Traurige Gewissheit nach Leichenfund in Behrste
Das kommt jetzt auf Arians Eltern zu

63 Tage suchten sie voller Verzweiflung nach ihrem geliebten Sohn.
63 Mal wachten sie morgens auf – voller Hoffnung, ihren Jungen endlich wieder in den Armen zu halten. Als am Montag ein Bauer im Landkreis Stade eine Kinderleiche entdeckt, ist schnell klar, dass es sich bei dem toten Kind mit aller Wahrscheinlichkeit um den seit Wochen vermissten Arian aus Bremervörde handelt. Das Obduktionsergebnis bestätigt jetzt die traurige Vermutung. Man kann nur erahnen, welch emotionalen Horror Arians Eltern in der Zeit der Ungewissheit durchlebten - eine Ungewissheit, die jetzt der Trauer weicht. Tag für Tag, Woche für Woche, Monat für Monat und Jahr für Jahr. Wie geht man mit diesem Schmerz um? Die Therapeutin Ruth Marquardt erklärt uns, welche Prozesse Arians Eltern jetzt durchleben dürften.
Nach dem Tod eines geliebten Menschen: Fünf Phasen der Trauer
Die nächste Herausforderung, die vor ihnen liegt. Marquardt weiß: „Wenn ein uns nahestehender Mensch stirbt, durchlaufen die meisten Menschen mehrere Phasen der Trauer:
1. Verdrängung / Nicht-Wahrhaben-Wollen (Das kann nicht wahr sein, das glaube ich nicht!)
2. Zorn (Wer hat mir das angetan?)
3. Verhandeln (Wie kann ich das wieder gut machen?) In solchen Fällen gründen Eltern Selbsthilfegruppen, betreiben Aufklärung, um andere zu informieren oder ähnliches.
4. Depressive Phase (nicht mit der Situation umgehen können) Ein Gefühl von Hilflosigkeit, Schwäche oder Ohnmacht macht sich breit und scheint unüberwindbar.
5. Akzeptanz (Frieden schließen, das Leben schätzen, dankbar sein können für die gemeinsame Zeit)
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Ruth Marquardt: „Viele Menschen fallen dann in ein Loch”
Doch nicht alle Menschen würden alle Phasen durchleben. „Jede Trauer verläuft individuell. Nach dem ersten notwendigen Organisierenmüssen, Sich-Kümmern-Müssen, ist dann auch irgendwann alles getan. Danach stellt sich die Frage: Was nun? Wir werden als Menschen auf uns selbst und unser Gefühl zurück geworfen. Jetzt haben wir „Zeit“ dazu.“ Viele Menschen fallen dann in ein Loch – besonders oft ist das der Fall, wenn die Beerdigung hinter einem liegt und man plötzlich nichts mehr zu organisieren hat. „Ein Mensch fehlt, seine Energie, das gemeinsame Leben fehlen. Jemand ist nicht mehr da. Damit fühlen viele Trauernde eine Lücke. Nun geht es darum, sich diesem Gefühl zu nähern, zu prüfen: Kann ich das aushalten? Will ich mir Hilfe suchen? Oder übermannt es mich?“
Das können die Angehörigen von Arian aus Bremervörde tun
Es könne helfen, Kontakt zu Menschen zu suchen, die Ähnliches erlebt haben. „Viele Eltern berichten, dass genau das für sie hilfreich war. Der Austausch unter Gleichgesinnten bedeutet: Hier sind Menschen, mit denen ich auf Augenhöhe sprechen kann, da sie meine Erfahrungswelt teilen. Es kann offen gesprochen werden, da sich die Eltern gegenseitig als „kompetent“ in ihrem außergewöhnlichen Erleben mit dieser extrem belastenden Erfahrung ansehen.“
„Gemeinsam können so die Trauer bearbeitet und Lösungsansätze für den neuen Lebensabschnitt gefunden werden. Wichtig ist, dass die Eltern sich ernst genommen und verstanden fühlen. Sie wünschen sich selten übertriebene Betroffenheit oder extremes Mitleid, häufig sind hier Zuhören und Austausch wichtiger und hilfreicher als gut gemeinte Ratschläge“, erklärt Marquardt.