Es ist ein Fall, der mich stark beschäftigt. Früher ist Kathi mit Freundinnen um die Welt gereist, hat das Leben genossen. Bis die Studentin plötzlich an ME/CFS erkrankt ist. Seitdem ist nichts mehr, wie es war.
Wir haben heute einen wunderschönen Herbsttag. Ein Glück für gesunde Menschen, doch Helligkeit verursacht bei Kathi heftigen Schmerz. Genau wie Geräusche.
Weil sie ständig im Dunkeln liegt, bekommt Kathi Nahrungsergänzungsmittel, dazu starke Medikamente. Das Essen muss ihre Mutter pürieren.
Die Symptome von ME/CFS sind vielfältig: Erschöpfung über sechs Monate, oft über Jahre, Konzentrationsprobleme, Muskel und Gliederschmerzen, Kopfschmerzen. Dazu kommen häufig Schlafstörungen, Kreislaufschwäche, erhöhte Infektanfälligkeit. Und eine Überempfindlichkeit gegen Sinnesreize.
Bei Kathi traten vor drei Jahren diese Symptome innerhalb von wenigen Tagen auf. Gerade die enorme Erschöpfung kannte die energiegeladene Studentin nicht. So-fort suchte Kathi Hilfe bei ihren Eltern.
Und kein Arzt wusste, was ihr fehlt. Kathis Zustand verschlechterte sich in den nächsten Monaten. Wie sehr, werde ich gleich sehen. Auf dem Flur zu ihrem Zimmer frage ich mich, wie viel Kraft es Ruth jedes Mal kosten muss, diesen Weg zu gehen.
"Du bist der einzige Mensch, der Hoffnung bringt, in diesen Raum, in diese ewige Dunkelheit und Stille."
Dr. Körner-Rettberg ist Chefärztin der Kinderklinik am Weseler Marienhospital und arbeitet überwiegend mit ME/CFS- Patienten. Die Krankheit trifft vorwiegend junge Erwachsene und auch viele Jugendliche und Kinder, wie Jonas.
"Muss viel liegen, weil zu ansttrengend."
Selbst das Aufstehen fällt ihm schwer. Weil die Krankheit so unerforscht ist, kann auch Dr. Körner Rettberg nur ausprobieren, was ihm guttut. In Jonas Fall ist es eine Sauerstoff-Behandlung.
Der ganze Alltag hat sich für ihn geändert. Und oft fühlt er sich mit seinen Symptomen alleingelassen.
Denn nur wenige Mediziner kennen sich mit ME/CFS aus. Da-bei sind inzwischen 650.000 Menschen in Deutschland erkrankt. Experten gehen von einer hohen Dunkelziffer aus, eben weil es bis zur Diagnose im Schnitt zwei bis drei Jahre dauert. Und dann leiden die Patienten weiter. Denn bislang wurde weder eine Heilungsmöglichkeit gefunden, noch gibt es ausreichend Kliniken, die diesen Betroffenen helfen können.
Warum die Krankheit so unerforscht ist, das werde ich später noch erfahren. Zu-nächst zurück zu Kathi. Obwohl jede ungewohnte Belastung ihren Zustand dramatisch verschlechtern kann, will sie, dass mein Kamerateam mit in ihr Zimmer kommt.
Wie kommuniziert man mit einem Menschen, der weder Geräusche noch Licht erträgt? Wie sagt man seinem Kind, dass man bei ihm ist, dass es nicht aufgeben soll? Ruth schreibt Kathi Buchstaben in die Hand. Kurze Botschaften. Kathis einziger Kontakt zur Außenwelt.
Nur eine Etage tiefer muss der normale Alltag weitergehen. Auch für Kathis Stiefvater und ihren kleinen Bruder.
Allein sein und sich alleingelassen fühlen – dieses Problem teilen Familien mit ME/CFS. Warum tut unsere Bundesregierung nicht mehr für sie?
In den kommenden Folgen der Doku sprechen wir mit dem ehemaligen Gesundheitsminister Karl Lauterbach. Und erfahren, wie sich die Betroffenen selbst helfen. Birte Viermann erzählt von ihrer kleinen Schwester Silja, die nach acht Jahren ME/CFS nicht mehr wollte.