„Klare Verbrauchertäuschung”

Schimmliger Käse, Pfusch am Haltbarkeitsdatum – wie frisch ist die Frischetheke bei Kaufland wirklich?

Wie alt darf „frisch“ sein?
Schimmliger Käse wandert teils zurechtgeschnitten zurück in die Auslage, abgelaufene Lebensmittel landen mitunter mit neuem Haltbarkeitsdatum in der Selbstbedienungstheke. Was wird ahnungslosen Kundinnen und Kunden in einer Kaufland-Filiale in Bad Tölz täglich verkauft?

Neues Haltbarkeitsdatum ja, Rabatt nein?

„Team Wallraff”-Reporterin Silan recherchiert am 30. September 2024 undercover in der Kaufland-Filiale, wird für die Frischetheke eingeteilt. Hier soll sie nach Anweisung einer Kollegin eingelegte Paprika, deren Mindesthaltbarkeitsdatum an diesem Tag abläuft, in kleine Schälchen abfüllen. So landen sie in der Selbstbedienungstheke. Das Problem dabei: Silan soll ein neues Etikett draufkleben, auf dem nun der 4. Oktober angegeben ist. Der Preis bleibt derselbe.

Das hier ist eine Täuschung am Verbraucher“, so die klare Einschätzung von Lebensmittelkontrolleur Bernd Stumm. „Man kann sie verkaufen. Aber mit dem Hinweis zu sagen: ‚Hier, abgelaufene Ware kriegst du zum halben Preis‘”.

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Wie lang bleibt leicht Verderbliches hier im Verkauf?

An einem anderen Tag erlebt Silan eine ähnliche Situation: Auf einem Garnelen-Kürbissalat – leicht verderbliche Ware – steht kein Mindesthaltbarkeits-, sondern ein Verbrauchsdatum. Das heißt in diesem Fall: Er muss noch am selben Tag verkauft werden, sonst muss er entsorgt werden. Doch Silans Kollegin Erika* sagt zu ihr: „Du weißt von nichts und legst es obendrauf. Und dann tust du das Ältere so vermischen.“ Der alte Meeresfrüchte-Salat soll also unter den frischen gerührt werden.

Als Silan sich vergewissern will, ob das wirklich richtig sei, lenkt Erika ein: „Du kannst es auch so machen: Du tust vorne das neue hin, hinten das ältere und sagst uns Bescheid. Aber für ein bisschen tun wir nicht viel rum.” Silan hat den Eindruck: Ohne ihre Nachfrage hätte niemand mehr nachvollziehen können, wie lange der Garnelensalat tatsächlich in der Theke verbleibt und an die Kundinnen und Kunden verkauft wird.

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Schimmliger Käse zurechtgeschnitten und weiterverkauft

An zwei weiteren Tagen wird Silan Zeugin eines Vorgehens, das auf sie eklig und unverantwortlich wirkt: An einem Bio-Bockshornkleekäse findet eine Kollegin grünlichen Schimmel. Die betroffenen Stellen schneidet sie grob ab, den Rest in kleinere Stücke – für die Selbstbedienungstheke.

Ein anderes Mal soll Silan einen Orangen-Pfeffer-Käse, dessen Mindesthaltbarkeitsdatum schon am 30. September, also vor drei Tagen, abgelaufen ist und der ebenfalls schimmelt, in Scheiben schneiden. Der Käse bekommt für den Verkauf in der Selbstbedienungstheke ein neues Mindesthaltbarkeitsdatum: den 10. Oktober.

Silan fragt ihre Kollegin: „Wir müssen das so machen? Wer sagt das denn?“ – „Vorschriften“, so ihre Antwort. Würden sie es nicht tun, gebe es Ärger, erklärt sie.

Auch bei der Wurst beobachtet Silan, wie getrickst zu werden scheint. Es ist der 2. Oktober. Eine Kollegin sortiert einen Schinken in der Frischetheke ein, dessen Mindesthaltbarkeitsdatum bereits am 30. September abgelaufen ist. Das Vorgehen scheint ihr selbst nicht zu behagen, doch offenbar fühlt sie sich dazu verpflichtet: „Das sind die Sachen, die ich halt nicht verstehe“, sagt sie zu Silan. „Bin halt das unterste Tier. Und so wandert es einfach in die Theke und irgendwer kauft es dann abgelaufen.”

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Verbrauchertäuschung mit System?

Team Wallraff zeigt diese Aufnahmen Dr. Britta Schautz, Lebensmittel-Expertin bei der Verbraucherzentrale in Berlin. Ihre klare Meinung: „Schimmel abzuschneiden bringt nichts. Es kann sein, dass durch den ganzen Käse schon ein Geflecht gewachsen ist. Und das kann gesundheitsgefährdend sein.“

Für Bernd Stumm handelt es sich auch hier um eine „klare Verbrauchertäuschung“. Die kein Einzelfall zu sein scheint, wie eine anonyme Informantin, die bei Kaufland arbeitet, Team Wallraff berichtet: „Das kommt leider fast täglich vor, dass abgelaufene Ware verkauft wird. Gerade an der Frischetheke, da fällt es am wenigsten auf.“ Auch bei Fisch sei das so: „Es ist so gefährlich. Da kann so viel passieren, wenn ich abgelaufenen Fisch verkaufe.”

Team Wallraff hat Kaufland um Stellungnahme gebeten. Die Antwort:

„Zu Ihren Hinweisen (...) versichern wir Ihnen, dass im Umgang mit offenen Lebensmitteln Sauberkeit und Hygiene sowie eine einwandfreie Produktqualität oberste Priorität haben. Ihre Darstellungen zum Umgang mit Ware in der Theke entsprechen definitiv nicht unseren Vorgaben. Wir haben Ihre Fragen daher zum Anlass genommen, die Umsetzung unserer Prozesse in Bad Tölz auf den Prüfstand zu stellen und sehr kritisch zu hinterfragen. Die Untersuchungen dazu dauern noch an.“

Video-Playlist zu „Team Wallraff”

„Team Wallraff – Reporter undercover“ auf RTL+

Die ganze Reportage von „Team Wallraff – Reporter undercover“, die am Donnerstag um 20.15 Uhr bei RTL lief, könnt ihr ab sofort auf RTL+ nachholen und online streamen. (rka)

*Name redaktionell geändert