Kirchen ohne Messe

Kirche ohne Kirche – Zweites Leben für Gotteshäuser

Am Sonntag ist Tag des offenen Denkmals. In ganz Deutschland öffnen mehr als 6.000 denkmalgeschützte Orte ihre Türen – darunter Burgen und Schlösser, alte Fachwerkhäuser oder Kirchen. Die werden immer häufiger anders genutzt. Denn sowohl in die evangelischen als auch die katholischen Kirchen kommen einfach nicht mehr genug Gläubige.

Fahrradkirche in Jülich

Ein Beispiel ist die Sankt Rochus Kirche in Jülich. Das ehemalige katholische Gotteshaus ist jetzt einer der ungewöhnlichsten Fahrradläden in NRW. Für viele wären Werbeslogans wie „Hier gibt es himmlische Preise" oder „unserer Fahrräder sind einfach göttlich" vermutlich mehr als verführerisch. Nicht so für Inhaber Thomas Oellers: „Auch von außen ist nicht unbedingt sichtbar, dass hier ein Fahrradgeschäft ist, dahingehend alles zu erhalten. Ja, ganz klar. Aber eben auch der Wunsch, hier keine Kirmes draus zu machen, sondern immer noch ein Ort, den viele so in Erinnerung behalten sollen, wie sie es eben für sich selber empfinden." Das gilt auch für den Chef persönlich, der wurde nämlich in seiner Kirche getauft. Sankt Rochus wurde 19061 gebaut. Bis Ende 2022 wurden hier regelmäßig Messen abgehalten. Die gibt es auch heute noch gibt, denn die Fahrradkirche hat auch noch eine kleine Kapelle, die die Gemeinde weiter nutzen darf. „Es war sicher schwer für die Gemeinde, von der Kirche Abschied zu nehmen. Aber mittlerweile findet das gute Akzeptanz. […] Hier ist regelmäßig Gottesdienst und nebenan das Pfarrheim besteht noch. Der Kirchturm besteht also auch weiter im Stadtviertel. Äußerlich ist Kirche präsent. Auch das ist ja wichtig.", sagt Hans-Otto von Danwitz, der Pfarrer der Gemeinde. Sankt Rochus ist die erste Kirche, die hier aufgegeben wurde. Insgesamt gibt es in der katholischen Gemeinde 16 Gotteshäuser – für einige ist die Zukunft ungewiss: „Auch weiterhin werden wir aufgrund von finanziellen Mitteln und auch von personellen Mitteln gezwungen, uns von Gebäuden zu trennen. […] Wir haben die Kurve nicht bekommen, mehr Menschen wieder in die Kirche zu kriegen, woran wir auch arbeiten, aber das haben wir bis heute leider Gottes nicht geschafft und deshalb kommen diese Konsequenzen.", reflektiert Kirchenvorstand Thomas Surma.

Ausstellung zeigt: kein Einzelfall

Dass die Gemeinde Jülich damit nicht alleine ist, zeigt die Wanderausstellung "Kirchen als vierte Orte" in Essen. In NRW gibt es rund 6.000 christliche Kirchen. Schätzungen der Baukultur NRW zufolge, müssen in den kommenden Jahren bis zu 50 Prozent der Gebäude aufgegeben werden. Das wird kirchenintern geprüft, bis die Gotteshäuser dann entweiht werden. „Wenn eine Kirche profaniert, heißt es im Katholischen oder gewidmet im Evangelischen wird, dann findet meistens auf jeden Fall ein Abschiedsgottesdienst statt, so eine Art letzte Messe. Der Altar wird dann meistens herausgenommen. Und das Gebäude dann so für eine neue Nutzung freigegeben. ", sagt Felix Hemmers, der Kurator der Ausstellung. Eine weitere Herausforderung: Viele Kirchen stehen unter Denkmalschutz. Änderungen sind deshalb häufig schwieriger als bei normalen Gebäuden. Sie müssen intensiv mit den Behörden abgestimmt werden. Potenzielle Käufer schreckt das oft ab. Außerdem muss eine Idee fürs Leben nach der Religion her und da geht für die meisten nicht alles: „Kirchengebäude sind natürlich Bauwerke mit einer sehr hohen kulturellen und gesellschaftlichen Bedeutung, stehen dementsprechend auch häufig unter Denkmalschutz. Und es gibt natürlich auch einen gewissen Respekt,

den man dem Ort gegenüber erbringen muss, wenn man ihn jetzt für eine neue Nutzung transformieren möchte.“, so Felix Hemmers weiter.

Viele Beispiele in NRW

Die kostenlose Ausstellung in Essen zeigt exemplarisch, was geht: Kitas, Büros, Wohnungen. Häufig werden Kirchengebäude für Kulturelles genutzt. Es gibt Konzerte, Theater oder Ausstellungen. Aber auch Sport ist ein Thema für das Kirchenleben nach der Religion. In Mönchengladbach wird geklettert - in Wettringhausen gekickt. Und in Köln wurde eine entweihte evangelische Kirche zu einem sogenannten Dojo. Hier wird eine japanische Kampfkunst trainiert – für den Pächter kein Widerspruch: „Eine Kirche war für mich ehrlich gesagt schon immer mein Traum. So, weil ein Dojo ist ein Ort der Ruhe, der Meditation, natürlich auch der Bewegung. Und eine Kirche hat ganz viele Attribute, die das genau bedient. Da kann ich zur Stille kommen und zur Ruhe kommen. Ich kann innehalten, ich kann mich selber finden und kann ein ganz hohes Bewusstsein aufbauen.", sagt Aikido-Lehrer Dirk Kropp. Wer sich für eine Kirche entscheidet, sollte den nötigen Respekt mitbringen, da sind sich in Jülich, Köln und Essen alle einig. Möglich ist, was gut ankommt. Der Architektur sollten die neuen Besitzer aber treu bleiben. Die Kirchen in NRW sind im Wandel: Von außen klassisch – im Herzen anders.