„Hätte man sich auch sparen können“Das Comeback aus der Hölle! „Victoria's Secret“ ist zurück auf dem Laufsteg!

Bis 2018 war die „Victoria’s Secret”-Fashion-Show jedes Jahr ein großes TV-Ereignis – danach wurde die Show eingestellt.
Bis 2018 war die „Victoria’s Secret”-Fashion-Show jedes Jahr ein großes TV-Ereignis – danach wurde die Show eingestellt.
ActionPress

Engel, die in der Hölle waren – und nun sollen sie alle wieder im Himmel schweben?
Das zumindest war der Plan. Bereits 2023 kündigte das Dessous-Label „Victoria's Secret“ die Rückkehr seiner legendären Runway-Show an – gestern (15. Oktober) war es dann so weit. Diese hatte zuletzt im Jahr 2018 stattgefunden und war danach in eine mehrjährige Pause gegangen, nachdem das Unternehmen heftige Kritik einstecken musste. Mit sexueller Belästigung und Mobbing soll angeblich Schluss sein. Aber haben die Macher ihr Versprechen auch gehalten? Ein Kommentar.

SO war mein erstes Mal bei „Victoria's Secret“

2023 hatte „Victoria's Secret“ nach einem Rebranding und einer Ausrichtung auf mehr Vielfalt als Neuauflage die „Victoria's Secret World Tour“ in Form eines Films, den es bei Prime Video zu sehen gibt, präsentiert. Aus dem Film wurde Realität und das Dessous-Label brachte seine Show wieder zurück auf den Laufsteg. Wie ich das finde? Um ehrlich zu sein: Ich weiß es noch nicht so recht. Ich vergebe gerne zweite Chancen. Menschen sind nicht fehlerfrei. Unternehmen sind nicht fehlerfrei. Stars sind nicht fehlerfrei. Aber irgendwie finde ich, dass zu viel passiert ist, als dass die Marke jetzt – sechs Jahre später – wieder „alles gut machen kann.“

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Es gab eine Zeit, da war es für viele Models DIE Krönung ihrer Karriere, einmal als „Engel“ für die Unterwäschemarke „Victoria's Secret“ über den Laufsteg zu schweben. Und für viele junge Frauen war es das größte, mal am Flughafen einen Slip kaufen zu können oder gar in einem Laden zu sein. Mein erstes Mal bei „Victoria’s Secret“ war in London. Meine Augen haben geleuchtet, als ich in den Laden ging. Ich schaute mir alles in Ruhe an, doch irgendwie verschwand der Zauber von Minute zu Minute mehr. Alles saß viel zu knapp, war viel zu teuer, viel zu sexy. „Wo zur Hölle sollte ich das denn tragen?“, fragte ich mich damals. Wie sollte ich bitte acht Stunden in der Schule sitzen, mit einem Streifen im Po? Sorry, aber das war mir alles zu doof. Ich verließ den Laden und ging tatsächlich nie wieder in einen rein. Was ich zu der Zeit nicht wusste: Die Marke hatte noch viel mehr Dreck am Stecken, als ich dachte ...

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Runway Show „wird noch ikonischer“

Mit einem kurzen Clip auf Instagram, in dem Ex-„Angel“ Candice Swanepoel zu sehen ist, kündigte „Victoria's Secret“ das Comeback an: „Wir haben die Kommentare gelesen und euch gehört. Die 'Victoria's Secret'-Fashion Show ist zurück und wird widerspiegeln, wer wir heute sind – plus allem, was ihr kennt und liebt. Glamour, Laufsteg, Flügel, musikalische Unterhaltung und mehr. Bleibt gespannt ... es wird von jetzt an nur noch ikonischer.“

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Aber war es wirklich so „ikonisch”? Hat „Victoria’s Secret” sein Versprechen gehalten? Meiner Meinung nach war es dieselbe Show, mit drei neuen Figuren, Models aus den Neunzigern und Cher.

Mehr Schein als Sein!

Warum laufen plötzlich doch Models wie Kate Moss, Carla Bruni und Tyra Banks? Einige von ihnen sind vorher NIE gelaufen. Dabei waren sie in den Neunzigern die gefragtesten Models der Welt. Meine Antwort? Marketing! Versace hat diesen Trend ins Leben gerufen, seither laufen Heidi Klum, Naomi Campbell, Claudia Schiffer, Kate Moss, Tyra Banks und Co. gefühlt überall. Und was ist mit Körperdiversität? Die wurde an – sage und schreibe – drei Models präsentiert: Jill Kortleve, Paloma Elsesser und Ashley Graham. Soll ich euch mal was sagen? Das sind auch die einzigen drei Plus-Size-Models, die in der Fashionbranche bekannt sind. Die Unterwäsche ist dieselbe. Und auch an den Flügeln wurde gespart. Für die Brand war, ist und wird es ein Kampf sein, sich wieder nach oben zu kämpfen. Kein Wunder, bei den Fakten, die im Raum stehen.

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„Victoria's Secret“ stehe für eine „tief verwurzelte Kultur voller Frauenfeindlichkeit, Mobbing und Belästigung“

Eine Recherche der New York Times hatte zahlreiche Vorwürfe gegenüber Verantwortlichen der Firma aufgeworfen. „Victoria's Secret“ stehe für eine „tief verwurzelte Kultur voller Frauenfeindlichkeit, Mobbing und Belästigung“, hieß es in dem Bericht, für den das Team der New York Times damals mit mehr als 30 Models und ehemaligen Führungskräften, Angestellten sowie Auftragnehmern des Unternehmens gesprochen und Gerichtsunterlagen ausgewertet hatte.

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Vor allem zwei Männer an der Spitze des Unternehmens standen im Fokus der Berichterstattung: Leslie Wexner, Gründer und CEO von L-Brands, der Muttergesellschaft von „Victoria's Secret“. Und auch sein enger Vertrauter Ed Razek, der jahrzehntelang als Marketingchef fungierte und intern als nahezu unantastbar galt, geriet ins Visier. Wexner hatte „Victoria's Secret“ im Jahr 1982 für eine Million US-Dollar erworben und zu einer Weltmarke aufgebaut. Brisant wurde es, als bekannt wurde, dass der Firmenchef in engem Kontakt mit dem New Yorker Investor Jeffrey Epstein stand. Und genau dieser Epstein wurde beschuldigt, zahlreiche Minderjährige sexuell missbraucht zu haben. Doch damit nicht genug.

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„Wie ein Casting-Aufruf zur Prostitution“

Der Bericht der New York Times zitiert außerdem eine Aussage einer Frau, die in einer Anhörung vor dem Bundesgericht im Fall Epstein verlesen wurde: „Ich hatte mein ganzes Erspartes für Dessous von ‘Victoria's Secret’ ausgegeben, um mein Vorsprechen vorzubereiten.“ Doch am Ende fühlte sich dieses vermeintliche Vorsprechen „wie ein Casting-Aufruf zur Prostitution“ an. Die Frau fühlte sich „wie in der Hölle.“

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Und auch der ehemalige Marketingchef Ed Razek schien enorm viel Dreck am Stecken zu haben. So gingen bei der Personalabteilung damals wohl mehrere Beschwerden von Models und Mitarbeiterinnen ein. Alyssa Miller, die mehrfach für „Victoria's Secret“ gemodelt hat, beschrieb Razek als jemanden, der eine „toxische Männlichkeit“ ausstrahlte. Außerdem soll er, laut New York Times-Recherchen, immer wieder Models in Unterwäsche bei Castings nach ihrer Telefonnummer gefragt und sie gebeten haben, sich auf seinen Schoß zu setzen. Und trotzdem durfte dieser Mann bis 2019 (!) bleiben.

Es gibt Dinge, die kann und DARF man nicht verzeihen

Geändert hat sich seither nicht viel. Offensichtlich nicht. Denn: Wirft man einen Blick hinter die Kulissen, wird einem klar: Der CEO ist ein Mann. Der Creative Director ebenfalls. Ich möchte damit nicht sagen, dass man jetzt eine, zwei oder drei Frauen da oben hinsetzten sollte, aber warum muss ein Mann solch einen Konzern leiten? Warum soll ein Mann die Unterwäsche, das Konzept, die Werbung und den Social-Media-Auftritt einer Unterwäschemarke für Frauen (!) designen und verantworten?

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Ich sage es noch mal: Ich bin für zweite Chancen, aber einige Dinge kann man einfach nicht vergeben. Zu groß ist der Markt mit cooleren, zeitgemäßeren und nachhaltigeren Labels. Am Ende des Tages ist es für mich so: Die Marke wurde – vor allem über Social Media – gepusht, es wurden ein paar Curvy-Models gebucht, Cher hat (Playback) als vermeintliche Feministin performt und alle haben in die Hände geklatscht. Doch die Realität ist eine andere: Dieser komische, unbequeme Streifen steckt immer noch im Hintern, an der Unterwäsche steckt immer noch Dreck und die Models werden viel zu krass bezahlt, als dass sie uns die Wahrheit sagen würden. Hätte man sich auch sparen können. (mit spot on news)