((Opener, keine Inserts, auf Musik schneiden))
((Alster)
((Musik: "As Long as You're Here"))
((40:44 Teil 2))
"Die Spielsucht hat einen großen Teil meines Lebens zerstört , auch nachhaltig."
((02:09:31 Teil 3))
"Ich habe mit dem Spielen angefangen, kurz nach dem Tod meines Vaters. Relativ unbedarft, würde ich sagen."
((02:10:17 Teil 3))
"Aus einem Sammelsurium von eigenem verdienten Geld, ergaunerten Geld, Geld durch Straftaten, Geld durch meine Familie."
((57:45 Teil 2))
"Ich bin Marco. Sportwetten bestimmten über Jahre hinweg mein Leben. Ich habe über 250.000 Euro verzockt. Und heute stehe ich hier."
((Blende, Musik bis 02:20))
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Montagmorgen. Statt in einer acht Quadratmeter großen Zelle durfte Marco die Nacht in seiner eigenen Wohnung hier in Hamburg-Barmek verbringen. Veruntreuung, Diebstahl, Kreditkartenbetrug: Der 36-jährige sitzt eine sechs-jährige Haftstrafe ab. Seit einiger Zeit ist er im offenen Vollzug, hat regelmäßig Freigänge.
((OT Marco Schmidt, wurde zu sechsjähriger Freiheitsstrafe verurteilt))
((17:10:00 Teil 2))
"Geburtstage verpasst man in Haft." // "Das ist Klaus - mein Cousin, der leider viel zu früh von uns gegangen ist, als ich auch in Haft war." // "Didi wurde auch geboren, als ich in Haft war."
Didi ist seine Nichte. Auch ihre Geburt hat er nur aus dem Knast miterlebt.
Mehr als zehn Jahre lang war Marco spielsüchtig. Spielsüchtig nach Sportwetten. Zunächst harmlos mit Wetten auf die Bundesliga, dann Ligen in Saudi-Arabien, Iran, Kasachstan...immer mehr, immer schneller. Hauptsache spielen. Sein Job als Fitnesstrainer wurde zur Nebensache.
((OT Marco Schmidt, Sportwetten bestimmten lange sein Leben))
((03:07+10:13+10:21+09:55 Teil 1))
"Für mich war halt nur wichtig, dass ich zu bestimmten Zeiten, also direkt 11 Uhr morgens , 13, 14, 17 Uhr immer Spiele hatte, die ich verfolgen konnte. Ganz egal ob ich davon Ahnung hatte oder nicht." // Rückblickend betrachtet // habe ich mir natürlich immer eingeredet, ich will noch einmal was Großes gewinnen. Ich will jetzt noch einmal diesen Sieg haben und dann höre ich auch auf. Dann habe ich ja genug. Das ist aber Quatsch. Du spielst immer und du nimmst dir immer irgendwelche Gründe, um zu spielen."
Mit 20 fängt Marco mit dem Spielen an. Kurz nachdem sein Vater viel zu früh verstirbt. Der war selbst spielsüchtig, genauso wie Marcos Großvater - und...Alkoholiker. Das Verhältnis zu ihm seit der Jugend schwierig.
((OT Marco Schmidt))
((04:03+09:55 Teil 1))
"Dann wurde es auch innerhalb kürzester Zeit so, dass er jeden Tag vollkommen stockbesoffen nach Hause gekommen ist. Und dann hat er auch kein gutes Haar mehr an uns gelassen. // "Und das mit dem Spielen hat glaube ich einfach , das war so meine Parallelwelt , die ich mir erschaffen hat. Das war meine Betäubung, um diese Realität auszublenden und um mir darüber keine Gedanken zu machen."
Eine eigenwillige und teure Therapie: 250.000 Euro verspielt Marco über die Jahre. Auch wenn er weiterhin arbeitet: Sein Gehalt reicht nicht aus. Er belügt und beklaut seine Familie, wird kriminell. Unter anderem beantragt und nutzt er Kreditkarten mit gefälschten Identitäten.
((OT Marco Schmidt))
((15:42 Teil 1))
"Du hast einen kurzen , ganz normalen , neutralen Moment, schlägst du die Hände über dem Kopf zusammen und fragst dich, was zum Teufel du gemacht hast . Aber dann kommt kurz danach schon wieder der Druck und du machst nur darum Gedanken, wo du die nächste Kohle her kriegst."
((Freistand Begrüßung Schwester
14:42 Teil 2))
"Ich freue mich, meinen kleinen Bruder zu sehen."
Besuch von der großen Schwester. Maria und Marco können inzwischen wieder zusammen lachen. Denn die Spielsucht hat das eigentlich enge Verhältnis der Geschwister für eine lange Zeit zerstört. Marco bestiehlt auch Maria und seine Mutter, bestellt zum Beispiel Tablets auf ihre Namen, um die zu verkaufen. Doch Maria verschließt lange ihre Augen vor der Wahrheit.
((OT Maria Keller, Marcos Schwester))
((40:19 Teil 1))
"So richtig komisch wurde es dann erst, als Dinge aus dem Haus verschwanden. Da haben wir uns... Da habe ich dann auch gedacht ich bin blöd , ich habe die Sachen verlegt . Aber als mein Mann dann irgendwann auf unser gemeinsames Konto geguckt hat und da dann mehrere höhere Geldbeträge abgegangen sind und mich fragte Was hast du da gekauft ? Ich habe da nichts gekauft . Dann haben wir dem irgendwie so ein bisschen auf die Schliche , dass das irgendwie was mit meinem Bruder zu tun haben muss."
Maria konfrontiert Marco. Doch der streitet alles ab. Sogar der Gerichtsvollzieher und die Kriminalpolizei melden sich bei ihr. Und auch Marias Ehe leidet unter der Situation, weil sie zu ihrem Bruder hält.
((OT Maria Keller, Architektin))
((45:23 Teil 1))
"Ich bin vor Sorge fast gestorben . Teilweise . Also . Und ja , ich habe mich halt nicht von ihm distanziert und habe nicht gesagt , das ist sein sein Bereich , sondern ich habe das alles irgendwie angenommen und ich habe nur schlaflose Nächte gehabt . Ich bin ja richtig krank geworden."
Alles alles auffliegt, wird Marco zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt. Erst während seiner Haft finden er, seine Mutter und die Schwester wieder zueinander. Marco hat schon viele neue Chancen von seiner Familie bekommen.
((OT Marco Schmidt, ))
((58:39))
"Es würde jetzt keinen Unterschied machen, wenn ich meine Schwester oder meine Mama sagen würde, wie leid es mir tut. Diese Worte sind schon längst nichts mehr wert . Es hilft jetzt nur noch der Weg , den ich vor mir habe , dass ich den anders gehe , als ich ihn bisher gegangen bin."
Zu Marcos neuem Weg gehört auch sein Job in einer Jugend-Wohngruppe. Hier arbeitet er tagsüber - abends muss er meistens zurück ins Gefängnis. Er gibt den Jugendlichen eine Tagesstruktur, hört ihnen zu.
((Freistand))
((02:20:25+02:21:10 Teil 3))
"Hast du noch nichts gegessen heute?"
"Nee."
(stöhnen)
//
"Aber dann lass uns doch später Reis machen."
"Mit Gemüse?"
"Mit Gemüse."
"Ja, okay."
((OT Merrit, Bewohnerin einer Jugendgruppe))
((02:29:30+02:29:50 Teil 3))
"Manchmal wie ein Bruder, der einem einfach helfen möchte. // Er ist so ein bisschen der Stamm einfach, der mir halt gibt in vielen Situationen. Wenn ich nicht weiter weiß, dann weiß ich: Okay, ich kann mich bei ihm melden. Er ist da. Er wird mir helfen."
In dieser Aufgabe sieht Marco seine Zukunft. Er studiert im Fernstudium Soziale Arbeit. Außerdem hat er den Verein "Sport statt Straße" gegründet, mit dem er Jugendliche über Sucht und Kriminalität aufklären möchte - aus erster Hand.
((OT Marco Schmidt, Betreuer einer Jugend-Wohngruppe))
((02:28:28+02:25:02))
"Mein Weg soll nicht vollkommen umsonst gewesen sein . Es reicht , dass ich die die meiste Zeit meines Lebens irgendwie vergeudet habe . Probiere ich wenigstens dafür zu sorgen , dass es mir nicht viele Menschen nachmachen und einen ähnlichen Weg gehen. // "Mein Weg war nie gerade. Mein Weg ist tief, tief , tief, tief, tief, tief runter gegangen, wie wir es heute schon gehört haben. Und dann bin ich aber trotzdem wieder rausgekommen . Und was ich finde, sind , dass junge Menschen auch positive Vorbilder brauchen ."
((Alster))
Durch den offenen Vollzug kann sich Marco wieder allmählich an die zurückerlangte Freiheit gewöhnen. In wenigen Wochen soll Marco wegen guter Führung bereits vorzeitig entlassen werden. Er hat die Zeit im Gefängnis genutzt, weil er sich ändern wollte, sagt er. Angst vor einem Rückfall hat er nicht.
((OT Marco Schmidt, Sportwetten bestimmten sein Leben))
((45:33+46:26 Teil 2))
"Die Angst hält sich momentan in Grenzen, weil ich einfach so feste Strukturen mir aufgebaut habe und mir jetzt einfach sage, ich habe sie in den lebensfeindlichsten Umständen sozusagen am Leben erhalten , dann schaffe ich es draußen, wo es ja eine lebensfreundliche Umgebung ist , erst recht. // Ich habe ganz, ganz viele Mechanismen entwickelt , die um diese Spielen herumführen und mich davor bewahren. Und das, darauf vertraue ich sehr."
Die Spielsucht hat Marcos Leben ruiniert. Freunde und Familie hat er mit hineingezogen. Das Gefängnis war seine Rettung. Nun will er mit seinem Verein andere retten. Diese eine letzte Chance will er nutzen...und noch einmal neu anfangen. Diese letzte Chance darf er nicht verspielen.