Toxisch bis in alle Ewigkeit Nicht etwa Tschernobyl oder Fukushima: Liegt der giftigste Ort der Welt mitten in Deutschland?

Untertagedeponie Herfa-Neurode in Hessen
In der Untertagedeponie Herfa-Neurode in Hessen werden hochgiftige Stoffe gelagert. Für viele gilt die Deponie deshalb als giftigster Ort der Welt.
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Kann dieser Ort die ganze Menschheit vergiften?
Tschernobyl, Fukushima, der Citarum Fluss – diese Namen kommen vielen in den Sinn, wenn sie an verseuchte Orte auf der Welt denken. Doch der weltweit giftigste Ort soll tatsächlich mitten in Deutschland liegen: in der Untertagedeponie in Herfa-Neurode.

Ghana, Ukraine, Deutschland - wo liegt denn nun der giftigste Ort der Welt?

Vorab: Welcher Ort auf der Welt tatsächlich am verseuchtesten ist, ist wissenschaftlich nicht geklärt. Der Umweltgiftreport der Schweizer Stiftung Green Cross veröffentlichte in der Vergangenheit regelmäßig eine Top 10 der giftigsten Orte weltweit, erschien das letzte Mal jedoch 2013.

Damals führte die Elektroschrott-Deponie Agbogbloshie in Ghana den ersten Platz an, gefolgt von Tschernobyl, wo es 1986 zu einem Reaktorunglück kam und dem Citarum Fluss in Indonesien auf Platz Drei. Das Gewässer gilt als der weltweit dreckigste Fluss, hier landen jährlich Tausende Tonnen Giftmüll aus der Textilindustrie.

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Dreck, Gift und Müll ohne Maßen, doch Deutschland wird in dem Zusammenhang 2013 nicht genannt. Dabei existiert die Untertagedeponie Herfa-Neurode in Osthessen bereits seit 1972. Einst baute das Bergbauunternehmen K+S hier Salz ab, die stillgelegten Grubenfelder werden nun für Giftstoffe aller Art genutzt.

Wie gefährlich sind die Giftstoffe in Herfa-Neurode wirklich?

In der Deponie lagern Tonnen von dioxin- und furinhaltigen Abfällen, quecksilber- und cyanidhaltiger Müll und arsenhaltiger Giftmüll. Die Stoffe entstehen bei der Herstellung von Ölen und Lacken, bei der Aushärtung von Metallen oder beim Verbrennen von Altholz, wie es unter anderem auf der Webseite des Umweltbundesamtes heißt. Die meisten der Stoffe können Krebs verursachen, Quecksilber wirkt sich außerdem auf das zentrale Nerven- und Immunsystem aus.

Besonders gefährlich sind vor allem die arsenhaltigen Abfälle. Kommt es zu einer akuten Arsenvergiftung, zum Beispiel bei einem Arbeitsunfall in der Industrie, wirkt das Schwermetall innerhalb von Stunden tödlich, warnt auch das Bundesinstitut für Risikobewertung.

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Eines fällt jedoch auf: Atommüll lagert hier nicht. Die Salz-, Ton- und Erdschichten in Herfa-Neurode sind laut K+S zwar super geeignet, um den Sondermüll für mindestens 10.000 Jahre einzuschließen. In den Annahme- und Anlieferungsbedingungen der Deponie steht jedoch ausdrücklich, dass Atommüll sowie explosive Stoffe oder auch infektiöse Abfälle hier nichts verloren haben.

„Wir sprechen nicht vom giftigsten oder gefährlichsten Ort“

Blick auf das Fördergerüst auf der Untertage-Deponie Herfa-Neurode. Die Untertage-Giftmülldeponie von K+S Mineral- und Agriculture AG am Standort Heringen ist nach eigenen Angaben die größte und älteste Deponie für gefährliche Abfälle. (Luftaufnahme mit einer Drohne).
In Herfa-Neurode wurde einst Salz abgebaut. Nun nutzt K+S die alten Stollen für die Einlagerung von Sondermüll
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Schätzungen zufolge lagern so zwischen 3,2 und 3,5 Millionen Tonnen Sondermüll in Herfa-Neurode, was die Deponie zur größten Giftmülldeponie der Welt macht. In einem Bericht der ARD heißt es 2023 sogar, dass es sich daher um den „womöglich giftigsten Ort der Welt“ handele.

Allein die Menge an Arsen, die hier gelagert werde, solle angeblich ausreichen, um die ganze Menschheit zu vergiften.

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Bestätigt ist beides bisher nicht. Der Leiter der Untertagedeponie, Arnd Schneider, sagte der ARD damals: „Wir sprechen nicht vom giftigsten oder gefährlichsten Ort, sondern wir sprechen von gefährlichen Abfällen.“ Vor denen müsse man natürlich Respekt haben, beim Umgang und auch bei der Einlagerung.

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Wie sicher ist die Einlagerung in Herfa-Neurode?

K+S schreibt, dass der Sondermüll sicher eingelagert sei und erklärt auf seiner Webseite detailgenau, wie die verschiedenen Stoffe eingelagert und geprüft werden. Ist ein Einlagerungsbereich zum Beispiel voll, wird er nochmal extra mit Dämmen und Mauern verschlossen.

Trotzdem gibt es keine hundertprozentige Sicherheit. Der Geologe Marcos Buser sagt in einem aktuellen Bericht des YouTube-Kanals Simplicissimus, dass niemand genau wisse, wie sich der Berg und seine Schächte in Zukunft bewegen werden und was das für den Müll bedeute. Und auch Klaus Reinhardt, Vorsitzender der Bürgerinitiative Für ein lebenswertes Werratal wird im ARD-Interview deutlich: „Auch bei allen Sicherheitskonzepten, die dort festgeschrieben sind, gibt es keine hundertprozentige Sicherheit.“

Ob die Deponie nun der giftigste Ort der Welt ist, können wir also nicht mit Sicherheit sagen. Aber eines steht fest: Giftig genug ist sie allemal. (jbü)