seinen Teil, um die Geschichte zu untermauern. Er schickte seine damalige Freundin zu einem Treffen mit der Internetbekanntschaft. Dilara P. trat Max M. im Jogginganzug als schwerkranke „Tolgayana“ im Foyer des Zentralklinikums Augsburg gegenüber.

„Unangenehm“ sei ihr das Treffen gewesen, sagte die 21-Jährige aus. Max M. habe versucht, sie zu küssen. Die genauen Hintergründe habe sie aber nicht gekannt. Ihr Freund hätte ihr „relativ kurzfristig“ Bescheid gegeben, dass sie das machen solle.

In den darauffolgenden Monaten wurden die angeblichen Krankheits- und Familiengeschichten immer wilder. Sogar im Koma soll Max M.s Internetbekanntschaft gelegen haben. Erfundene Familienmitglieder waren es dann, die immer mehr Geld von ihm verlangten –und er zahlte.

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Mehrjähriger Romance-Scam: So flog alles auf

Die Polizei wurde schließlich wegen eines anderen Deliktes auf den Schüler aus Augsburg aufmerksam. Die Ermittler entdeckten die vielen Einzahlungen auf seinem Konto, für die er keine glaubhafte Erklärung hatte. So erfuhr Max M. schließlich, dass es „Tolgayana“ nie gab. „Eigentlich war das meine Altersvorsorge“, sagte er über die verlorenen fast 400.000 Euro. Das Geld habe er gespart, geerbt und teilweise auch vom gemeinsamen Konto mit der Ehefrau genommen.

Die Entschuldigungen der beiden Angeklagten nahm er vor Gericht nicht an. Es gehe ihm auch gar nicht um Strafe, betonte er. Enttäuscht sei er, dass sie eine Krankheit so ausgenutzt hätten.

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