Mietdrama im hessischen Linden

Häuser offenbar illegal gebaut – 70 Menschen sollen raus aus ihren Wohnungen

von Sebastian Stöckmann, Tobias Kranisch, Michael van Alst und Rebekka Kaiser

Sie wohnen idyllisch in Ein- und Mehrfamilienhäusern, am Waldrand der Kleinstadt Linden bei Gießen (Hessen). Doch Ende letzten Jahres der Schock für 70 Mieter der Siedlung: Sie sollen wieder raus aus ihren Wohnungen, weil diese illegal gebaut worden und einsturzgefährdet seien, sagt die Bauaufsicht des Landkreises Gießen. Die betroffenen Bewohner sind ratlos.

Landkreis Gießen: Mieter sollen aus illegal gebauten Häusern ausziehen

"Alle waren total schockiert", berichtet Studentin Daniela Marotta (23). "Keiner möchte umziehen, es wollen alle hierbleiben." Doch der Landkreis Gießen besteht darauf, dass sie und die weiteren Mieter wieder ausziehen. Seit Daniela vom Immobilienverwalter davon erfahren hat, ist sie in Sorge. Denn die die Lehramtsstudentin ist finanziell nicht auf Rosen gebettet, einen Umzug und eine vielleicht höhere Miete könnte sie kaum stemmen.

Die 23-Jährige will sich wehren und hat gemeinsam mit anderen Betroffenen den Mieterschutzverein eingeschaltet. Sie glaubt, dass die Behörden in erster Linie "den Vermietern einen reinwürgen" wollen.

Stiftung "Bei uns, für uns" (BuFu) soll Baustopps ignoriert haben

Die vier Häuser liegen in einem Gewerbegebiet und gehören der Stiftung "Bei uns, für uns" (BuFu). Das Grundstück, auf dem sie stehen, ist ein ehemaliges Bergbaugebiet. Auch Jahrzehnte später kann sich die Erde dort noch bewegen und die Häuser beschädigen.

Seit 2005 funktionierte die Stiftung die Gewerbesiedlung nach und nach zu Wohnraum um und vermietete die Wohnungen vor allem an Studenten und Flüchtlinge. Laut Behörden gab es keine Baugenehmigung, und die BuFu ignorierte im Laufe der Jahre immer wieder Baustopps. Sogar 10.000 Euro Zwangsgeld seien verhängt worden. Doch die Bauherren schufen offenbar weiter Fakten. Wegen der wiederholten Verstöße gegen das öffentliche Baurecht zieht die Kreisbauaufsicht jetzt die Reißleine.

Dass die Behörden nicht schon früher durchgegriffen haben, wundert Harald Liebermann, Erster Stadtrat von Linden. "Wenn man eine Verfügung auf den Weg bringt, dann sollte man sie auch durchsetzen und prüfen, ob das umgesetzt wurde – und das zeitnah", sagt er. Weshalb dies nicht passiert sei, müsse der Landkreis klären.

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"Man kann sagen, dass es blauäugig war, da ohne Baugenehmigung ranzugehen", sagt Rudolf Kirchner vom Immobilienmanagement. "Es gab zwar Absprachen, aber keiner hat sich daran gehalten – jetzt sieht man das Resultat."

Angeblich gab es eine mündliche Vereinbarung, aber offenbar keine schriftliche Baugenehmigung. Jedenfalls habe die Stiftung die Wohnungen aus selbstlosen Gründen geschaffen, behauptet Kirchner: "Wir schlagen daraus kein Kapital, wir geben den Menschen Wohnraum."

Linden: Studentin gibt die Hoffnung nicht auf

Ein Jahr gibt der Kreis den Mietern Zeit, sich eine neue Wohnung zu suchen und will sie dabei unterstützen. Für Daniela ein schwacher Trost. "Ich hoffe, hier wohnen bleiben zu können", sagt sie. "Denn ich will hier nicht raus."

Rechtsanwalt Arndt Kempgens macht der Studentin Hoffnung, dass sie bei einem Umzug nicht auf den Kosten sitzen bleibt. Der Vermieter habe "offenbar etwas vermietet, was man gar nicht hätte vermieten dürfen", sagt der Jurist. Daher könnten betroffene Mieter Schadensersatz verlangen.