Die Schattenseiten der bunten Social Media Welt. Ich bekomme Kontakt zu Betroffenen und lese solche Sprüche von angeblichen Agenturen.
„Wir bringen dich groß raus. Du hast aber ein schönes Profil. Hast du schon mal gemodelt? Wow, bist du pretty…du kannst richtig Kohle im Monat dazuverdienen…“
Doch der Reihe nach.
Die Plattform OnlyFans bietet exklusive Bilder und Videos von Influencern für ihre Fans.
Promis machen es vor: ein bekanntes Beispiel ist Laura Müller, die Frau von Schlagersänger Michael Wendler. Generell zahlen Fans hier dafür, besonders private Einblicke von ihren Idolen zu bekommen.
Dafür nehmen die sogenannten Creators nicht selten auch Nacktbilder und manche sogar Pornovideos von sich auf – für ihre Abonnenten.
„ Doch auf dieser Plattform können auch vor allem junge Frauen landen, die vielleicht vorher nichts mit dem Sexgeschäft zu tun hatten. …
„ und an dieser Fanbase wollen die angeblichen Agenten mitverdienen.“
Mir wird ein Vertrag zugespielt, den junge Frauen unterschreiben sollen, wenn sie bei OnlyFans gemanagt werden wollen. Dort steht unter anderem drin, dass die Frauen alle Bild- und Videorechte an die Agentur abgeben. Zu den Inhalten heißt es etwas vage:
„ Auf Grundlage der vorbenannten Markt- und Nachfrageanalyse erstellt das Management für das Model Vorlagen und Skripte für erfolgversprechenden Bild- und Videocontent.“
Ich treffe Hana und Anja Amelia. Die 25-jährige Hana erzählt mir, sie habe am Anfang viel Lob für ihr Aussehen, ihr Talent und ihre Profile bei TikTok und Instagram bekommen, wo sie viele Follower hat. Man habe ihr eine große Karriere prophezeit. Sie habe dann bei einer Agentur unterschrieben.
„ Da war halt einfach nur der Druck ziemlich groß, weil man halt wirklich urviel Content produzieren musste, was halt über das eigene Maß teilweise hinausging und dann gesagt wurde, ja wir bräuchten noch mehr und…“
„..Wie haben Sie sich gefühlt, als Sie dann in so einem Verhältnis waren, so etwas unterschrieben haben und eigentlich ja auf gut Deutsch wirklich abgezockt wurden? Ich habe mich ausgelaugt gefühlt, also noch mehr als schon in der Situation mittendrin. Es war so dieses, eigentlich stehe ich ja dafür, dass ich eine Frau bin, die in dieser Welt Dinge machen möchte, worauf ich Lust habe und nicht, die mir ein Mann vorschreibt oder ich mir am Ende mein Geld von einem Mann wiederholen muss, der nichts dafür gemacht hat.“
Doch Hana erzählt mir auch, dass sie dem Druck nachgegeben habe. Beide Frauen verdienen jetzt mit ihren Nacktfotos und -videos nach eigenen Aussagen gut. Anja Amelia erzählt, sie sei von Anfang an skeptisch gegenüber den Angeboten dieser Agenturen gewesen.
„ Ich habe den Vertrag durchgelesen und dann am Endeffekt, die wollen einfach mich sozusagen klauen, mein Name, alles und das hätte mir dann nicht gehört, wenn ich aus dem Vertrag rausgegangen wäre.“
Ich treffe Liss in Berlin, eigentlich heißt sie anders. Die 22-jährige Studentin ist ein sehr erfolgreiche Influencerin und möchte meine Recherchen zum Thema unterstützen. Liss zeigt mir Nachrichten, die sie über Social Media schon oft erhalten habe: von Männern und auch Frauen.
„ Ich habe mich auf OnlyFans spezialisiert und konnte dort knapp 5000 Euro letzten Monat verdienen. Das beste ist, dass alles komplett anonym abläuft und keiner aus deiner Familie erfährt etwas.“
Liss sagt mir, sie habe ein gewisses Verständnis, wenn sich junge Frauen davon verführen ließen – weil ihnen anfangs nicht wirklich bewusst sei, worauf sie sich einlassen.
„ Du weißt, umso mehr du zeigst, desto mehr bekommst du. Und es ist dann immer so schwierig zu sagen, wann ist jetzt die Grenze, wann ich wirklich aufhören will. Und das ist dann..okay, das geht noch und das geht noch und ja, meine Güte, jetzt habe ich das schon gemacht, das hält mich jetzt auch nicht mehr auf. So geht es, glaube ich, immer, immer weiter.“
Ich will mir mit Liss genauer anschauen, wie das Geschäft funktioniert. Online stoße ich auf Videos, in denen sich junge Männer gegenseitig Tipps geben, wie man angeblich durchstartet.
„Das erste, was du natürlich brauchst, ist ein Model…sonst kannst du logischerweise kein Geld verdienen. Damit steht und fällt die Agentur.“
„ Es geht hier immer wieder auch um die Prozente..wieviel Prozente fürs Management wieviel Prozente für das Model..am Ende ein Business, dass natürlich auch mit nackter Haut Geld verdient.“
„Sei frei mit OnlyFans. Verdiene mehr, arbeite weniger“ – das sind typische Slogans der Agenturen. Dabei frage ich mich: Wie frei sind die Mädchen wirklich? Sind die jungen Frauen schlicht selbst dafür verantwortlich oder ist es vielleicht doch eher eine Form moderner Zuhälterei? Und: Könnten sogar Minderjährige mit Agenturen zusammenarbeiten? Die Plattform OnlyFans dementiert das.
„Alle OnlyFans Creators müssen 18 Jahre alt sein und wir haben strikte Maßnahmen, um Alter und Identität aller Creators zu überprüfen.“
Mit einer Kreditkarte und Foto-Scan kann ich mich sofort anmelden, allerdings nur als Fan. Um Inhalte zu posten, müsste ich anhand von Dokumenten meine Volljährigkeit beweisen. Doch ich finde auch Artikel wie diesen: Journalisten der britischen BBC haben recherchiert, dass bei OnlyFans offenbar sogar schon 13-Jährige eigene Profile geführt haben.
In den folgenden Tagen wird Liss für unsere Recherche auf die Anfragen der Agenten eingehen. Was versprechen uns die Männer - und was wollen sie am Ende?
Hana und Liss fragen für mich auch vermeintliche Agenten, mit denen sie in der Vergangenheit zu tun hatten, ob sie auch eine Minderjährige unter Vertrag nehmen würden. Ich bekomme eine Sprachnachricht, die Hana nach eigenen Angaben als Antwort erhalten hat.
„Was wir machen können, ist, dass wir, weil sie auch wirklich Bock drauf hat..Wir bauen einen kleinen Hype auf, also wir bauen ihr Tiktok und Instagram auf und promoten sie halt, dass sie bald 18 wird. Und dann wird sie, wenn sie 18 ist und OnlyFans machen darf, wird sie viele Subs (=Abos) kriegen.“
Die Agenten versprechen ein Luxusleben: die jungen Frauen könnten anonym arbeiten, ihre Inhalte würden nur im Ausland zu sehen sein. Doch ich erhalte während der Recherchen Einblick in Musterverträge. Die Mädchen geben die Rechte an ihren Bildern und Videos uneingeschränkt an die Agentur ab. 50 bis 70% Gagen für die Agentur, teilweise nur 30 Prozent für die Mädchen sind keine Seltenheit.
„ Wir haben uns als Mission, als Ziel gesetzt, dass wir unseren Models einfach einen besseren Lifestyle ermöglichen wollen. Das erfüllt uns, wenn uns die Models erzählen, dass sie ihren Job kündigen konnten, dass sie ihrer Familie eine Reise schenken konnten. Das ist so, was uns antreibt.“
Auch bei Liss kommt ein vermeintlicher Agent schnell zur Sache.
„ …Da wollte ich noch fragen, was wärst du denn bereit zu zeigen? Bist du relativ offen? Würdest du alles zeigen?
„…Also alles zeigen würde ich wahrscheinlich nicht, aber da muss ich mal noch schauen…“
„ …also ihr nehmt keine Minderjährigen?“
„…ich sag dir ehrlich, wir arbeiten schon mit Minderjährigen, wenn sie zum Beispiel 17 sind, dann machen wir zum Beispiel TikTok-Marketing mit ihnen, also Social Media Marketing. Inoffiziell gesehen, kann ich es dir sagen…man kann sich dann durch TikTok oder Instagram Reichweite aufbauen und dann mit 18 oder 19 kann man wählen und sagen: ich nutze jetzt diese Reichweite für OnlyFans.“
Das ist nicht illegal - aber aus meiner Sicht zumindest moralisch fragwürdig:
Minderjährige, die auf Social Media Kanälen offenbar für Sexauftritte vorbereitet werden sollen. OnlyFans selbst äußert sich dazu nur knapp:
„OnlyFans befürwortet die Arbeit sonstiger Agenturen oder Dritter nicht und steht auch mit diesen in keinerlei Verbindung.“
Ich konfrontiere die Agenturen, die mir während meiner Recherche aufgefallen sind, per Mail und Social Media mit meinen Fragen. Ich bekomme keine einzige Antwort. Auch TikTok und Instagram stelle ich die Frage, was sie davon halten, dass auf ihren Plattformen offenbar junge Frauen angeworben werden. TikTok antwortet nicht auf meine Fragen. Instagram schreibt mir:
“Die Sicherheit unserer Community hat für uns höchste Priorität. Nutzer*innen können über eine speziell dafür entwickelte Sicherheitseinstellung verhindern, dass Personen, denen sie nicht folgen, ihnen Direktnachrichten schicken können.(…)“
Experten warnen dringend davor, sich so locken zu lassen. Eltern und Kinder können sich bei Beratungsstellen im Internet informieren, wie sie sich beim Thema Nacktheit im Internet verhalten sollen. Influencerin Liss hat dafür klare Worte.
„..Dir muss immer bewusst sein, egal was du hochlädst, das kann überall landen, überall und wird auch nie 100%ig verschwinden.“
Ich kann nach meinen Recherchen auch nur dringend raten, sich nicht von Komplimenten und Versprechungen blenden zu lassen – viel zu schnell kann man in einer Abhängigkeit landen oder Inhalte posten, die man später bereut.