„Das, was hier niedergeschrieben wurde, holt kein Kind aus der Armut"
Hilft die Kindergrundsicherung armen Kindern WIRKLICH?
Am Ende ist es eine Light-Version...
Der Streit um die Kindergrundsicherung hat in der Ampel-Regierung viel Porzellan zerdeppert und unterm Strich steht ein Konstrukt, das sogar hinter den Erwartungen der Familienministerin, aber vor allem vieler Familien zurückbleibt. Wird sie armen Kindern dennoch helfen?
Lese-Tipp:Kindergrundsicherung statt Kindergeld: Damit können Familien jetzt rechnen!
Kindergrundsicherung "nicht in dem Maße ausgefallen, wie wir uns das erhofft hätten"
Es ist gut, dass es einfacher gemacht werden soll, die Förderungen auch abzurufen, die es gibt. Das sagen Experten und Praktiker. Aber sie sagen auch: Es hätte mehr Geld geben müssen.
Tobias Lucht arbeitet in der Arche in Hamburg-Jenfeld. Jeden Tag kommen zwischen 100 und 120 Kinder in seine Einrichtung. Er kennt die finanziellen Sorgen der Familien, weiß, dass das Geld bei manchen nicht für genug Lebensmittel reicht oder für den Schulunterricht, „geschweige denn für den Musikunterricht oder den Sportverein“, wie er im RTL-Interview erzählt.
„Grundsätzlich finden wir es in der Arche gut, dass durch die Kindergrundsicherung Hilfen gebündelt werden sollen und es für Eltern einfacher werden soll, Unterstützung zu bekommen. Was uns natürlich ein bisschen enttäuscht hat, ist, dass die Kindergrundsicherung jetzt nicht in dem Maße ausgefallen ist, wie wir uns das erhofft hätten. Und wir hätten uns auch gewünscht, dass ein großer Teil auch in die Bildung, in die Förderung von Kindern gelangt,“ sagt er.
Wie denken Sie über die Einigung zur Kindergrundsicherung?
Hinweis: Das Ergebnis der Umfrage ist nicht repräsentativ.
"Die Wahrheit ist am Ende immer im Portemonnaie. Und da ist nicht mehr drin“
Sarah Menne, Expertin für Familienpolitik bei der Bertelsmann-Stiftung begrüßt, dass die Leistungen vereinheitlicht werden und der Staat nun „auch in die Bringschuld kommt“, bezweifelt aber, dass das jetzt der große Wurf ist. „Es muss das Ziel sein, dass die Kindergrundsicherung wirklich alle Kinder und Jugendliche in der ihnen zustehenden Höhe erreicht. Nicht nur die 50 Prozent Inanspruchnahme, die jetzt im Gespräch sind. Und da kann eben diese Vereinfachung eigentlich einen guten Beitrag leisten.“
Sie findet es richtig, dass der Bedarf von Kindern, also ihr Existenzminimum neu berechnet werden soll. „Gut ist, dass schon angelegt ist, das Existenzminimum für Kinder neu zu bestimmen. Und dass dieses Existenzminimum auch die Grundlage ist für die genannten Leistungen, den Garantiebetrag und den Zusatzbeitrag.“ Aber sie mahnt: „Wir müssen bei der Berechnung des Existenzminimums wirklich schauen: Was brauchen Kinder und Jugendliche, um in unserem Land gut aufwachsen zu können, gute Chancen auf Bildung und auf gesellschaftliche Teilhabe zu haben? Dazu müssen wir sie selbst fragen, denn diese Daten haben wir in Deutschland noch nicht. Wir fragen immer nur die Erwachsenen.“
Enttäuscht äußert sich Ulrich Schneider vom paritätischen Wohlfahrtsverband im RTL-Interview: „Das, was hier niedergeschrieben wurde, holt kein Kind aus der Armut. Die Wahrheit ist am Ende immer im Portemonnaie. Und da ist nicht mehr drin.“
Arche fordert Kindergrundsicherung von 600 Euro pro Kind
Auch Famililenministerin Lisa Paus wollte mehr Geld für die Kindergrundsicherung - doch der Finanzminister bremst, nach monatelangem Streit einigen sie sich auf zunächst 2,4 Milliarden Euro zusätzlich. Wobei Paus davon ausgeht, dass es schnell mehr werden könnte, wenn die Leistungen eben auch ankommen: „Wenn wir zum Beispiel mal eine Steigerung von 10 Prozent uns vorstellen bis 2028 , dann liegen sie bei 6 Milliarden Euro.“ Der Finanzminister rechnet anders, Christian Lindner sagt: „Weil ich mir von den Erwerbsanreizen, die wir gesetzt haben, doch viel verspreche. Dass möglicherweise Menschen weniger dauerhaft überhaupt diese Leistungen in Anspruch nehmen.“
Und was wünscht man sich in der Praxis konkret? „Wir als Arche sagen, dass eigentlich jedes Kind eine Kindergrundsicherung von um die 600 Euro nötig hat, um wirklich verglichen auch mit Kindern, denen es besser geht und die in einem anderen Umfeld aufwachsen, mithalten zu können.“ Die eine Hälfte sollten direkt in die Familien fließen, die andere Hälfte sollte in Bildungseinrichtungen und in ganz konkrete Fördermaßnahmen für die Kinder münden, sagt Tobias Lurch. „Und das wäre dann schon so ein Mindestmaß an dem, was wir uns wünschen, damit Kinder wirklich auch in der Schule wieder mitkommen, damit sie ihre Talente, ihre Hobbys entdecken können und einfach nicht das Gefühl haben, immer hintenan zu stehen.“
Politik & Wirtschaftsnews, Service und Interviews finden Sie hier in der Videoplaylist
Spannende Dokus und mehr
Sie lieben spannende Dokumentationen und Hintergrund-Reportagen? Dann sind Sie auf RTL+ genau richtig: Sehen Sie die Geschichte von Alexej Nawalny vom Giftanschlag bis zur Verhaftung in „Nawalny“.
Oder: Die Umstände des mysteriösen Tods von Politiker Uwe Barschel werfen auch heute noch Fragen auf. Sehen Sie auf RTL+ die vierteilige Doku-Serie „Barschel – Der rätselhafte Tod eines Spitzenpolitikers“.
Wie läuft es hinter den Kulissen von BILD? Antworten dazu gibt es in der spannenden Doku „Die Bild-Geschichte: Die geheimen Archive von Ex-Chef Kai Diekmann.“ Er hat Politiker kennengelernt, Skandale veröffentlicht und Kampagnen organisiert. Die Doku wirft einen kritischen Blick auf seine BILD-Vergangenheit.