„Kann man nicht mehr von Einzelfällen sprechen”

Schimmel in Kaufland-Kühlregalen! Mehr als 80 Prozent der getesteten Filialen betroffen

Tropfende Kühltheken, vereiste Kühlschränke und Schimmel in den Regalen.
Alles nur Einzelfälle in ganz wenigen Märkten? Um das zu überprüfen, hat Team Wallraff in 50 Kaufland-Filialen in ganz Deutschland recherchiert. Worauf die Reporter dabei stoßen, wirkt allerdings nicht wie seltene Einzelfälle: Denn Schimmel in Kühltheken finden sie in mehr als 80 Prozent der getesteten Filialen!

Es tropft bei Kaufland!

Beschlagene Scheiben, Pfützen vor den Kühltheken und Bänder, die das Wasser davor auffangen sollen: Was „Team Wallraff”-Reporterin Lina in der Kaufland-Filiale in Homburg im Saarland beobachtet, macht auf sie zwar einen unhygienischen Eindruck, könnte auf den ersten Blick aber eine Ausnahme sein. Schließlich ist der Markt, in dem sie undercover Hinweisen nachgeht, eine der älteren und sanierungsbedürftigen Kaufland-Filialen.

„Die Kühlmöbel sind so alt…”, berichtet auch der Chef der Filiale in Homburg. „Diese Truhen und auch bei Tiefkühl, die fallen alle zwei, drei Wochen aus. Und oftmals nimmt die Ware sogar Schaden. Also das muss wirklich gemacht werden”, so seine Einschätzung. Wird hier übermäßig gespart, obwohl Kaufland zum Unternehmen des aktuell reichsten Deutschen gehört?

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Pfützen, Auffangbänder und beschlagene Scheiben in Kaufland-Märkten

Bei ihrer Recherche waren die „Team Wallraff”-Reporter in 50 Kaufland-Filialen in zwölf Bundesländern unterwegs. Immer wieder stießen sie dabei auf gelb-schwarze Aufnahmebänder für Wasser, stark beschlagene Scheiben bei Kühltruhen oder Wasserpfützen auf den Böden. Das können Anzeichen für marode Kühl- und Gefriertheken sein.

Allein in 20 von 50 Filialen, in denen unsere Reporter unterwegs waren, konnten sie Auffangbänder für Wasser dokumentieren. Team Wallraff zeigt die Aufnahmen Dr. Britta Schautz von der Verbraucherzentrale. Die Expertin erklärt: „Es ist nicht die Regel, dass dort Auffangbehälter stehen oder diese Auffangbänder. Da sieht man schon, da läuft etwas schief.

Das Problem: Fließt Wasser aus verstopften, nicht gereinigten Leitungen der Kühltruhen, können sich Wasserpfützen bilden. Diese können auch eine Quelle für gesundheitsgefährdende Keime werden. Zudem herrscht durch die Pfützen eine größere Rutschgefahr.

Winter Wonderland in Kaufland-Kühltruhen

Doch es kommt noch krasser: Nicht nur VOR, sondern auch IN den Kühltruhen geht offenbar teilweise nicht alles mit rechten Dingen zu. Hier türmen sich zum Teil sogar Eiszapfen.

Dr. Britta Schautz sagt hierzu: „Solche Eisbrocken sind erst mal nur ein Anzeichen für Temperaturschwankungen und für Probleme mit dieser Kühltheke, aber gerade diese Eiskristalle, die können Verpackungen beschädigen und können dafür sorgen, dass Keime oder anderes in das Lebensmittel eindringen können. Genau deshalb ist das immer ein Warnzeichen. Und natürlich: Eis auf einem tiefgefrorenen Lebensmittel können auch immer die Qualität vermindern, das schmeckt dann auch nicht mehr so gut.”

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Expertin rät: Darauf sollten Kunden achten!

Schautz rät darum beim Einkauf: „Ich würde als Kunde immer darauf achten, ist da etwas beschlagen, ist da Eis in diesen Truhen? [...] Das kann immer einen Einfluss auf das Lebensmittel haben. Dann ist es wirklich wichtig zu schauen: Ist die Verpackung meines Lebensmittels noch intakt?”

Bei Plastikverpackungen komme das Lebensmittel wahrscheinlich nicht mit dem Schimmel in Kontakt, erklärt die Expertin der Verbraucherzentrale. Gerade Pappverpackungen können allerdings durch die Feuchtigkeit durchweichen und der Schimmel könne auf das Lebensmittel übergehen. „Da wäre ich immer ganz ganz vorsichtig.”

Um herauszufinden, ob tiefgefrorene Lebensmittel schon einmal angetaut waren, rät Schautz zum Schütteltest: „Gerade wenn es so stückige Ware ist, kann ich relativ schnell durch Schütteln herausfinden, ob sie angetaut war oder nicht. Wenn ich das Lebensmittel schüttele und es ein klapperndes Geräusch gibt von vielen kleinen Einzelteilen, dann war es wahrscheinlich nicht angetaut. Wenn aber so ein großer Klotz vorhanden ist, dann war es wahrscheinlich einmal angetaut.”

Was sagt Kaufland zu den offenbar kaputten Kühltheken?

„Die von Ihnen bemängelten Kühlmöbel sind zum überwiegenden Teil noch Altgeräte, die im Rahmen umfangreicher Investitionen nach und nach ausgetauscht werden. Beschlagene Scheiben sowie austretendes Kondenswasser haben keine Auswirkungen auf die Funktion der Geräte. Das stellen wir durch tägliche protokollierte Temperaturkontrollen in allen Filialen sicher. Ergänzend zu laufenden und anlassbezogenen Reinigungen lassen wir unsere Kühlmöbel zwei Mal im Jahr umfangreich warten.”

Wie sehr schimmelt es in der Kaufland-Filiale in Bad Tölz?

Doch es scheint nicht nur bei älteren Geräten Probleme bei der Hygiene zu geben. Undercover-Reporterin Silan geht Hinweisen in einer Kaufland-Filiale in Bad Tölz in Bayern nach. Die Filiale wurde erst vor einem Jahr nach umfangreichen Renovierungsarbeiten wiedereröffnet. Eigentlich sollte also alles tipptopp sein. Eigentlich, denn was Silan bereits an ihrem ersten Tag bemerkt: Viele Flächen in den Regalen sind sehr dreckig, in einigen blüht sogar der Schimmel.

Silan weist den Abteilungsleiter auf eine schimmelige Stelle in einem Regal hin und er lässt eine Reinigungskraft ausrufen. Das Problem: Für die gesamte Filiale von 3.800 Quadratmetern Verkaufsfläche soll es von 8 bis 18 Uhr nur eine Putzkraft geben – und die ist laut eigener Aussage eigentlich nur für die Toiletten und Böden zuständig. Alles andere, sagt sie, soll sie nur auf Anweisung putzen. Wie also sollen hier alle Regale und Kühltheken sauber gehalten werden?

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Wird in Bad Tölz an Sauberkeit und Hygiene gespart?

Weil die Reinigungskraft gerade in Pause ist, packt der Abteilungsleiter kurzerhand selbst an und wischt den Schimmel mit einem Papiertuch weg. Anscheinend gerade ohne entsprechendes Reinigungsmittel. Ob das so reicht?

Wie Silan in den nächsten Tagen beim Einräumen feststellt, war diese Entdeckung allerdings nur der Anfang. Schimmel scheint hier ein größeres Problem zu sein. In vielen der Kühlregale findet sie noch viel mehr Schimmel. Auf den Flächen zwischen den Produkten, in den Türrahmen und vor allem in den Auffangbecken unter den Abtropfgittern wuchert der Schimmel regelrecht.

Lebensmittelkontrolleur Bernd Stumm erklärt hierzu: „So ein starker Schimmelbefall in einem Regal darf gar nicht so weit kommen, weil, der Schimmel braucht eine gewisse Zeit, bis man ihn sieht und dass es sichtbar ist. Das heißt also, hier ist über einen längeren Zeitraum nicht gereinigt worden.”

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„Das ist ein großes Sicherheitsrisiko”

„Das ist ein großes Sicherheitsrisiko”, erklärt Dr. Britta Schautz von der Verbraucherzentrale. Besonders eklig: Es könne durchaus sein, dass der Schimmel auf Lebensmittel übergeht. „Schimmelsporen oder der Schimmel an sich, der haftet trotzdem an dem Produkt. [...] Wenn ich zum Beispiel an Butterfolie denke oder an die Folie, die um Hefe drum ist, die ist ja nicht luftdicht. Das heißt, hier können sich auch Schimmelsporen, die sich in dieser Kühltheke verbreiten, direkt auf das Lebensmittel setzen. Und wenn ich so einen Joghurtbecher mit Schimmel dran mit nach Hause nehme, dann kann das natürlich Lebensmittel in meinem Kühlschrank kontaminieren und sich auch weiterentwickeln und dann kann es irgendwann gesundheitsgefährdend sein.

Einzelfall oder grundsätzliches Problem?

Wie hygienisch ein Regal in den Kühlschränken in der Filiale in Bad Tölz ist, auch wenn man nicht mit bloßem Auge Schimmel erkennt, zeigen vier Tupferproben, die das Team Wallraff hier entnommen hat. Das Testergebnis ist erschütternd: Auf Regalböden konnte eine Schimmelmasse von 3.000 koloniebildenden Einheiten entdeckt werden. Zum Vergleich: Mehr als zehn sind schon nicht mehr annehmbar. Das ist das 300-fache der erlaubten Menge.

Dass grundsätzlich Schimmel in den Kühlregalen der Kaufland-Filiale kein Einzelfall ist, zeigen die Recherchen der „Team Wallraff”-Reporter: In 41 von 50 überprüften Filialen konnten sie Schimmel entdecken. Auch Verbraucherexpertin Schautz erklärt: „Wenn es in 80 Prozent von 50 Märkten passiert, dann kann das ja gar kein Einzelfall sein. Dann ist das ja schon eher ein grundsätzliches Problem.”

Diesen Eindruck bekamen auch unsere „Team Wallraff”-Reporterinnen Lina und Silan. Beide wurden Zeugin davon, dass eine wirklich intensive Reinigung der beiden überprüften Märkte offenbar nur bei einer internen Kontrolle durchgeführt wird. Das berichten auch ehemalige Mitarbeitende in Interviews mit Team Wallraff.

Wie Lina und Silan während ihrer Einsätze zudem in Gesprächen mit Kollegen erfahren, fehle den Angestellten unter normalen Umständen wohl die Zeit für gründliche Hygienemaßnahmen und die Reinigung der Verkaufsflächen, und an ausreichend professionellen Reinigungskräften werde angeblich gespart. Hierauf nahm Kaufland in seinem Antwortschreiben an RTL keinen konkreten Bezug.

Video-Playlist zu „Team Wallraff”

„Team Wallraff – Reporter undercover“ auf RTL+

Ihr habt die neue „Team Wallraff”-Folge am Donnerstag verpasst? Die ganze Reportage von „Team Wallraff – Reporter undercover“ könnt ihr auf RTL+ online streamen und nachholen. (akr)