Ja. also wie sieht er aus, der richtige Umgang mit diesem Thema? Genau darüber wollen wir jetzt noch mal etwas ausführlicher sprechen mit Hannovers Oberbürgermeister, mit Belit Onay. Schönen guten Abend.
Hallo. Guten Abend.
Herr Onay, Diese sogenannte Stadtbilddebatte, die sorgt ja für heftige Diskussionen, hat auch für erhitzte Gemüter gesorgt. Unter anderem natürlich auch bei Ihnen. Inwieweit hat der Bundeskanzler, inwieweit hat Friedrich Merz da einen wunden Punkt getroffen?
Also Herr Merz spricht ja ein Thema an, das in den Städten auch diskutiert wird, also öffentlicher Raum, Konflikte, Herausforderungen, Menschen mit unterschiedlichen Problemlagen. Das ist auch in den Städten ein Thema. Wird seit langem schon diskutiert. Ich glaube, das, was die Gemüter so erhitzt hat und zu Recht, wie ich finde, auch zu Protest gesorgt hat, ist, dass er das in Verbindung bringt mit einem sichtbaren Migrationshintergrund und eben auch mit Abschiebung, die keine Rolle spielen bei der Problemlösung. Und ich glaube, da diesen Hinweis aufzugreifen und auch eine neue Positionierung vorzunehmen, frühzeitig, das hätte Friedrich Merz gut zu Gesicht gestanden.
Sie selbst haben ja türkische Wurzeln. Waren, als Sie ins Amt gekommen sind, auch der erste Oberbürgermeister einer großen Stadt mit Migrationshintergrund. Wie sehr trifft Sie das auch persönlich?
Also mir sieht man den Migrationshintergrund vielleicht auch an, Wenn ich in der Stadt aber unterwegs bin und auch nicht unbedingt als Oberbürgermeister erkannt werde. dann bin ich ja Teil des Stadtbildes, so wie viele andere 1000 Menschen auch in meiner Stadt, in Hannover, aber auch in vielen anderen Großstädten. Also Migration, Migrationshintergrund ist die Normalität, ist die Realität in unseren Städten. Und deshalb haben sich auch so viele Menschen davon angesprochen gefühlt. Und das war ja auch das Signal, das an Friedrich Merz, an unseren Bundeskanzler, immer wieder rückgemeldet worden ist.
Nun hat diese Debatte ja auch ganz schön was ins Rollen gebracht. Es wird in allen Parteien diskutiert. Die SPD fordert jetzt sogar einen Gipfel im Bundeskanzleramt. Müssen Sie da am Ende dem Bundeskanzler nicht vielleicht aber sogar dankbar sein, dass das jetzt alles so angeschoben worden ist?
Also ich glaube, man muss deutlich machen, dass die Themen, das war kein Tabu. Also Friedrich Merz war jetzt nicht der Mutige, der irgendwas ins Rollen gebracht hat, sondern wir diskutieren das auf städtischer Ebene seit Jahren schon. Wie wir mit Drogen, Obdachlosenproblematiken, Kriminalität und eben auch das Zusammenspiel im öffentlichen Raum umgehen. Und ich glaube, dass diese Verbindung eben auch zu Migration und eben auch zur Abschiebung so geschlagen worden ist. Dieses Bild, was er erweckt, dass man einfach nur genug abschieben muss und dann gibt es wieder eine heile Welt. Das ist nicht real und das wird den Problemen und den Problemlagen, vor allem der Differenziertheit nicht gerecht. Insofern glaube ich, hat es da ehrlich gesagt auch eine Debatte verstopft regelrecht, durch diesen sehr falschen Ansatz.
Dass insgesamt aber was getan werden muss, ist, glaube ich, auch völlig unstrittig. Denn viele Bürgerinnen und Bürger fühlen sich ja tatsächlich unwohler und auch unsicherer in den Städten. Wir wollen uns das eben noch mal ganz kurz gemeinsam anschauen.
Nach aktuellen Umfragen gibt eine Mehrheit der deutschen Bundeskanzler Friedrich Merz recht. 63 % laut ZDF Politbarometer. Zur Wahrheit gehört auch: Hannover verzeichnet eine der höchsten Kriminalitätsraten unter den deutschen Großstädten, liegt im bundesweiten Ranking auf Platz vier. Friedrich Merz will mehr Abschiebungen, um das von ihm so genannte Problem im Stadtbild deutscher Großstädte zu lösen. In Hannover haben 42,2 % der Bürgerinnen und Bürger einen Migrationshintergrund. Gut die Hälfte von ihnen, 122.990 Menschen, haben nicht die deutsche Staatsbürgerschaft. Durch Krieg und Krisen hat die Zahl der Einwanderung, wie in vielen deutschen Großstädten, auch in Hannover deutlich zugenommen. Mehr Menschen bedeuten auch mehr Aufgaben und damit auch größere Herausforderungen für die Städte.
Ja, Herr Onay, wer sich die niedersächsischen Städte anschaut und auch mit offenen Augen durch Hannover geht, der wird ja schon gravierende Probleme feststellen. Das dürfte auch Ihnen ja logischerweise nicht entgangen sein. Lassen Sie uns doch mal Klartext reden. Wie sehr hat sich das Stadtbild wirklich verändert?
Wir merken natürlich, dass wir immense Herausforderungen im Stadtbild haben, in der Innenstadt beispielsweise. Das war schon immer so, dass ein Problem, das gesamtgesellschaftlich sich verschärft, seit Corona noch mal deutlich an Dramatik gewonnen hat. Also Obdachlosigkeit, auch Kriminalität, Jugendgewalt beispielsweise Drogenszenen, die sich deutlich verschlechtert haben. Das alles spielt sich im Zentrum einer Stadt, in der Innenstadt, auch in Hannover ab. Auch in vielen anderen großen Städten. Und von daher reagieren wir da seit Jahren schon drauf. Also ich bin 2019 ins Amt gekommen, da hatten wir schon diese Themen an öffentlichen Plätzen und seitdem haben wir aber auch viele Problemlagen gelöst. Aber wir merken, dass der Corona-Effekt immer noch nachwirkt und leider auch diese unterschiedlichen Problemlagen für uns als große Herausforderung immer noch bereithält.
Nun ist es ja eben auch so, dass dieses Unsicherheitsgefühl oder auch dieses Unwohlsein der Menschen natürlich Wasser auf die Mühlen von extremeren Parteien ist. Wie viel Sorge bereitet Ihnen das?
Also das macht mir schon Sorge. Insbesondere die Rückmeldungen vieler Menschen, dass sie natürlich auch Angst verspüren, dass sie ein Unwohlsein verspüren in einer Innenstadt wie Hannover. Und das soll nicht sein. Das müssen wir angehen, das müssen wir verändern. Aber deshalb braucht es auch sehr treffsichere, wirklich helfende Ansätze. Und dieser Ansatz von Friedrich Merz war keine Hilfe. Und deshalb, glaube ich, brauchen wir da auch Dinge, die funktionieren, die eine wirkliche Verbesserung herbeiführen. Wir haben das in Hannover in einigen Plätzen jetzt schon geschafft. Und die Erfolgsgeschichten, die wir da auch gemeinsam jetzt realisiert haben, werden wir versuchen, auf andere Plätze auszuweiten.
Sie sagen, Sie brauchen da Ansätze. Sie sind aber, das sagen Sie auch, seit 2019 schon im Amt. Wie wollen Sie denn das Problem jetzt konkret in den Griff bekommen?
Also wir haben zum Beispiel die Waffenverbotszonen ausgeweitet, haben Lückenschlüsse vorgenommen, haben die Zeiten ausgeweitet, haben eine Sicherheitskooperation mit der Bundespolizei, der Landespolizei sind wir eingegangen. Aber wir gehen auch in die sozialen Maßnahmen. Wir helfen bei den Drogenabhängigen, wir helfen bei Menschen in Obdachlosigkeit, wir schaffen Tagesstrukturen, schaffen Halt. Und damit versuchen wir natürlich gerade auch den Menschen zu helfen, die unsere Hilfe brauchen. Und wenn man sich aber diese unterschiedlichen Szenen einmal anschaut und diese Gruppen und Herausforderungen, dann spielt selbst theoretisch das Thema Abschiebung in keinem Fall eine wirkliche Rolle. Und deshalb mein Appell an die Bundesregierung: Lassen Sie uns darüber reden. Es gibt Handlungsbedarf und vor allem, wir brauchen auch Unterstützung und Ressourcen.
Sagt der Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Hannover, Belit Onay. Ganz herzlichen Dank für Ihren Besuch hier bei uns im Studio. Vielen Dank!
Danke für das Gespräch.