„Ja. Ich war früher Bundesliga-Golflehrer und wohne seit zwölf Jahren im Wald. Dann kommen natürlich die ersten Fragen, so wie im Wald. Ja, ja, im Wald. Also so, wie die Menschen früher gelebt haben. Ganz einfach."
Marc Freukes hat ein Leben im Wohlstand gegen den Wald getauscht! Seine Geschichte macht mich als Reporterin neugierig. Hier im hessischen Odenwald treffe ich ihn: „Mensch Mark!" – „Karo! Guten Morgen" – „Wir haben noch drüber gesprochen. Hoffentlich regnet es nicht. Und jetzt regnet es in Strömen. Aber das macht dir nichts?" – „Mir macht das nichts aus." – „Dann hoffentlich härtest du mich ab in den nächsten 24 Stunden." – „Genau. Wir haben ja Zeit."
Das Ganze hat schon etwas von einem Filmset! Irgendwie surreal, dass tatsächlich hier jemand lebt. Bei dem Wetter freue ich mich jetzt aber besonders auf diese Homestory.
„Rechts ist der Lichtschalter Karo." – „Ach guck mal Elektrizität" – „Ja und man kann sogar sein Handy laden."
Marc hat eine eigene Solaranlage gekauft. Daraus generiert er seinen Strom. Die Haushalte, die an externe Stromanbieter gebunden sind, tun ihm leid. Dabei war der Ausstieg vor zwölf Jahren für ihn und Hündin Rala – die ihm seitdem begleitet – alles andere als einfach.
„Naja, hart waren die ersten vier Jahre so, die Wetterbedingungen. Das Tipi war die ganze Zeit undicht. Dann habe ich Mäuse da drin gehabt. Dann zog der Rauch nicht ab, wenn der Luftdruck fiel."
Aus dem Tippi wurde diese Jurte. Alles hier hat der 51-Jährige selbstgebaut.
„Die hast du auch selbst gemacht?" – "Ja, die sind auch selbst gemacht!"
Eine Schreinerausbildung hat Marc nicht. „Versuch macht klug“ lautet hier draußen das Überlebensmotto! Und ich versuche, mich mal darauf einzulassen.
Doch Extrawürste in der Wildnis gibt es für niemanden! Wer heizen will, muss anpacken! Ein Kraftakt, vor allem in den kalten Wintermonaten. Dafür hält der Wald fit.
„Ich habe einen wahnsinnigen Kalorienverbrauch. Also ich esse hier so gute 3.500 Kalorien am Tag. Wenn ich schwer arbeite, dann können das auch mal 5.000 bis 6.000 sein."
Marc ist also immer noch ab und zu auf den Supermarkt angewiesen. Aber wo bewahrt er die schnell verderblichen Sachen eigentlich auf?
Übrigens: Sein Wildnis-Wissen vermittelt der Waldmensch auch in Seminaren. Damit und mit seinen Büchern und Vorträgen verdient er ein wenig Geld. Und auch ich darf hier lernen: Nach Holz hacken, geht’s jetzt auf Nahrungsjagd: Am Forellenteich angekommen, stelle ich mich jetzt auf stundenlanges Warten ein. Marc jedoch ist optimistisch. Und das muss man bei dieser Lebensweise definitiv sein.
Ich weiß nicht so recht, was ich davon halten soll. Marc könnte es doch viel leichter haben. Warum verzichtet er auf jeglichen Komfort? Früher sah sein Leben so aus! Er war Bundesliga-Golflehrer.
„Also aus heutiger Perspektive würde ich sagen, ich war so ein typischer angepasster Nice Guy eigentlich. Also so, wie man halt als Golflehrer sein muss. Immer Polo mit Kragen und, äh, ja, so, so typischer Schwiegermuttersohn. Und das hat mich dann halt irgendwann so dermaßen angenervt."
All das wird ihm einfach zu viel! Der Druck im Job und ein sehr konventionelles Familien-Korsett. Marc rutscht in eine Depression:
„Aber man kann eigentlich fast sicher sein, wenn jemand in so einer wohlhabenden Familie aufwächst, dass da auch gravierende Zwänge sind. Und dann war das immer so, dass meine Mutter, also speziell meine Mutter, weil die sehr dominant war oder ist, sehr dominant. Die wollte immer so einen gut erzogenen netten Vorzeigesohn aus mir machen und da in der Rolle habe ich mich nie gesehen und deshalb habe ich relativ früh rebelliert."
Mit 39 Jahren nimmt Marc seinen ganzen Mut zusammen und zieht in den Wald! Anfänglich gibt es Probleme: Denn einfach irgendwo etwas hinbauen, ist in Deutschland genehmigungspflichtig. Die Behörden stellen sich quer. Marc muss sogar seine erste Jurte abreißen. Das hier ist nun ein privates Waldgrundstück der Familie. Und hier will Marc endlich seine Ruhe haben.
„Und dann kommen Leute und fragen mich Willst du denn nicht wieder zurück? Da würde ich am liebsten sagen, guck mal in den Spiegel. Ganz ehrlich, guck dir mal an, in was für einer Kacke du selber drin steckst. Also, das ist jetzt hart gesagt. Du stehst jeden Morgen um 7.00 auf, fährst deinen Hintern in so ein komisches Unternehmen, musst dann den Bückling machen vor deinem Chef. Für die popeligen Euros. Jahre später liegst du unter der Erde und hast – im Prinzip bist du, bist du dein ganzes Leben lang der Kohle hinterhergerannt. Und das soll jetzt ein erfülltes Leben gewesen sein?"
Ein Weg zurück kommt für ihn nicht infrage. Und das muss auch der Frau an seiner Seite bewusst sein. Ein Lebensstil der sicherlich nicht jedem zusagt: „Der Golflehrer oder der Mann im Wald?" – „Der Mann im Wald! Auf jeden Fall. Ja, das ist ganz klar. Aber. Also, das ist ja ein spannender Prozess auch. Also, ich weiß heute mehr, was Männlichkeit bedeutet als früher."
Marc ist übrigens noch Single. Ein Leben zwischen Katzenwäsche mit dem Quellwasser und einem selbstgebauten Outdoor-Gym, das keine Wünsche offenlässt. Ein Mann, der den Minimalismus lebt und der sich in der endlosen Natur des Odenwaldes zu Hause fühlt.