Männer, die Frauen jagen, um sie dann zu hauen. So sieht es einen Tag vor Nikolaus auf Borkum aus.
„Es gibt kein Nein. Wenn du Nein sagst, dann wirst du trotzdem mitgezogen. Und vielleicht ruft dann noch jemand: Ich brauche Hilfe. Und dann kommt noch jemand dazu und dann wirst du dahingeschleppt“, sagt Hanna Schutter, die auf Borkum geboren ist und den Brauch miterlebt hat. Mindestens drei Schläge mit Kuhhörnern müssen Frauen hier beim Klaasohm fest über sich ergehen lassen, sagt sie.
Was ist das für ein Brauch, der seit Generationen jedes Jahr am Abend zum 6. Dezember gefeiert wird, bei dem Frauen scheinbar auch gegen ihren Willen geschlagen werden? Hält man auch weiter daran fest?
Bereits 2022 haben wir uns schon einen Eindruck vom Klaasohm Fest gemacht. Menschenleere Strände und Promenaden auf der ostfriesischen Insel. Aber das ist nur die Ruhe vor dem Sturm. Denn wenn die Dämmerung anbricht, versammeln sich die Borkumer in dieser Halle, um ihre jahrhundertealte Tradition, das Klaasohm-Fest zu feiern. Zutritt zur Halle haben aber nur erwachsene, auf Borkum geborene Männer. Frauen, Kinder und Festländer müssen draußen bleiben.
Und das hat einen Grund, denn hier sollen gleich Frauen geschlagen werden. Filmen dürfen wir nicht. Immer wieder stellen sich alkoholisierte Männer vor unsere Kamera und werden richtig aggressiv.
Aber vor was haben die Borkumer Angst? Ist es eine Tradition, die nicht mehr zeitgemäß ist? Es gibt das Fest schon seit Jahrzehnten. Betrunkene Männer in gruseligen Ungeheuerkostümen rennen einen Abend vor Nikolaus durch die Stadt auf der Jagd nach jungen Frauen. Haben sie die gefunden, werden die Mädchen mit einem Kuhhorn auf den Hintern geschlagen.
„Als die Borkumer, die männlichen, alle auf Walfang fuhren und wenn die nach Hause kamen, nach einem halben Jahr, dann meinten sie, in der Zwischenzeit hätten die Frauen die Herrschaft übernommen. Da sollte die Männerherrschaft wieder hergestellt werden. Und deswegen dieses Männerfest nur für Männer bestimmt“, erklärt eine Borkumerin in einem Beitrag von 1990.
Doch Zeiten ändern sich, und heute blicken viele mit anderen Augen auf das traditionelle Kuren verprügeln. „Einerseits denke ich mir, ist es Brauchtum, aber andererseits denke ich mir, man kann es auch an die jetzigen Zeiten vielleicht ein bisschen anpassen“, sagt eine Frau. Ein Passant vergleicht das Klaasohm-Fest mit dem Krampusbrauch in Österreich. Auch dort würden verkleidete Männer Frauen schlagen. „Ich finde es normalerweise nicht richtig.“
In Tirol lief dieser Brauch dieses Jahr jedenfalls aus dem Ruder. Eine Frau wurde so schwer geschlagen, dass sie ins Krankenhaus musste. Der Verein „Borkumer Jungens“, die Klaasohm veranstalten, wollen das Frauenhauen nun abschaffen.
„Die Gewalt gegen Frauen war nie ein großer Teil von dem Klaasohm. Das wird auf jeden Fall nie wieder ein Teil werden. Wir müssen uns eingestehen, dass es leider ein Fehler war“, sagt Maximilian Rau, Erster Vorsizende des Vereins „Borkumer Jungens“
Trotzdem kämpfen die Borkumer und gerade die Frauen jetzt dafür, dass Klaasohm bestehen bleibt. „Ich persönlich finde Klaasohm eigentlich toll“, sagt auch Hanna Schutter. „Ich finde bloß die Gewalt nicht toll. Also ich finde, man kann dieses Fest auch ohne Gewalt feiern. Und ich finde, das sollte heutzutage auch normal sein.“ Denn das Feiern wollen sich die Borkumer, egal ob Mann oder Frau, auch nicht verbieten lassen.