Ich habe als Kieler ja das Glück, manchmal dort arbeiten zu dürfen, wo nicht nur andere, sondern ich selbst auch gerne Urlaub mache: An der Nordsee, ganz im Westen Dänemarks. Die Gegend ist beliebt bei Deutschen, und seit einiger Zeit auch bei mehreren hundert Auswanderern. Als ich zum ersten Mal über diesen Boom berichtet habe, habe ich Christina aus Sachsen getroffen. Die Familie hatte wenige Wochen zuvor dieses herrliche Haus an der Küste günstig gekauft. Die gelernte Physiotherapeutin sagte mir damals dies hier: „Wir wollen uns Mühe geben, uns zu integrieren.“
Integration, das Stichwort ist einer der Gründe, weshalb ich jetzt wieder hergereist bin. Christina hatte nach meinem Beitrag hunderte Nachrichten bei Instagram bekommen von Menschen, die es ihr nachmachen und hierher auswandern wollen. Doch: „Ist nicht alles so einfach, wie es in der ersten Reportage vielleicht auch aussah.“
Es ist November und ich will heute mal schauen: Wie gut ist Christina nach acht Monaten in Dänemark angekommen – und wie gut kommen eigentlich bei den Dänen die vielen Deutschen an, die mittlerweile hier leben?
Ich habe vor acht Monaten selbst erlebt, wie intensiv sich die Kommune gerade um Deutsche bemüht.
Im März hatte ich hier einen extra ausgerichteten Infotag besucht mit knapp 300 deutschen Interessenten – zum neuen Termin jetzt im November kamen schon über 400. Viele wollen offenbar vor allem einfach weg aus Deutschland, aber wollen sie damit auch wirklich ankommen in Dänemark und dort leben mit allem, was dazu gehört? Der deutschstämmige Zuzugsberater hatte schon damals klare Worte für alle Interessenten gefunden.
Chris Wantia: „Und ich lese auch: Andernorts in Dänemark, ganz grenznah im Süden, gibt es mittlerweile tatsächlich sogar die Sorge vor deutschen Parallelgesellschaften.“
In Deutschland reden wir viel über Integration – und logisch, die Sprache gehört entscheidend dazu. Genau das scheinen aber nicht alle deutschen Einwanderer so zu sehen.
Christina jedenfalls hat in den vergangenen Monaten viel geübt. Für ihre Sprachkenntnisse bekommt die 36-jährige ein spontanes Lob der Verkäuferin – aber eine häufige Reaktion auf ihre Versuche sei auch: „Äh, was hast du gesagt?“ Christina nimmt mich jetzt mit in die Sprachschule hier im Ort. Zweimal die Woche hat sie hier sechs Stunden Dänisch – plus Hausaufgaben. Ich darf mit in den Unterricht…
Die Kurse hier sind für alle Zuwanderer gratis, verpflichtend aber nur für Asylbewerber, die nicht aus der EU kommen. Tina lernt gemeinsam mit Menschen aus Sri Lanka, Rumänien oder Uganda und der Ukraine. Auch ich soll einen Text vorlesen, und lerne dabei gleich etwas Erstaunliches über Dänemark.
Aber trotz meiner vielen Urlaube hier und – damit verbunden - minimaler Dänischkenntnisse: Wäre ich jetzt Auswanderer, ich würde fast bei null starten. Ein Punkt, den viele deutsche Zuwanderer offenbar unterschätzen.
Christina: „Es ist halt nicht damit getan, dass man ein bisschen Sprache spricht, sich mal beim Stadtfest blicken lässt…es macht Spaß, es ist toll, aber ist auch wirklich anstrengend.“
Das Thema Arbeit ist neben der Sprache das zweite ganz entscheidende. Dänemark sucht Fach-kräfte, auch aus Deutschland. Doch in der Praxis arbeiten viele gut ausgebildete Deutsche nach ihrer Ankunft monate- oder sogar jahrelang in vergleichsweise einfachen Jobs. So war es auch bei Stefanie Bödecker. Die 36-Jährige arbeitet in einem riesigen Ganzjahres-Weihnachtsdeko-Laden. Wir duzen uns übrigens direkt, auch das gehört zur dänischen Kultur. In ihren vier Jahren hier hat sie ihren Dänisch-Abschluss gemacht und sich parallel quasi hochgearbeitet ins Büro des Unternehmens. Auch sie sagt mir rückblickend: Das muss man wirklich wollen. „Ich wohn mittlerweile sie fast vier Jahren hier und habe einiges erlebt… zu anstrengend, die Sprache zu lernen, sich zu integrieren. Und die konnten sich dann auch im Winter nicht so damit abfinden, dass es ganz ruhig ist und dunkel ist.“
Stefanies Chef ist Holger – und er will bitte nicht Chef genannt werden. Typisch dänische flache Hierarchie, die viele Deutsche ebenfalls hierherzieht. Ab April sucht er übrigens wieder Angestellte für seine deutschen und dänischen Kunden. Er ist offen für den Zuwanderungsboom – im gewissen Rahmen.
Holger Mortensen: „Wir haben viele Deutsche, sieben-, acht hundert in unser Region. Nicht jeder können hier in Dänemark wohnen. Wenn du denkst: nein, ich lebe weiter deutsch sozusagen, dann bleib in Deutschland. Aber es gibt so viele andere, wo ich sage: Vielleicht sollten wir es mal probieren, erstmal für eine halbe Saison oder so.“
Christina ist gleich komplett ausgewandert. Ein verlockender Grund sind auch die aus deutscher Sicht unglaublich niedrigen Immobilienpreise.
Christina und andere Deutsche hier warnen aber vor Schnellschüssen, gerade was finanzielle Entscheidungen angeht: „Wichtig ist meiner Meinung nach, dass man mit einem Polster kommt… Viele wundern sich dann auch, dann kommen die ersten Steuern fürs Haus, das Auto muss eingeführt werden, das kostet Steuern usw. usf.“
Ich verstehe erst durch meinen zweiten Besuch hier so richtig, wie groß der Schritt Auswanderung werden kann – und wie unerwartet schwer vielleicht auch das Ankommen.
Aber vielleicht steckt ja genau in dieser Erkenntnis der Schlüssel zur erfolgreichen Integration – irgendwann… Die Dänen jedenfalls, das habe ich nun zigfach erlebt, haben auch diesen Anspruch – aber helfen dabei wirklich gern.