Für unser Treffen in der Justizvollzugsanstalt Sehnde östlich von Hannover hatte mir Christian B. persönlich nach unserem Briefwechsel eine Besuchserlaubnis geschickt. Nach gründlicher Durchsuchung werde ich zusammen mit den Angehörigen anderer Häftlinge in einen Besuchsraum geführt, wo mich der prominente Häftling begrüßt.
„Christian B. wirkte intelligent, auf mich vielleicht auch etwas distanziert und ich glaube, er hat sich sehr gut auf unser Gespräch vorbereitet. Er wusste genau, was er sagen wollte und vor allem was nicht.“
Wegen Vergewaltigung einer älteren Frau an der portugiesischen Algarve sitzt Christian B. eine siebenjährige Haftstrafe ab. Im Oktober vergangenen Jahres wurde er wegen drei weiterer Vergewaltigungsfälle und Kindesmissbrauchs freigesprochen. Der Hauptverdächtige im Fall Madeleine McCann, hatte abgesehen von seinen Verteidigern, noch keinen Besuch im Gefängnis. Er meidet den Kontakt zu anderen Häftlingen aus gutem Grund, wie er mir in einem Brief schreibt.
„Ich bin zum ersten Mal während meiner gesamten langjährigen Haftzeit von einem Mitgefangenen tätlich angegriffen worden. Dabei wurde mir wenigstens eine Rippe angebrochen. Als einzige Sicherungsmaßnahme bleibt mir deshalb wirklich, für 24 Stunden täglich in der Gefängniszelle zu bleiben, keinen Schritt heraus zu machen, also auch nicht, um Mahlzeiten zu holen.“
Christian B. liest sehr viel, sieht fern und er zeichnet in seiner Einzelzelle.
„Christian B. hat keinerlei Freunde hier in der Justizvollzugsanstalt, aber auch keine Freunde außerhalb. Er sagte mir, dass er sogar in den letzten Jahren seine Mimik verloren habe, da hat er so eine Bewegung gemacht, weil er so wenig spreche. Maximal drei bis zehn Worte am Tag.“
Christian B. bestreitet die Vergewaltigung einer älteren Frau an der Algarve, obwohl er nach einem DNA-Beweis rechtskräftig verurteilt wurde. In einem weiteren Brief an mich beteuert er seine Unschuld.
„Wie ich Ihnen mitteilte, ist mir natürlich der Umstand am wichtigsten, dass ich seit vielen Jahren für etwas in Haft bin, das ich gar nicht begangen haben kann und das mich deshalb durch Mitwirken der Medien die halbe Welt für einen grausamen Vergewaltiger hält.“
„Christian B. machte auf mich einen recht selbstsicheren Eindruck. Er wirkte abgeklärt, sprach mit leicht fränkischem Akzent, und ich hatte das Gefühl, da sitzt ein Mann vor mir, der sich keinerlei Schuld bewusst ist.“
Staatsanwalt Hans Christian Wolters verdächtigt Christian B., Madeleine McCann entführt und ermordet zu haben, und ein Gerichtsgutachter beschreibt ihn als Psychopathen mit pädophilen Neigungen. Zum Fall Maddie hatte ich Christian B. vor meinem Besuch einen Brief mit mehreren Fragen geschickt, die er bei unserem Treffen aber nicht beantworten will.
„Gleich zu Beginn des Gesprächs hat Christian B. mir gegenüber klargemacht, dass er sich zum Fall Madeleine McCann nicht äußern wolle. Das habe er so mit seinen Anwälten vereinbart.“
Inzwischen hat Christian B. mithilfe seines Verteidigers eine vorzeitige Entlassung beantragt. Darüber entscheidet demnächst ein Richter.
„Christian B. rechnet nicht damit, schon bald freigelassen zu werden. Aber sollte es so weit kommen, müsste er natürlich untertauchen. Er sei ja bekannt wie ein bunter Hund, sagte er mir in der Justizvollzugsanstalt. Und er freue sich am allermeisten auf ein ordentliches Steak mit einem Bier.“
Spätestens im September wird er seine Haftstrafe wegen Vergewaltigung abgesessen haben. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig muss bis dahin eine Anklage in Sachen Madeleine McCann erhoben haben. Sonst ist Christian B. ein freier Mann.