Mobiles Arbeiten - Fluch oder Segen?
Die Folgen des Homeoffice: Was das Arbeiten von daheim mit uns macht
So spüren wir die Folgen der Arbeit in den heimischen vier Wänden
Für viele Arbeitnehmer wurde mit der Pandemie zumindest ein Traum wahr: Endlich lassen die Chefs sie mal von daheim arbeiten. Die Folge: Heimarbeiter melden sich weniger krank, schaffen mehr und genießen die Autonomie. Aber sie sind auch häufiger erschöpft, zeigen Analysen von Krankenkassen – und zwar schon vor Corona! Ein Orthopäde und eine Psychologin erklären, was das Arbeiten von daheim mit uns macht und wie wir die Situation für uns verbessern können.
Immer mehr Menschen sind von daheim aus tätig
Eine neue Studie zeigt: Immer mehr Menschen arbeiten im Homeoffice. 24 Prozent aller Erwerbstätigen arbeiteten in Deutschland im Januar 2021 laut einer Umfrage des gewerkschaftsnahen Instituts WSI ganz oder überwiegend von zu Hause aus, ungefähr doppelt so viele wie im Frühjahr 2020 im ersten so genannten Lockdown. Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) zufolge wäre es aber bei 42 Prozent der Arbeitnehmer grundsätzlich denkbar oder möglich. Aber ist es wirklich erstrebenswert, komplett oder zum größten Teil von daheim aus zu arbeiten?
„Da gibt schon positive Effekte“, weiß Diplom-Psychologin Sandra Jankowski aus Studien und hat das auch bei ihren Patienten beobachtet: „Man kann sich die Zeit frei einteilen, ist selbstbestimmt, kann in Ruhe daheim arbeiten und hat auch weniger Fahrtzeiten.“ Es komme aber darauf an, wie viele Tage man von daheim aus arbeite und ob das aus freien Stücken geschehe. Wie gut man mit dem Arbeiten außerhalb des Büros klarkomme, sei auch eine Typfrage: Menschen, die Kontakt zu anderen Menschen als Rückversicherung brauchen oder alles gern unter Kontrolle haben, könnte der Kontakt im Büro stärker fehlen als Menschen, denen Selbstbestimmtheit besonders wichtig ist.
„Die Corona-Pandemie kann aber Schwierigkeiten, die vorher schon bestanden, wie eine Brennlupe verstärken“, weiß die Psychotherapeutin. Prompt ist das mobile Arbeiten in ihrer Praxis in Zeuthen nahe Berlin bei vielen Patienten aktuell ein Thema.
Menschen sind im Mobileoffice häufiger erschöpft
Die Statistik bestätigt ihre Beobachtung. Laut einer aktuellen Befragung der AOK im Jahr 2020 fühlten sich 73,4 Prozent der Menschen, die häufig im Homeoffice tätig sind, erschöpft – deutlich mehr als bei den Menschen, die ausschließlich im Büro arbeiteten (66 %). Krank meldeten sich die Arbeitnehmer mit Möglichkeit zum Homeoffice jedoch deutlich seltener (7,7 statt 11,9 Tage im Jahresdurchschnitt).
Erstaunlich, denn gerade im Homeoffice sitzen die Menschen oft in einseitiger Haltung und auf Stühlen, die gar nicht dafür gemacht sind. Rückenschmerzen können die Folge sein. „Die Menschen bewegen sich immer weniger und sitzen mehr vor dem Monitor“, beobachtet Orthopäde Dr. Matthias Manke ( „Wenn der Orthopäde Rücken hat“). Neuerdings landen sogar mehr Kinder mit Nacken- und Rückenbeschwerden in seiner Praxis in Wattenscheid – die Folge von Gaming-Chairs und Homeschooling am Küchentisch.
Orthopädische Erkrankungen nehmen zu - kaum ein Homeoffice ist ergonomisch eingerichtet
Der Mediziner sieht zudem einen Zusammenhang zwischen orthopädischen Erkrankungen und seelischer Belastung. „Von 100 Rückenschmerzpatienten haben rund 80 eine psychische Mitbeteiligung. In der Pandemie kommt noch hinzu: Man kommt nicht mehr raus. Man darf keine verschiedenen Leute mehr treffen.“ Das belastet zusätzlich.
Von den 2000 Beschäftigten im Alter von 16 bis 65 Jahren in der AOK-Studie hatten die Teilnehmer im Dauer-Homeoffice stärker mit Wut, Reizbarkeit und Nervosität zu kämpfen. Typische Symptome für psychischen Stress, weiß Sandra Jankowski: „Das zeigt, dass der Körper mehr Stresshormone wie Adrenalin, Noradrenalin und Cortisol produziert.“
Die Folge: Wir sind nicht nur aggressiver, sondern vielleicht auch unsicherer oder schlafen schlecht. „Das geht bis zur richtigen Erschöpfung. Dazu gehören Antriebslosigkeit, Unkonzentriertheit und depressive Symptome.“ Orthopäde Matthias Manke ergänzt: „Wenn die Psyche belastet ist, ist der Muskel- und Bewegungsapparat viel empfindlicher für Schmerzen. Das heißt, auf einmal konzentriert man sich mehr auf seinen Körper, horcht in sich hinein. Die Psyche kann die Rücken- oder Nackenschmerzen im Homeoffice deutlich verstärken.“ Ein Teufelskreis.
Tipps gegen den Homeoffice-Blues
Was tun? Der Mediziner und die Psychologin sind sich einig: Der Schlüssel zum Homeoffice-Glück sind seelische Ausgeglichenheit und Bewegung. Am besten gleich für die ganze Familie.
Psychologin Sandra Jankowski hat einige Tipps parat:
- Musik: Legen Sie doch mal was auf, das Sie an den Urlaub letztes Jahr erinnert. Oder an den vor zwei Jahren. „Etwas, das auf alle Fälle mit positiven Gefühlen verknüpft ist.“ Getanzt werden darf natürlich auch.
- Lachen: Versuchen Sie es mal, auch wenn Ihnen gerade gar nicht danach zu Mute ist. Auch wenn es erzwungen ist – „man fühlt sich dann trotzdem anschließend etwas wohler als vorher“, sagt die Psychologin.
- Achtsamkeitsübungen: Die Gedanken auf etwas sehr Schönes lenken oder etwas bewusst genießen, das man sehr gern mag. „Zum Beispiel Schokolade auf der Zunge zergehen lassen, wirklich sehr langsam.“ Man kann sich dafür ruhig mal 5 Minuten Zeit nehmen.
- Sport: Denn körperliche Betätigung tut der Seele gut.
Und erklären Ihnen, wie Sie mit Bewegung für Entspannung sorgen, denn das muss kein Widerspruch sein.