Neuanfang nach Abschiebung?: So ergeht es den zurückgeführten Straftätern in Afghanistan
Ein Abschiebeflug mit 28 Straftätern hat vor einigen Monaten eine große Debatte ausgelöst. RTL-Reporterin Liv von Boetticher sucht in Afghanistan nach den Männern, um zu klären, wie es ihnen heute geht. Sie trifft Abdul: in Deutschland ein Mann mit Strafregister, in Afghanistan ein erfolgreicher Geschäftsmann. Hier geht es mir zum ersten Mal richtig gut, erzählt er RTL.
Es ist eine der gefährlichsten Reisen, die unsere Reporterin je unternommen hat. Mehr als acht Monate hat sie sich hierauf vorbereitet und darum gekämpft ein Visum und eine Arbeitserlaubnis für Afghanistan zu bekommen. Ihr Ziel ist es, diesen Mann zu finden: Mukhtiar M., auch bekannt als der Vergewaltiger von Illerkirchberg.
Der Afghane hat in der baden-württembergischen Gemeinde gemeinsam mit drei anderen Flüchtlingen ein 14-jähriges Mädchen mit Drogen betäubt und stundenlang vergewaltigt. Nach zwei Jahren Haft in Deutschland wurde er im Sommer nach Afghanistan abgeschoben. Aber jetzt will er laut Medien unbedingt zurück nach Deutschland und seine Chancen dafür stehen gut. Aber dazu wollen wir ihn selbst befragen, denn wir haben einen Tipp bekommen, wo er sich aufhalten könnte.
Liv von Boetticher, RTL-Reporterin: „Ich muss ehrlich sagen: gut fühle ich mich nicht dabei, einem Vergewaltiger einer 14-jährigen hinterher zu reisen, das fühlt sich nicht gut an.“
Während Mukthiar seine Rückkehr nach Deutschland plant, weil er in Afghanistan nicht sicher sei, ist ein anderer Abgeschobener sogar ganz froh über seine Rückführung.
Abdul Saber F., abgeschobener Afghane: „Mir geht’s gut. Für mich war es eher so, was für ein Glücksfall, dass ich zurück in meinem Land bin.“
Zwei unterschiedliche Aussagen über Afghanistan, nur welche ist richtig? Sollte den 28 abgeschobenen Afghanen für ihre Verbrechen in Deutschland noch Scharia-Strafen drohen, wäre das mit dem deutschen Grundgesetz nicht vereinbar.
Zum Hintergrund: In den vergangenen Monaten wurde Deutschland von mehreren Terror-Anschlägen erschüttert. Ende Mai 2024 erstach ein 25-jähriger Afghane den Polizisten Rouven Laur und verletzte fünf weitere Personen schwer. Drei Monate später tötete ein syrischer Islamist drei Menschen auf einem Stadtfest in Solingen. Beide Asylbewerber wurden zuvor abgelehnt, aber nicht abgeschoben. Daraufhin folgt die Wende in der deutschen Abschiebepolitik. Ende August bringt die Bundesregierung 28 verurteilte Straftäter, darunter Mörder, Räuber und Vergewaltiger zurück nach Afghanistan. Ein komplizierter Vorgang, denn: Seit August 2021 sind die radikal-islamistischen Taliban in Afghanistan an der Macht. Das Problem: Die Bundesregierung erkennt die Taliban-Regierung nicht an und lehnt es daher ab, mit ihr direkt über Rückführungen zu verhandeln. Der erste – und bisher einzige Abschiebeflug kam aus diesem Grund auf Vermittlung von Katar zustande. Die Kataris schickten dafür extra ein Flugzeug nach Leipzig, an Bord waren dann zur Begleitung aber nicht wie sonst üblich Beamte der Bundespolizei, sondern Sicherheitskräfte aus Katar. Deutschland gab den Abgeschobenen aber, wie auch sonst üblich, 1.000 Euro Handgeld als Starthilfe mit auf den Weg.
Die afghanischen Behörden haben zunächst keine Ahnung, wen sie da empfangen. Wie problematisch das für sie ist, erklärt uns gleich noch der Pressesprecher der Taliban.
Unsere Reporterin Liv von Boetticher war 2022 schon einmal in dem kriegsgebeutelten Land. Damals waren die Taliban frisch an der Macht – inzwischen haben sie ihre Herrschaft verfestigt.
An Bord des Flugzeuges jetzt: viele Frauen und Kinder! Damals war ich eine von nur drei Frauen an Bord.
Liv von Boetticher, RTL-Reporterin: „Ziemlich beeindruckend. Als wir das letzte Mal hier waren, war die Halle ganz leer und inzwischen platzt sie tatsächlich aus allen Nähten.“
Was direkt auffällt: es patrouillieren viel weniger bewaffnete Kämpfer auf den Straßen als noch vor drei Jahren. Über örtliche Kontakte finden wir heraus: Mukhtiar N., der Vergewaltiger von Illerkirchberg, soll inzwischen rund fünf Stunden entfernt von Kabul bei Verwandten in der Nähe von Jallalabad in der östlichen Provinz Nangarhar wohnen. Doch um dort hinzukommen, müssen wir den Tang-e Gharu Gebirgspass überqueren. Hier waren „Raubritter“ und Entführungen an der Tagesordnung. Inzwischen scheint das Reisen vergleichsweise einfacher zu sein. Fünf Taliban-Checkpoints kontrollieren uns entlang der Strecke:
„Hallo, wer sind Sie und was machen Sie hier?“
„Wir machen einen Tagesausflug nach Nangarhar.“
Nach einer kurzen Passkontrolle geht es weiter. Die Taliban haben und hatten in diesem vorwiegend paschtunischen Teil Afghanistans eine enorme Unterstützung innerhalb der Bevölkerung. Um hier nicht zu sehr aufzufallen, bitten mich mein afghanischer Begleiter, mir eine Gesichtsmaske aufzuziehen – für die Frauen hier sei das Pflicht.
Liv von Boetticher, RTL-Reporterin: „Weil wir so tief im paschtunischen Gebiet sind?“
Begleiter: „Ja.“
Wir sind inzwischen in der Provinzhauptstadt Jallalabad. Jeder, den wir fragen, scheint von Mukhtiar gehört zu haben. Dieser Mann kennt ihn sogar persönlich, er ist mit Mukhtiar zur Schule gegangen!
Bekannter von Mukhtiar: „Ich kenne ihn, er war in meiner Parallelklasse. Ihr müsst aber umdrehen und in das Nachbardorf fahren“
Seit Stunden fahren wir zu den weit verstreuten Höfen – das erweckt Aufmerksamkeit – und Misstrauen. Plötzlich werden wir angehalten – ein örtlicher Dorf-Geheimdienst-Taliban will wissen, was wir hier zu suchen haben – die Situation ist brenzlig, es ist sein Gebiet. die letzten Jahre hat er hier Anschläge gegen westliche Ziele begangen. Inzwischen sei es in der Gegend aber sehr friedlich.
Taliban-Kämpfer: „Es ist hier absolut sicher. Die Sicherheit ist sehr groß. Es ist gibt gar kein Problem mehr. Gäbe es keine Sicherheit, könnten Sie hier nicht hier stehen.“
Von den Attentaten, die Afghanen in Deutschland zuletzt begangen haben, hat auch er gehört: Er findet, Straftäter sollten nicht in Deutschland ihre Strafe absitzen, sondern lieber in Afghanistan.
Taliban-Kämpfer: „Wir wissen was mit denen zu tun ist. Schickt uns die Typen hierher zum Islamischen Emirat. Wir werden hier Gericht halten. Wir werden mit ihnen sprechen: ,warum hast du so was gemacht?‘ Allah wird dann richten.“
Strafen nach islamischem Sharia-Recht. Das ist zumindest die Forderung dieses einen Kämpfers. Was gilt aber für den Rest Afghanistans? Nach mehreren Stunden Suche vor Ort, finden wir dann endlich einen angeblichen Onkel von Mukhtiar. Der hat zumindest eine Telefonnummer, aber es geht niemand ran.
Liv von Boetticher, RTL-Reporterin. „Wir haben ihn heute nicht gefunden und müssen nun mal schauen, ob wir ihn noch irgendwie finden.“
Ich bin enttäuscht. Werden wir herausfinden, was aus den 28 Abgeschobenen Afghanen geworden ist?
Wir recherchieren weiter. Hören uns um. Zurück in Kabul kontaktieren wir einen anderen Afghanen, der zusammen mit Mukthiar M. abgeschobenen wurde. Er hatte sich zuvor selbst an RTL gewandt, um mit uns zu sprechen: „Ich wohne in Kabul. Sie können zu mir nach Hause kommen.“
Abdul Saber F., genannt Ramin, ist ein Mehrfach- und Intensivtäter. Er wurde direkt aus dem Gefängnis abgeschoben.
Vor einigen Monaten, so erzählt er, habe er ein Interview mit einem anderen Abgeschobenen gesehen – und fand, dass seine neue Heimat falsch dargestellt würde.
Abdul Saber F., abgeschobener Afghane: „Er hat gemeint, wir würden hier nicht frei sein, wir könnten hier nicht atmen und so, aber das stimmt nicht. Ich kann hier zum Beispiel. Sie sehen, ich habe keinen Bart. Ich kann hier laufen, wie ich will, solange ich nicht gegen die Gesetze verstoße. Mit den Taliban, die sind nicht wie 96, ja, die sind ganz anders und die sind viel menschlicher. Und die tun auch vieles zulassen. Die haben verstanden, dass wenn man jetzt zum Beispiel unter einer Gesellschaft lebt, dass man viele Freiheiten lassen muss. Das haben Sie auch gelassen.“
Ramin kam als Kleinkind mit seinen Eltern über die Sowjetunion nach Deutschland. Er wurde als Kind von seinem Vater geschlagen, lief mit 11 Jahren von zuhause weg, so erzählt er es.
Abdul Saber F., abgeschobener Afghane: „Meine Eltern haben beide gearbeitet. Von morgens bis abends. Ich war Einzelkind und ich war immer allein. Ich hatte keinen, niemanden, der auf mich aufpasst. Deswegen bin ich dann die falschen Wege gegangen.“
Mit 15 landete er das erste Mal im Gefängnis, trat insgesamt 166-mal polizeilich in Erscheinung.
Abdul Saber F., abgeschobener Afghane: „Ja, ich habe Raub begangen. Körperverletzungen, Diebstähle habe ich begangen. Was noch? Räuberischer Erpressung. Versicherungsbetrug ist noch.“
Von den 34 Jahren in Deutschland verbrachte er elf Jahre im Knast.
Liv von Boetticher, RTL-Reporterin: „Wie geht es den 28, die zurückgeführt wurden? Wurde Ihnen etwas angetan?
Abdul Saber F., abgeschobener Afghane: „Nein, als wir gekommen sind. Ich. Ich kann ja kein Paschtu. Wir sind aus dem Flugzeug raus. Wir hatten noch die Plastikhandfesseln und Fußfesseln von den katarischen Behörden da. Und als wir rausgehen, wurden die uns entfernt. Wir wurden willkommen geheißen. Fünf Tage lang wurden wir natürlich kontrolliert. Jede einzelne, die sichergehen wollte, dass es keine Leute gibt, die hier irgendwelche Straftaten begangen haben und sich ins Ausland abgesetzt haben. (…) Viele haben gedacht, wir kommen hier hin, werden ins Gefängnis geschmissen oder wir werden erschossen. Oder wir werden gehängt oder so was. Das habe ich auch gedacht. Aber ich war dann so Ich habe mir gedacht, wenn es passiert, passiert sowieso. Da kann ich ja nichts gegen tun. Aber auf der anderen. Also was wir erlebt haben, war ganz anders.“
Entgegen dem Bild, das die Taliban-Regierung im Ausland hätte, sei es in Afghanistan heute seinem Empfinden nach besser als früher:
Abdul Saber F., abgeschobener Afghane: „Mein Leben ist gerade sehr gut. Dort hatte ich nicht einen Laden. Dort konnte ich mir nicht eine Wohnung mieten. Alles ging von denen aus, vom Amt aus. Das Amt hat entschieden, wo ich wohne. Hier kann ich selbst entscheiden, wo ich wohne. Ich bin frei“
Liv von Boetticher, RTL-Reporterin: „Hier haben Sie die 1.000€ behalten dürfen. Haben die Taliban das Ihnen abgenommen oder so?“
Abdul Saber F., abgeschobener Afghane: „Die Taliban muss gar nichts abgeben. Die haben unsere Sachen natürlich kontrolliert, wie jede Polizei oder wie jede Behörde. Aber die haben uns nicht weggenommen.“
Liv von Boetticher, RTL-Reporterin: „Sie haben vorhin erzählt, Sie haben einen Laden eröffnet. Was ist das denn für ein Geschäft?“
Abdul Saber F., abgeschobener Afghane: „Ich habe ein Fotostudio. Aber ich tue auch nebenbei Emails schreiben und für die Leute Filme und Musik aufs Handy laden.“
Liv von Boetticher, RTL-Reporterin: „Können Sie mir das zeigen?“
Abdul Saber F., abgeschobener Afghane: „Ja, natürlich.“
Immer wieder klingelt Ramins Handy – er ist auf der Suche nach weiteren Läden, die er anmieten kann.
Den Laden teilt er sich mit dem Mann einer Cousine: dieser verkauft eingelegtes Gemüse. Ramin selbst besitzt einen Drucker, Computer und eine Kamera. Er bietet verschiedene Dienstleistungen an:
Abdul Saber F., abgeschobener Afghane: „Dann hier habe ich eine Maschine. Also, ich tue Fotokopien für die Leute auch. Es gibt hier Büros, die haben keinen Strom. Ich habe eine Batterie. Was ich noch mache? Wenn jemand Emails erhält und Emails verschicken will, mache ich das auch. Ich tue dann Gmail für Leute einrichten oder Accounts für die einrichten.“
Monatlich, so erzählt es Ramin, verdient er mit seinen Dienstleistungen um die 6000 Afghani, umgerechnet 60 €.
Abdul Saber F., abgeschobener Afghane: „Mein Ziel ist, ein Fotostudio aufzubauen. Das hier überall in Kabul, in den wichtigen Stadtteilen. Das ist ein Laden von mir gibt.“
Ramin wohnt nun mit seinen beiden Cousinen und deren Familien in einem Drei-Parteienhaus. Doch trotz mehr als 5.000 Kilometern Entfernung: Die Verbindung nach Deutschland steht.
Abdul Saber F., abgeschobener Afghane: „Ja. Hallo, Mama. Ja, mir geht es gut, aber ich bin gerade mitten im Interview. Mit RTL. Ja. Können wir später reden? Ja. Okay.“
Liv von Boetticher, RTL-Reporterin: „Wie oft ruft denn die Mama an?“
Abdul Saber F., abgeschobener Afghane: „Am Tag zweimal.“
Auch wenn er seine Mutter vermisst: Zurück nach Deutschland will Rami zumindest derzeit nicht. Trotz der Tücken, die das Leben in Afghanistan mit sich bringt.
Abdul Saber F., abgeschobener Afghane: „Da ist irgendwo der Ausgang versperrt, wo der Rauch durchgeht. Vorhing gab es einen Windstoß.“
Abdul Saber F., abgeschobener Afghane: „Also, wir sterben jetzt daran nicht, das machen wir später. Das passt schon. Das haben wir schon mehrmals gehabt.“
Liv von Boetticher, RTL-Reporterin: „Müssen denn Menschen, die abgeschoben werden, sich vor irgendwas hier fürchten?“
Abdul Saber F., abgeschobener Afghane: „Hier in Afghanistan? Nein.“
Gilt das für ALLE Abgeschobenen oder ist Abdul Saber F. eine Ausnahme? Das werden wir gleich noch erfahren.
Wir sind in Afghanistan auf der Suche nach dem abgeschobenen Straftäter Mukthiar N. Inzwischen haben wir herausgefunden, dass der 32-Jährige gemeinsam mit anderen Abgeschobenen in den Iran geflüchtet ist. Wir versuchen Kontakt zu ihm herzustellen. Über Mittelsmänner bekommen wir zunächst zwei andere Ex-Häftlinge, die ebenfalls im Abschiebeflugzeug saßen.
Einer von ihnen ist Jamshid A. Der Afghane hatte offenbar auch im Iran direkt Ärger mit der Polizei.
Jamshid A., abgeschobener Afghane: „Ich habe hier draußen gegessen. Jetzt der Monat ist Ramadan. Ramadan ist hier Essen verboten. Ich wusste das nicht. Weil ich gegessen habe, hat mich die Polizei festgenommen und die haben gesagt, warum isst Du? Ich habe ihnen gesagt, ich habe 16 Jahre in Deutschland gewohnt. Ich wusste das nicht.“
Aus Afghanistan sei er weg, weil er dort wegen seiner Tattoos verhaftet und verprügelt worden sei. Wie es jetzt weitergehen soll, wisse er nicht.
Jamshid A., abgeschobener Afghane: „Ich bin in Shiraz, das ist ein Dorf. Zu meiner Familie habe ich keinen Kontakt.“
Ähnlich geht es Sayed Omed H., der wegen versuchten Totschlages und Raubes in Deutschland einsaß. Der 25-jährige schickt uns eine reumütige Videobotschaft.
Sayed Omed H., abgeschobener Afghane: „Hier in asiatischen Ländern gibt’s gar nichts, keine Menschlichkeit, keine Zukunft und gar nichts und ich komme gar nicht klar mit der Kultur von hier. Ich bereue so sehr. Ich weiß, ich habe sehr schwere Straftaten begangen. Ich will darum bitten, dass ich zurück nach Deutschland kann. Wenn das möglich wäre, dass ich zurückkommen kann, ich wäre sehr dankbar.“
Dass Abgeschobene wie Sayed H. oder Mukhtiar N. zurück nach Deutschland kommen, ist nicht unmöglich. Im Fall des Vergewaltigers von Illerkirchberg unternimmt dessen Anwalt grade alles, damit sein Klient zurück kann: Dieser sei bei den Taliban in höchster Gefahr!
Wir fragen nach in Illerkirchberg. Wie reagiert der Bürgermeister darauf, dass ein Vergewaltiger zurückkommen will, weil er Angst vor den Taliban hat?
Markus Häußler, Bürgermeister Illerkirchberg: „Also ich würde den Fokus jetzt weniger auf das richten, was im Jetzt dort vielleicht zustößt, sondern das, was hier passiert ist. Letzten Endes kam er hierher, um Schutz zu suchen, hat, wurde straffällig in sehr krasser Form und hat dadurch einfach seine Bleibeperspektive, sein sein Status hier verloren. Und dann ist die konsequente Logik, dass er auch wieder zurück muss in sein Herkunftsland.“
Doch was, wenn Mukhtiar N. tatsächlich zurückkommt?
Markus Häußler, Bürgermeister Illerkirchberg: „Ich würde mich mit allem, was ich zur Verfügung habe, wehren.“
Auch die Menschen von Illerkirchberg wollen Mukhtiar N. NICHT wieder bei sich haben:
„Also wenn ich schon daran denke, da könnte ich echt. Ich habe selber Kinder. Zwei geht nicht. Also entweder kommt er in den Knast rein und sitzt seine Strafe ab. Oder er braucht gar nicht reinzukommen.“
„Wie? Zurück nach Deutschland, oder wie? Ja. Nee, das will ich gar nicht.“
„Also ich bin selber Ausländerin. Aber solche Ausländer, ehrlich gesagt, gehören nicht zu Deutschland.“
Sein Anwalt sieht das aber ganz anders. Uns gegenüber bestätigte er, dass er an der Rückkehr Mukthiars nach Deutschland „arbeite“. Hintergrund ist: Mukhtiar N. hat in Deutschland inzwischen ein Kind.
Die Frage aber, ob Straftäter wie er in Afghanistan allgemein sicher sind, beantwortet uns das Bundesinnenministerium.
„Im Rahmen der Abstimmungen haben sich keine Anhaltspunkte ergeben, dass die Personen in Afghanistan individuelle Verfolgung zu erwarten haben. (…) Die Bundesregierung arbeitet mit Hochdruck daran, weiter Abschiebungen nach Afghanistan zu ermöglichen. Dabei prüft sie alle relevanten Fragen unter rechtlichen und operativen Gesichtspunkten.“
Die Taliban-Regierung erklärt uns im Interview, dass sie gewillt ist, mehr Afghanen zurückzunehmen, knüpft das aber an Bedingungen.
Zabihullah Mujahid, Taliban-Sprecher: „Wir möchten Kontakte auf hoher Ebene haben und dass zwischen beiden Ländern diplomatische Beziehungen aufgenommen werden. Unser Wunsch ist, dass die afghanischen Straftäter erkennungsdienstlich bekannt gemacht werden und für deren Rückführung in Kooperation mit unserem Außenministerium offizielle Schritte eingeleitet werden.“
Was dann mit den Straftätern geschieht, lässt Mujahid aber offen.
Mukthiar N. ist offenbar aus Angst vor den Taliban in den Iran geflüchtet und dort finden wir ihn endlich - nach mehreren anstrengenden Tagen. Unser örtlicher Mitarbeiter reicht mir das Telefon. Mukhtiar N. will ihr seine Version der Geschichte erzählen.
Mukthiar N., abgeschobener Afghane: „Ich war in sechs Tage in Taliban. Im Gefängnis war. Ich war im Gefängnis und ich war diese Leute in Taliban, will mich nicht rauslassen.“
Wie auch bei Ramin wollten die Taliban bei Mukhtiar N. offenbar erstmal herausfinden, was ihm in Deutschland vorgeworfen wurde.
Mukthiar N., abgeschobener Afghane: „Ich war in einem Haus und zwei Leute waren bei mir zu Besuch. Und der hatte mit einem Mädchen so was gemacht. Ich habe nichts getan und so.“
Liv von Boetticher, RTL-Reporterin: „Also, Sie haben gesagt, dass Sie an der Vergewaltigung nicht beteiligt waren?“
Mukthiar N., abgeschobener Afghane: „Genau.“
Offenbar sieht Mukhtiar bei sich keine Schuld – Worte, die für sein damals 14-jähriges Opfer wie Hohn klingen müssen. Nach sechs Tagen wurde er von seinem Bruder abgeholt und durfte in sein Heimatdorf nach Nangarhar reisen. Dort gab es dann aber laut seiner Aussage Probleme:
Mukthiar N., abgeschobener Afghane: „Einmalig bin rausgekommen und Taliban. Mir hat festgehalten und der hat gefragt ,Warum hast du deine Bart sogemacht? Warum hast du deine Haare so? Warum bist du so laufen, so wie du bist? Nicht Afghane und einfach.‘ Der hat mich ein Stock hinter den Rücken geschlagen. Und der hat mich ins Auto reingemacht und gegangen.“
Insgesamt drei Mal sei er wegen seines Bartes geschlagen worden und auch dass er ein Kind in Deutschland bekommen hat, habe sich im Dorf schnell rumgesprochen.
Mukthiar: „Ich habe eine Frau in Deutschland, und der hat gesagt, der hatte mit einer Christen Frau ein Kind.“
Liv: „Das heißt das größere Problem war nicht die Straftat mit dem Mädchen, sondern dass Sie eine Christin haben.“
Mukthiar: „Genau. Ich habe.“
Liv: „Haben Sie sich in Deutschland denn nie Gedanken darüber gemacht, dass Ihre Straftaten Konsequenzen haben und möglicherweise dafür dazu führen, dass sie nach Afghanistan abgeschoben werden? (…) denken Sie auch manchmal an das Mädchen, dessen Leben jetzt zerstört wurde in der einen Nacht 2019?“
Mukthiar: „Ich denke, er war damals. Ich habe geändert. Ich will zurück für meine Kinder passiv. Ich will meine Frau da sein. Ich will meine Kinder. Kleine Kinder. Ich habe verlassen. Ich habe meine Kinder, mein Gesicht nicht gesehen.“
Liv: „Naja, sie haben eine lange Liste an Straftaten und man muss sich ja auch schon den Konsequenzen die Konsequenzen bewusst machen, wenn man solche Taten begeht. Und wenn man ein 14-jähriges Mädchen eine ganze Nacht lang vergewaltigt, dann hat man sein Recht in Deutschland zu sein, möglicherweise dadurch verwirkt. Sie haben direkt nach dem Gefängnis das Programm für rückfallgefährdete Straftäter geschwänzt. Das ist nicht sehr überzeugend. Wenn man dann sagt, man hat sich geändert.“
Mukthiar: „Ja, mein Anwalt versucht, will mich zurückbringen in Deutschland, weil ich habe ein Kind von eine deutsche Frau.“
Unsere Recherchen ergeben, dass das Justizministerium zum Zeitpunkt der Abschiebung von dem Kind wusste. Dennoch hat das schwere Ausweisinteresse überwogen. Mukhtiar N. versucht grad mit allen Mitteln, genau diese Entscheidung rückgängig zu machen.