Johanna war einfach ein wunderbares Wesen, ein wunderbarer Mensch. Sie war immer so, wie man sich ein Mädchen wünscht. Herzlich, liebevoll und zart.
Mit diesen Worten beschreiben Ralf und Inka Orth ihre Tochter Johanna. Bevor die junge Frau 2021 aus dem Leben gerissen wird, ist ihr Traum, mit Unterstützung ihrer Eltern eine Patisserie zu eröffnen. Vier Jahre später öffnet diese unter Johannas Namen in Hamburg einen Ort, der Johanna in all ihren Facetten widerspiegelt und ihre Geschichte erzählt. In der Nacht vom 14. auf den 15. Juli wird das Ahrtal zum Katastrophengebiet. Binnen weniger Stunden strömen riesige Regenmassen durch Bad Neuenahr, fluten die Häuser und reißen alles mit sich. Eine entsprechende Warnung gibt es nicht. Auch Johanna wird von der Flut überrascht.
Es war ja so, dass Johanna uns um Ralphs Telefon nachts um null Uhr 25 geklingelt hat und er dann drangegangen ist und Johanna ganz panisch Halt gerufen hat, hier stehe bis zu den Knien im Wasser und ich kriege halt die Wohnungseingangstür nicht auf. Und dann haben wir versucht, sie zu beruhigen. Also Ralf hat versucht, sie zu beruhigen. Er hatte auch auf Lautsprecher gestellt, sodass ich mithören konnte, und dann schrie sie auf einmal halb panisch, dass ich die Möbel halt bewegen. Und dann riss die Verbindung ab.
Die damals 22-jährige Johanna ertrinkt in ihrer Erdgeschosswohnung. Mit ihr sterben in dieser Nacht 134 weitere Menschen. Dass damals niemand ihre Tochter und die anderen Anwohner rechtzeitig gewarnt und evakuiert hat, ist für ihre Eltern bis heute sehr schwer. Ein Ermittlungsverfahren gegen die Verantwortlichen wurde eingestellt. Die Welt von Inka und Ralf steht damals still vor Schmerz. Doch aus der Tiefe ihrer Trauer wächst ein Entschluss voller Liebe. Sie wollen Johannas Traum für sie verwirklichen: eine Patisserie.
Ich bin eines Morgens wach geworden und habe gesagt: Ich muss das lernen. Was Johanna einfach geliebt hat. Ich muss wissen, wie man Pralinen macht, wie man diese wunderbaren Törtchen macht.
In einer Patisserieschule in Ulm lernt Inka Orth Konditormeister Marcel Reinhardt kennen und entschließt sich dazu, gemeinsam mit ihm und ihrem Mann die Patisserie in Hamburg zu eröffnen.
Und da Hamburg schon immer unsere Lieblingsstadt war, haben wir einfach gesagt: Wir schauen halt mal, was gibt es halt in Hamburg. Haben dann auch festgestellt, so viele Konditoreien, Patisserien gibt es hier oben nicht und haben dann gesagt: okay, dann sind wir ganz mutig und starten halt hier oben in einer Stadt, die wir halt immer nur von der Freizeit her kannten.
Bereits ein Jahr nach der Eröffnung weiß das Ehepaar aus dem Ahrtal, dass es eine gute Entscheidung war. Hier in der Patisserie fühlen sich ihre Eltern Johanna ganz nah.
Wir merken einfach, dass uns das hier gut tut. Diese Traueranfälle, die man bekommt von Zeit zu Zeit, sind eben hier eher so auszuhalten, weil wir hier sehr nah bei Johanna sind. Und wir sind auch fest der Meinung, dass Johanna das alles von oben beobachtet, die Fäden in der Hand hat und die Dinge auch in unserem Sinne mitsteuert. Und insofern ist es für uns ein ganz wichtiger Weg, mit dieser sehr, sehr schwierigen Situation in unserem Leben umzugehen.
Heute, vier Jahre nach der Flutkatastrophe, ringt Johannas Familie noch immer damit, dass ihre Tochter sterben musste. Die Patisserie ist ihr Weg, mit diesem Schicksal weiterzuleben. Heute wäre Johanna 26 Jahre alt.