Schon aus der Luft sieht man: Eine Betonwüste sieht anders aus und Straßen sind – logisch – längst da. Doch die Anwohner sollen jetzt kräftig zur Kasse gebeten werden. Fast eine Million Euro sollen sie zahlen! Die 100.000 Euro für weitere Bäume sind da nur EIN Punkt, der mich aufhorchen lässt. Denn die Stadt sagt, hier sei eine sogenannte Ersterschließung nötig.
„Ich hab meine Wohnung vor 34 Jahren gekauft … Straßendeckel, Kanalisation, Strom - alles da … dann ist die Straße für mich erschlossen. Dann hab ich auch alles, was ich brauche.“
„Die Stadt behauptet ja Provisorium … unfertige Straße … dass keine Ersterschließung im Sinne des BauGB stattgefunden hat … das ist der Knackpunkt.“
In der Tat, denn: Bei einer Ersterschließung müssten die Anwohner satte 90 Prozent aller Kosten tragen. Wäre es dagegen eine sogenannte Straßenausbaumaßnahme, dürften die Anlieger seit 2024 in NRW gar nicht mehr an den Kosten beteiligt werden. In diesem Fall hat die Stadt besonders teure Pläne – für die Anwohner.
„Jetzt sollen hier ja 21 Bäume gepflanzt werden … sieht relativ grün aus. Was sagen Sie denn dazu?“ - „Wir wollen ja auch nicht im Urwald leben … dahinten ist auch eine Grünanlage.“
Allein die geplanten Baumbeete würden über 100.000 Euro kosten - Parkmöglichkeiten sollen dafür deutlich reduziert werden. In der auf mich sehr ruhig wirkenden Gegend sollen die Straßen damit zusätzlich verkehrsberuhigt und komplett neu gepflastert werden. Das Kanalsystem müsse saniert werden. All das rechtfertige, dass es sich um eine „Neuerschließung“ handele, so die Stadt.
Familie Münz wohnt hier erst wenige Monate. Sie habe unmittelbar nach Einzug erfahren, was finanziell auf sie zukommen soll:
„Da saß der Schock natürlich tief.“
„Die Wut und Sorgen der Anwohner kann ich durchaus verstehen. Jahrzehntelang soll hier an den bereits vorhandenen Straßen fast nichts gemacht worden sein und jetzt soll es teure Maßnahmen geben, die laut Stadt erst dann zu einer erstmaligen Herstellung führen.“
Ein scheinbar absurder, aber auch komplizierter Fall, wie ich noch feststellen werde.
Und DAS habe ich so auch noch nicht erlebt: Plötzlich kommt unangekündigt ein Landtagsabgeordneter, der offenbar von unseren Dreharbeiten erfahren hat. Guido Déus will neuer Oberbürgermeister in Bonn werden. Es stehen nämlich Kommunalwahlen an.
„Ich bin bereit, mich darum zu kümmern … ich kann ein bisschen Trouble bei der Verwaltung machen, dazu bin ich bereit.“
Klar, im Wahlkampf zählt jede Stimme. Aber wenn ein Oberbürgermeister-Kandidat schon mal hier ist, will ich ihn natürlich auf möglichst verbindliche Zusagen festnageln – sollte er gewählt werden.
„Sehen Sie das hier als bereits erschlossen an oder nicht?“ - "Ich kann es Ihnen nicht abschließend beantworten.“
Ich will gleich noch mit den aktuellen Verantwortlichen reden. Denn tatsächlich sind die Regelungen in Deutschland dazu auch für Experten oft verwirrend – und völlig uneinheitlich.
Mehr als die Hälfte der Bundesländer legt überhaupt keine Straßenausbaubeiträge mehr auf die Anlieger um. In einigen Bundesländern können Kommunen selbst entscheiden, ob sie Ausbaubeiträge erheben oder nicht. Nur in Rheinland-Pfalz hält man aktuell an einer Zwangsabgabe fest.
Anwohner Rainer Hökel hat alte Unterlagen gefunden – er zeigt mir einen Nachweis dafür, dass sein Vater bereits vor dutzenden Jahren Erschließungskosten gezahlt habe. In unserem Fall ist die Stadt Bonn ja der Ansicht, es handle sich nicht um Straßenausbau, sondern um eine Ersterschließung, für die die Anwohner zahlen müssen. Mit diesem Widerspruch werde ich die Stadt Bonn noch konfrontieren.
Ein Interview mit der grünen Oberbürgermeisterin Katja Dörner bekomme ich nicht, dafür schriftliche Antwort. Bereits gezahlte Beiträge von früher würde man abziehen, das ändere aber nichts daran, dass es sich aus Sicht der Stadt um eine Ersterschließung handele.
Zu den geplanten Baumbeeten heißt es: „…neue Baumbeete sind geplant, um den Aufenthaltscharakter zu stärken und für mehr Schatten, auch als Maßnahme zur Klimaanpassung und gegen die Überhitzung von urbanen Räumen, zu sorgen.“
Das ist für mich - in einer ohnehin schon grünen Umgebung – schwer zu begreifen, vor allem, wenn alles auf Kosten der Anwohner gehen soll. Aber immerhin: „Die Stadt will die Wünsche der Anwohner berücksichtigen und ihre Pläne zumindest noch einmal anpassen. Obwohl die Erneuerung der beiden Straßen ursprünglich noch in diesem Jahr durchgeführt werden sollte, gibt es jetzt noch keinen konkreten Beginn der Baumaßnahmen.“