Es ist die letzte Sprachnachricht von Sarah U. an ihre Tante Inge.
Eigentlich war ja geplant, dass wir uns heute zum Kaffee treffen, aber aufgrund des Wetters würde ich das tatsächlich auf Samstag oder so schieben.
Doch nur wenige Tage später ist Sarah tot. Die 77-Jährige kann immer noch nicht fassen, was Marvins ihrer Nichte angetan haben soll.
Damit ich das verstehen kann. Wieso, Warum, Weshalb er meine Sarah umgebracht hat.
Rückblick. Es ist Mitte Januar dieses Jahres. Sarahs Familie macht sich große Sorgen um die Krankenschwester, die seit rund einem Jahr mit Marvin S. in einer Beziehung lebt.
Die haben sich am Mittwoch gestritten, und das hat sie mir erzählt am Telefon. Und danach habe ich nie wieder was gehört.
Inge schreibt ihrer Nichte über WhatsApp und will wissen, wie es ihr geht. Die 32-Jährige antwortet, dass sie krank sei.
Und diese WhatsApp, die sie geschrieben hat, waren einfach anders wie sonst. War nicht, war nicht die Wortwahl, die Sarah sonst gewählt hat. Und da habe ich mir Gedanken gemacht.
Schließlich ruft Inge die Polizei. Zusammen gehen sie und die Beamten am 19. Januar in die Wohnung von Sarah U. und finden hier ihre Leiche. Danach rückt schon bald Marvin S. ins Visier der Ermittler. Sarah und er hatten sich im Krankenhaus kennengelernt. Doch immer wieder kriselt es in der Beziehung zwischen den beiden.
Am Tattag soll die Getötete den Angeklagten und damaligen Lebensgefährten zunächst zu sich in die Wohnung gebeten haben und ein klärendes Gespräch zu führen. Es soll um die Trennungsabsicht der Getöteten gegangen sein.
Danach sei Marvin S durchgedreht. Mit einem Küchenmesser soll der 33-Jährige mehrmals auf seine Freundin eingestochen haben. Später kann die Polizei ihn in seinem Auto in Norddeutschland festnehmen. Für Inge ein Schock.
Der war immer nett und freundlich zu mir. Ich kann es nicht anders sagen. Einfach stinknormal.
Beim Prozessauftakt Anfang Juli gibt Marvin S die Tat zu. Der 33-Jährige sei nicht nur extrem eifersüchtig gewesen, sondern soll auch seinen Job verloren haben und spielsüchtig gewesen sein. Kurz nach der Tat soll er dann tagelang ganz normal in der Wohnung neben Sarahs Leiche weitergelebt haben.
Er habe sich Kippen aus dem Auto geholt, habe bei Nachbarn ein Paket entgegengenommen, habe sich Pizza kommen lassen und habe vom Handy von Sarah Nachrichten an ihre Familie und Bekannte verschickt. Und zwar im Namen von Sarah.
Heute dann das Urteil zehn Jahre Haft wegen Totschlags. Doch ursprünglich war Marvin S wegen Mordes angeklagt.
Die Kammer hat nicht feststellen können, dass handlungsleitend für den Angeklagten etwa ein übersteigertes Besitzdenken gewesen wäre oder eine Rache für die beabsichtigte Trennung. Das wäre aber Voraussetzung gewesen für eine Verurteilung wegen Mordes.
Doch egal wie ein gerechtes Urteil hätte es für Inge U. ohnehin nicht geben können. Denn für sie war Sarah wie eine Tochter.
Ich bin lebenslänglich bestraft. Mein Mädchen ist tot. Es ist. Es kommt keiner mehr, der zu mir sagt: Ich komm frühstücken, ich gehe mit dir einkaufen.
Inge muss jetzt lernen, mit dem Verlust zu leben. Zu Hause hat sich die 77-Jährige inzwischen eine kleine Gedenkstätte aufgebaut, um Sarah immer ganz nah bei sich zu haben.